IM INTERVIEW: FRANK KRINGS, DEUTSCHE BANK LUXEMBOURG

Im Sustainable-Finance-Markt überzeugt die Vielfalt

Luxemburgs Deutsche-Bank-Chef über grüne und nachhaltige Produkte, die ESG-Ausrichtung des Hauses und die Perspektiven dieses Kapitalmarktsegments

Im Sustainable-Finance-Markt überzeugt die Vielfalt

In den vielen unterschiedlichen Sustainable-Finance-Produkten sieht Frank Krings, CEO der Deutschen Bank in Luxemburg, die Potenziale dieses Kapitalmarktsegmentes. Im Interview der Börsen-Zeitung legt er dar, wie weitreichend dieses Kapitalmarktthema ist und worauf es für einen Produktanbieter künftig ankommt. Herr Krings, sehen Sie in Green & Sustainable Finance beziehungsweise Sustainable Banking einen Modetrend oder eine substanzielle Entwicklung hin zu einer neuen Finanzmarkt- beziehungsweise Bankenwelt?Hinter ESG-Kriterien und SRI-Ansätzen stehen sehr grundlegende Fragen und Überlegungen zur langfristigen Ausgestaltung von Wirtschafts-, Sozial- und Politiksystemen. Kluge und konkrete Antworten auf die bestehenden Herausforderungen zu finden, ist gleichermaßen essenziell wie auch komplex und erfordert einen langen Atem. Dies gilt national wie international, und zwar unabhängig von politischer oder ideologischer Verortung. Die Finanzdienstleistungsindustrie spielt bei der sachgerechten Analyse und Bewältigung der maßgeblichen grenz- und generationenübergreifenden Probleme eine zentrale Rolle. Unsere Industrie und unser Berufsstand stehen daher in einer langfristigen Verantwortung. Der Themenkomplex erhielt zuletzt zweifelsohne ein höheres, von einigen mitunter als überproportional empfundenes mediales Interesse; dennoch wäre es nicht richtig, die ESG- und SRI-Thematik als Modetrend abzutun. Der Finanzplatz Luxemburg hat sich auf die Fahne geschrieben, zu einem grünen und nachhaltigen Finanzplatz zu werden. Finanzminister Pierre Gramegna treibt das stark voran. Hat Luxemburg das Zeug, sich gegenüber anderen Finanzplätzen in dieser Hinsicht zu positionieren und langfristig zu etablieren?Absolut – und dies wird im harten internationalen Wettbewerb mit anderen Finanzzentren und Wirtschaftsstandorten zu erfolgen haben. Luxemburg hat in seiner Geschichte wiederholt bewiesen, dass es einerseits Langfristtrends rechtzeitig und richtig einschätzen kann und andererseits die für die Zukunft des Großherzogtums, seiner Bevölkerung und seiner Unternehmen maßgeblichen öffentlichen und privaten Akteure zielgerichtet zu mobilisieren vermag. Was sind die großen Herausforderungen, vor denen der Finanzplatz Luxemburg in Sachen Sustainable Banking steht?Neben dem bereits erwähnten internationalen Wettbewerb ist der Erhalt der bestehenden ökonomischen Basis des Finanzzentrums eine vielschichtige Herausforderung. Als führender und verantwortlicher ESG-Akteur wahrgenommen zu werden, bedingt für Unternehmen wie auch Finanzzentren und Staaten mitunter, bestimmte bestehende Aktivitäten zu überdenken und anzupassen. Dies mag finanzielle Spielräume einschränken. Auch gilt es sicherzustellen, dass gerade aufgrund der Dynamik und der Wettbewerbsintensität beim Thema Sustainability die erforderliche Schnelligkeit und Beweglichkeit der Akteure nicht als Abkürzung oder unzulässige Vereinfachung interpretiert wird. Zuletzt bedarf es einer hinreichend breiten Basis fachlich neu beziehungsweise anders qualifizierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Unternehmen und öffentlicher Verwaltung. Womit kann Luxemburg in dieser Hinsicht speziell punkten?Luxemburg steht für Langfristorientierung, politische und wirtschaftliche Stabilität sowie Rechtsstaatlichkeit. Gleichzeitig besitzt das Land eine herausragende Fähigkeit zur kontinuierlichen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Innovation bei gleichzeitig fest verankerter Wertebasierung. Die Vermeidung unnötiger Machtdistanz hilft in Zeiten grundlegender Tektonik zudem, im geregelten, gleichwohl vertrauensvollen Zusammenwirken von privater und öffentlicher Hand schneller und beweglicher zu agieren. Sehen Sie Gefahren in diesem Prozess?Ressourcenfehlallokationen sind wohl die größte Gefahr. Dabei können dies Über- wie auch Unterallokationen sein, sowohl in finanzieller als auch personeller Hinsicht. Parallel dazu ist eine nüchterne Beobachtung und Analyse des Wettbewerbs sowie der tatsächlichen Angebots- und Nachfragesituation essenziell. Für keine der vorgenannten Aspekte sind überzogene öffentliche und mediale Präsenz und Verlautbarungen eine geeignete Entscheidungsbasis. Vor welchen Herausforderungen stehen die Banken in puncto Sustainable Finance?Es gilt, an vielen Stellschrauben gleichzeitig zu drehen, und dies mutig, koordiniert und über einen langen Zeitraum. Die eine sogenannte “eierlegende Wollmilchsau” wird es dabei nicht geben. Gefragt ist die zielgerichtete ganzheitliche Steuerung und Umgestaltung wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Wechselwirkungsmechanismen. Ohne innere Überzeugung wird dies nicht funktionieren. Überzeugung ohne Sachkenntnis ist allerdings ebenfalls unzureichend. Welche Aktivitäten treibt die Deutsche Bank Luxembourg in Bereich Sustainable Banking voran?Das Vorgenannte gilt auch für die Deutsche Bank in Luxemburg. Wir sind parallel in jedem unserer strategischen Aktivitätsfelder mit Blick auf Sustainability marktgestaltend unterwegs und dies sowohl als Einzelinstitut, als Teil des Deutsche-Bank-Konzerns als auch gemeinsam mit dem luxemburgischen Bankenverband ABBL. Als Kompetenzzentrum des Konzerns im Bereich syndizierter Kredite waren und sind wir in verschiedenen Mandatsrollen bei den sich etablierenden Green Loans europäischer Unternehmen als Kreditgeber involviert. Gibt es andere Beispiele?Als führender Agent im Konsortialkreditgeschäft in der EMEA-Region werden wir von unseren Kunden über die klassische Rolle als Facility Agent hinaus zunehmend als Environmental & Social Agent angefragt. Es geht dabei um eine dediziert auf ESG-Belange ausgerichtete treuhänderische Rolle. Diese ist eine jüngere Entwicklung und Anforderung im Markt. Im Zusammenspiel mit anderen Bereichen des Deutsche-Bank-Konzerns waren und sind wir ferner für die in Luxemburg ansässigen staatlichen und supranationalen Emittenten im Bereich Green Bonds aktiv. Und auf der Assetmanagementseite?Im internationalen Wealth Management tragen unsere Produktauswahl und unsere Lösungsangebote den verschärften Kundenanforderungen im Hinblick auf ESG-Kriterien Rechnung. Unsere luxemburgische Assetmanagement-Gesellschaft – die DWS – entwickelt ihre Fondspalette kontinuierlich mit Blick auf ESG-Kriterien weiter. Im Bereich der alternativen Investments im Nachhaltigkeitsbereich sind Deutsche Bank beziehungsweise DWS als akkreditierte Institution des Green Climate Fund unter anderem im Rahmen des Universal Green Energy Access Program, welches als in Luxemburg ansässiger Fonds konzipiert ist, aktiv. In der ABBL hat das Corporate Finance, Capital Markets & Cash Management Industrie-Cluster die anfängliche Schirmherrschaft über die Sustainable und Impact Banking Initiativen der ABBL übernommen. Was sind aussichtsreiche Produktformen für das Sustainable Banking?In der Vielfalt liegt das Potenzial: Green Loans, Green Bonds & Promissory Notes – also Schuldscheindarlehen -, Environmental & Social Agency, ESG-orientierte Publikumsfonds, alternative nachhaltigkeitsorientierte Investmentfonds. Schon das heutige Spektrum der Aktivitäten unseres Hauses in Luxemburg zeigt, dass ein einzelnes Produkt allein dem Umfang der anstehenden Herausforderungen nicht gerecht würde. Fortlaufende Produktinnovationen, wie zum Beispiel grüne Pfandbriefe beziehungsweise Green Covered Bonds werden künftig ebenfalls zu beobachten bleiben. Daneben bedarf es allerdings auch einer hinreichenden Marktdurchdringung und Markttiefe einzelner Produkte und Lösungsangebote. Oftmals gilt hier derzeit, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Das Potenzial welcher Sustainable-Finance-Produkte wird gemeinhin überschätzt?Hier würde ich in der relativ frühen Phase des Marktes von einem Abgesang auf einzelne Produkte abraten. Interessanter erscheint vielmehr die Frage, welches inhärente Potenzial von Sustainable-Finance-Produkten gerne überschätzt wird: jenes einer Marktlenkungsfunktion. Das Verhalten der Nachfrageseite prägt die Angebotsseite langfristig wesentlich entschiedener als Produkte das Verhalten. Mindeststandards, zum Beispiel im Sinne eines gebotenen Erfüllungsgrads bei ESG-Kriterien, sind dabei eine notwendige, gleichwohl nicht hinreichende Produkteigenschaft. Unbeschadet dessen steht unsere Industrie bei der Schaffung eines kritischen initialen Moments in der Verantwortung. Dieses wird gleichwohl langfristig nur bestehen, wenn es auch von der Nachfrageseite getragen wird. “Practice what you preach” ist eine Devise, die in dieser Hinsicht sehr entscheidend ist. Was unternimmt die Deutsche Bank Luxembourg in dieser Hinsicht, um auch als Institution “sustainable” zu sein?Drei Dimensionen sind maßgeblich: unsere Geschäftsaktivitäten, unsere Betriebsorganisation und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Bei den Geschäftsaktivitäten haben wir uns seit meinem Amtsantritt vor dreieinhalb Jahren von ausgewählten Aktivitäten getrennt, die unserem Anspruch an Nachhaltigkeit nicht genügen. Exemplarisch genannt seien hier das vormalige Corporate Services und Domizilierungsgeschäft sowie unsere vormaligen Aktivitäten als Versicherungsintermediär. Wenngleich wir damit auch Erträge in zweistelliger Millionenhöhe aufgegeben haben, sind wir von der Nachhaltigkeit unserer Entscheidung überzeugt. Die Optimierung unserer Betriebsorganisation, zum Beispiel mit Blick auf unseren CO2-Fußabdruck, ist ein kontinuierlicher Prozess auf vielen Ebenen. Bereits seit einiger Zeit ist beispielsweise unser Fuhrpark vor Ort zu 100 % elektrisch. Und was tun Sie persönlich?Meine geschäftlichen Termine in Luxemburg – ob bei Kunden, Ministerien oder Botschaften – nehme ich seit jeher E-Mobil, mit der Tram oder zu Fuß wahr. Dies mag bei einigen Gastgebern zwar anfangs mitunter zu Irritationen geführt haben, ist aber inzwischen verstanden. Mit Blick auf unsere Belegschaft und deren fortlaufende Weiterbildung prüfen wir derzeit die Einführung von verbindlichen ESG-bezogenen Mindestqualifikationsniveaus für Führungskräfte sowie Kolleginnen und Kollegen mit Kundenkontakt. Werden Sie von Bewerbern bereits in Vorstellungsgesprächen mit Fragen konfrontiert, inwiefern Sie als Arbeitgeber für den Bewerber dazu beitragen, sich noch nachhaltiger auszurichten. Mit anderen Worten: Kommen Bewerber und fragen: Was kann die Bank für mich in Sachen Sustainability tun?Dies ist zwar noch nicht die Regel, kommt jedoch in Auswahlverfahren zunehmend zur Sprache. Was manchen Bewerber und manche Bewerberin sowie Außenstehende überrascht: Dies ist ein zweiseitiger Prozess. Auch wir als Arbeitgeber wollen und müssen verstehen, wo Bewerber inhaltlich und in ihren Überzeugungen stehen. Insofern geht die Frage in beide Richtungen: Was können wir als Bank für unsere Belegschaft tun, und was kann und will ein künftiger Mitarbeiter beziehungsweise eine künftige Mitarbeiterin zu unserer Sustainability-Agenda beitragen? Ausbildungsangebote rund um das Thema Green & Sustainable Finance sind immer noch Mangelware. Ist das Bereitstellen eines solchen Ausbildungsangebotes ein künftiges Asset eines Finanzplatzes?Absolut, und zwar sowohl bei der Erstausbildung wie auch der laufenden Fortbildung und Zertifizierung. Letztere sollte sinnvollerweise internationale Vergleichbarkeit ermöglichen und über ein Qualitätssiegel mit Autorität verfügen. Privatwirtschaftlich organisierte Bildungsangebote können hierbei einen wertvollen Beitrag leisten. Objektivierbare Qualitätssicherung steht jedem Finanzplatz jedoch gleichermaßen gut zu Gesicht. In dieser Frage sind die Interessen der öffentlichen und privaten Hand sehr vereinbar, den kommerziellen und politischen Willen der Beteiligten vorausgesetzt. Das Interview führte Kai Johannsen.