Im Rhythmus der Märkte
Von Armin SchmitzDie Ukraine-Krise und die Konflikte im Nahen Osten zerren an den Kursen der Aktienmärkte. Besonders die Sanktionen, die die EU und die USA gegen Russland verhängt haben, rufen Befürchtungen über negative Auswirkungen auf die europäische Wirtschaft hervor. Der Dax hat im laufenden Jahr bereits mehr als 4 % eingebüßt. Aufgrund der zunehmenden Angst der Investoren hat der VDax, der Volatilitätsindex für den deutschen Leitindex, in den vergangenen Wochen von 11 % auf mehr als 18 % angezogen. Ähnlich sieht es auch beim Vix, dem Volatilitätsindex für den amerikanischen S&P500, aus, der von 10 auf rund 17 % gestiegen ist.Nach einem Anstieg von mehr als 50 % innerhalb von zwei Jahren sind die Aktienmärkte inzwischen in die Turbulenzen der Sommermonate geraten. Nach der Dividendensaison im zweiten Quartal ziehen sich viele Anleger aus den Märkten zurück. Statistisch gehören die Sommermonate wegen der nachlassenden Liquidität an den Börsen zu den schwächsten Börsenmonaten während eines Handelsjahres. Börsenweisheiten wie “Sell in May and go away” sind vielen Anlegern bekannt. In den USA ist dies auch als Halloween-Effekt bekannt, weil der Aktienmarkt nach dem gleichnamigen Fest Anfang November wieder anzieht. Tatsächlich zeigt die Historie, dass es sich um erstaunlich regelmäßig wiederkehrende Kalenderphänomene handelt.Zahlreiche Studien bestätigen diese Entwicklung in den Sommermonaten. So zeigt eine Untersuchung von Goldman Sachs, dass sich ein Börsenjahr in zwei Phasen teilt. So liegen die Börsengewinne in den Monaten von November bis April deutlich höher als im Zeitraum von Mai bis Oktober. Besonders kritisch sieht es im Herbst aus. Mit einem Minus von durchschnittlich 2 % gilt der September als der schwächste Monat während eines Börsenjahres. Jeweils im April konnten die Anleger in den zuru¨ckliegenden 30 Jahren im Schnitt eine Rendite von rund 3 Prozent erzielen. Er ist damit der ertragreichste Monat des Jahres. Niederländische Untersuchungen konnten zeigen, dass deutsche Aktien seit 1965 im Zeitraum zwischen November und April einen durchschnittlichen Wertzuwachs von 6,4 % erzielten. In den Sommermonaten musste der deutsche Aktienmarkt in den vergangenen 39 Jahren dagegen einen Verlust von rund 0,2 % hinnehmen.Wie so häufig, gib es auch bei den Kalenderphänomenen keine Regel ohne Ausnahme. Anleger, die sich am Anfang des Sommers aus dem Markt verabschiedeten, verpassten beispielsweise im Jahr 2010 und 2012 einen großen Teil des Aufschwungs im Dax. Das Halloween-Phänomen lässt sich nicht in jedem Jahr nachweisen. Es finden sich immer wieder Perioden, in denen sich die Märkte anders verhalten. Dennoch weisen Strategien, bei denen sich Anleger nach der Dividendensaison aus dem Markt verabschieden und Ende Oktober wieder einsteigen, gute Ergebnisse auf. Indexstand wird eingefrorenDieses Themas haben sich die Zertifikate-Emittenten bereits Anfang des Jahrtausends angenommen. Das im Oktober 2000 von der ABN Amro, heute Royal Bank of Scotland (RBS), aufgelegte Daxplus-Seasonal-Strategy-Indexzertifikat (NL0000196301) basiert auf der Wertentwicklung eines von der Deutschen Börse berechneten Index, bei dem Ende Juli die Dax-Notierung fixiert wird. Dann macht der Index während der Monate August und September quasi eine Investmentpause. Am ersten Handelstag im Oktober wird die Notierung wieder gestartet. Seit der Auflage im Jahr 2000 erzielte das Daxplus-Seasonal-Strategy-Indexzertifikat eine Wertsteigerung von rund 120 %. Vor dem Hintergrund, dass der Dax allein 2012 und 2013 mehr als 50 % zulegen konnte, beeindruckt die Entwicklung nicht wirklich. Doch der nähere Blick offenbart, dass der Dax zum Zeitpunkt des Zertifikatestarts bei 6 681 Punkten stand. Heute notiert das Zertifikat bei 40,83 Euro, was indirekt einem Dax-Stand von 14 698 Punkten gleichkommt. Über diesen langen Zeitraum konnte das Papier wegen der Aussparung zahlreicher Krisen während der Sommermonate für den Anleger einen Mehrwert erzielen. Im Dreijahreszeitraum lag das Zertifikat allerdings mit einem Plus von 54,4 % leicht hinter dem Dax, der um 58,4 % stieg.Strategiezertifikate werden auch auf den EuroStoxx50 angeboten. Das Europa Saison Indexzertifikat (DE000HV1A2N3) von der HypoVereinsbank ist in den Monaten von Oktober bis Juli quasi im EuroStoxx50 investiert. In den Sommermonaten wird das eingesetzte Kapital im Geldmarkt angelegt und mit dem Eonia-Satz verzinst. Nicht zuletzt wegen der starken Kursverluste bei den Finanzwerten hinkte der EuroStoxx50 den Ergebnissen der Dax-Strategiepapiere deutlich hinterher. Das Zertifikat verzeichnet im Dreijahreszeitraum eine Rendite von rund 40,6 %.Kalendereffekte sind auch auf Tagesbasis feststellbar. Auf diese Phänomene fokussiert ist das Dax On/Off-Strategie-Zertifikat der UBS (DE000UBS1EM6). Es nutzt mit einer regelbasierten Strategie regelmäßig wiederkehrende Kalendereffekte. Damit soll es Überrenditen gegenüber einem normalen Indexinvestment generieren. Das Zertifikat verbrieft eine Handelsstrategie, bei der vier Handelstage vor jedem Monatsende das Anlegerkapital in den Dax investiert wird. Drei Handelstage nach dem Monatsbeginn verkauft die UBS den Dax wieder zum Schlusskurs. Das Zertifikat ist also nur an sieben Handelstagen mit Long-Positionen im Markt investiert. Das Kapital wird an den investitionsfreien Tagen bis zur Wiederanlage am nächsten Monatswechsel zum Eonia-Zinssatz angelegt. In den zurückliegenden Monaten ist diese Strategie am deutschen Aktienmarkt nicht aufgegangen. Binnen eines Jahres musste das Papier einen Verlust von 9,5 % hinnehmen, während eine Kaufposition im Dax auf einen Gewinn von 9,8 % kam.Bessere Ergebnisse weist das 2005 gestartete Alpha Deutschland Indexzertifikat (NL0000050656) auf, das nur an Tagen, die statistisch eine Outperformance erzielen, investiert ist. Über die zurückliegenden zwölf Monate sieht die Entwicklung ähnlich aus. Hier erzielte das Alpha-Indexzertifikat einen Gewinn von 9,8 %. Im Dreijahreszeitraum erzielte das Zertifikat einen Gewinn von 56,5 %. Der Dax avancierte im vergleichbaren Zeitraum mit einem Plus von 58,4 % etwas besser. Bei dem Alpha-Index ist der Anleger am letzten und an den ersten Börsenhandelstagen eines jeden Monats investiert sowie am letzten Handelstag vor einem Feiertag. In den Zwischenphasen wird das Kapital im Geldmarkt angelegt. Diese Ergebnisse zeigen, dass Strategien, die auf Kalenderphänomenen beruhen, einen Mehrwert liefern. Es bedarf allerdings einer relativ langen Haltedauer, damit sich der positive Effekt einstellt.