IM INTERVIEW: WOLFGANG PINNER, RAIFFEISEN CAPITAL MANAGEMENT

Impact Investing auf dem Vormarsch

Nachhaltigkeitsexperte: Green Bonds bereits eine Assetklasse - Bei VW erhebliche Veränderungen nötig

Impact Investing auf dem Vormarsch

Nachhaltiges Investieren kommt immer mehr in Mode. Derzeit bringen der immer weitere Kreis ziehende VW-Skandal und der bevorstehende Klimagipfel in Paris das Thema stark in den Vordergrund. Die Börsen-Zeitung hat Wolfgang Pinner, Leiter für nachhaltige Investments bei Raiffeisen Capital Management in Wien, zu Green Bonds und zur VW-Affäre befragt.- Herr Pinner, das Thema Nachhaltigkeit wird für Investoren und damit auch für Emittenten und Produkteanbieter immer wichtiger. Wie ist Ihr Haus in dem Thema aufgestellt?Wir haben fünf auf Nachhaltigkeit fokussierte Publikumsfonds, einen global anlegenden Aktienfonds, einen Fonds, der in kurz laufende Anleihen investiert, zwei Mischfonds sowie seit neuestem auch einen Green-Bond-Fonds. Daneben gibt es noch eine Reihe von Spezialmandaten.- Nach welchen Kriterien suchen Sie die Investments des Green-Bond-Fonds aus?Wir orientieren uns zum einen an den Green Bond Principles, zum anderen arbeiten wir mit einer auf Green Bonds spezialisierten Datenbank. Grundsätzlich sollte zu den Emissionen eine “Second Opinion” vorhanden sein. Zusätzlich verwenden wir die Liste der Ausschlusskriterien unseres hauseigenen Nachhaltigkeitsprozesses. So sind wir nicht im Bereich Atomenergie investiert, also etwa nicht in den Green Bonds der EdF.- Werden Green Bonds weiter an Bedeutung gewinnen, was macht sie interessant?Wir erleben derzeit eine dynamische Entwicklung mit vielen Emissionen. Green Bonds sind von zwei Seiten interessant. Zum einen rückt der Klimaschutz vor dem Klimagipfel in Paris wieder in den Vordergrund, und Green Bond bedienen dieses Thema. Nachhaltige Investoren wollen außerdem zunehmend auch etwas bewirken. Man nennt das Impact Investing. Dazu stehen den Investoren zwei Möglichkeiten zur Verfügung. Sie können in der Hauptversammlung auf das Unternehmen einwirken oder aufgrund ihrer Investments Einfluss ausüben. Green Bonds decken den zuletzt genannten Bereich ab.- Wie kann der Impact von Investments denn erfasst beziehungsweise erkannt werden?Impact-Messungen können beispielsweise auf Basis der CO2-Emissionen der im Fonds enthaltenen Unternehmen erfolgen. Das Impact Investing ist ein an Bedeutung gewinnender Trend.- Werden sich Green Bonds fest als eigene Assetklasse etablieren?Nach meiner Meinung sind sie schon eine Assetklasse, aber es sind zugegebenermaßen nicht alle Marktteilnehmer dieser Meinung. Im zurückliegenden Jahr erreichte das ausstehende Volumen einen Wert von 50 Mrd. Dollar. In diesem Jahr wird es sich in etwa verdoppeln.- Wie verfahren Sie bei Investments in Aktien?Bei der Auswahl nachhaltiger Aktien sind für uns zwei Komplexe relevant: Verantwortung und Zukunftsfähigkeit. Im Bereich der Verantwortlichkeit orientieren wir uns an ESG-Kriterien, das heißt, wir achten auf ökologisch, sozial und gesellschaftlich verantwortungsvolles Handeln. Bei der Zukunftsfähigkeit geht es um ESG-Risiken, also etwa um Reputationsrisiken. Wir nehmen monatlich eine Neubewertung vor und prüfen, ob es bei unseren Positionen Handlungsbedarf gibt oder nicht.- Wie sind Sie mit dem Messmanipulationsskandal von Volkswagen umgegangen?Nach dem Wochenende, an dem der Skandal bekannt wurde, haben wir den Fall überprüft. Am Donnerstag haben wir die VW-Aktie, in der wir nicht investiert waren, aus dem Universum der prinzipiell für uns investierbaren Titel eliminiert. Eine Schwierigkeit bei Vorfällen wie diesem ist, dass Unternehmen teilweise Probleme haben, die man erst später erkennen kann, zum Beispiel Korruption, Bilanzfälschung oder bei VW eben Messmanipulationen. In vielen Fällen ist das so, aber nicht bei allen.- Wie lange könnte der “Bann” für Volkswagen dauern?Es kommt bei solchen Vorfällen darauf an, ob es sich um einen begrenzten Einzelfall handelt oder ob im anderen Extrem das ganze Unternehmen einschließlich des Top-Managements betroffen ist. Wenn das ganze Unternehmen verwickelt ist, schließen wir ein Unternehmen für einige Zeit aus.- Und wie könnte Volkswagen da wieder rauskommen?Wir verfolgen, wie das Unternehmen mit dem Problem umgeht. Wichtige Aspekte sind dabei unter anderem personelle Neubesetzungen oder auch Strukturen, die neu aufgesetzt werden. Siemens bietet in dieser Hinsicht gutes Anschauungsmaterial. Das Unternehmen hat in Reaktion auf den heftigen Korruptionsskandal seine Compliance stark verändert. Siemens ist für uns wieder investierbar geworden, das sich der Konzern zudem vom Atomkraft- und vom Rüstungsgeschäft getrennt hat. Wir halten Siemens derzeit nicht, könnten aber wieder Siemens-Positionen eingehen.- Worauf achten Sie neben Nachhaltigkeit noch?Wir suchen die besten Unternehmen nach Nachhaltigkeit und Kurspotenzial. In der VW-Aktie waren wir vor Bekanntwerden des Skandals nicht investiert, weil sie weder nach Nachhaltigkeit noch nach Kurspotenzial zu den Top-Werten zählte. Wir hatten allerdings eine Anleiheposition, die wir dann verkauft haben.- Was muss Volkswagen konkret unternehmen, um wieder salonfähig zu werden?Wichtig ist eine penible Aufarbeitung des Skandals. Wie war das überhaupt möglich, welche Strukturen wirkten da im Hintergrund? Fragen nach der Governance sind zu beantworten. Wer darf was entscheiden? Wie funktioniert die Aufsicht? Da gibt es sicherlich Verbesserungspotenzial bei VW. Der Machtkampf zwischen Piëch und Winterkorn bzw. ihr Schlagabtausch ist meiner Einschätzung nach ein deutlicher Beleg dafür, dass es bei VW nicht optimal funktioniert hat. In dem Unternehmen muss es zu erheblichen Veränderungen kommen. Siemens hat ein neues Compliance-System eingeführt, darunter ein Whistleblower-System, durch das Mitarbeiter auf Missstände hinweisen können, ohne Repressalien befürchten zu müssen.—-Das Interview führte Christopher Kalbhenn.