Implenia versucht das Comeback
Von Daniel Zulauf, ZürichDer Schweizer Baukonzern Implenia galt lange Zeit als eine einzige Erfolgsgeschichte. Doch vor Jahresfrist geriet der Konzern unvermittelt in eine Negativspirale, die sich nur allzu deutlich auch im Aktienkurs spiegelt. Was war geschehen? Implenia war 2006 aus der Fusion der führenden Schweizer Baufirmen Zschokke und Batigroup entstanden. Die beiden Konzerne hatten mit dem Bau des weltweit längsten Tunnels durch den Gotthard viel internationales Ansehen erlangt und die Chance genutzt, die starke Abhängigkeit vom Heimatmarkt durch eine internationale Expansionsstrategie zu verringern.Im Zuge der Übernahmen von Infrastrukturspezialisten in Norwegen und Deutschland (Bilfinger Construction) in den Jahren 2011 und 2015 stieg der Umsatz zwischen 2010 und 2018 um mehr als 80 % auf 4,4 Mrd. sfr. Zu Beginn der Expansionsphase bewegte sich der Aktienkurs knapp unter 30 sfr. Im Sommer 2018 erreichte er ein Höchst von über 80 sfr. Ende der ErfolgssträhneDoch dann ging die Erfolgssträhne jäh zu Ende. Ein neues Management identifizierte einen Bedarf für hohe Wertberichtigungen auf Infrastrukturprojekte in Norwegen und Polen sowie auf einige Hochbauten in Südbaden. Ein massiver Ertragseinbruch war die Folge davon. Statt des erwarteten Betriebsgewinns von 130 Mill. sfr resultierte zum Jahresende ein Ebit von nur gerade 13 Mill. sfr. Das Reinergebnis blieb nur um Haaresbreite positiv. Der Aktienkurs stürzte ab und bewegt sich wieder unter dem Niveau von 30 sfr.Im April kam die Entwarnung: “Wir haben alle Altlasten bereinigt”, verkündete der seit Oktober amtierende Konzernchef André Wyss in einem Interview. Nach einem “Übergangsjahr” kehre der Konzern nun auf die Erfolgsstraße zurück, versprach der Manager.Die Investoren zweifeln weiter. Nicht so Ufuk Boydak. Er lässt nur noch die Zeit für seinen Loys-Value-Fonds arbeiten. Der deutsche Portfoliomanager glaubt fest an das Potenzial der Implenia-Aktien. Mit einem Anteil von leicht über 3 % gehört der Fonds seit einigen Monaten zu den fünf größten Aktionären des Schweizer Baukonzerns.”Die Firma hat einen gewaltigen Vertrauensverlust erlitten”, sagt er. Doch die neue Führung habe den “Scherbenhaufen” inzwischen gründlich aufgewischt und die Basis für einen erfolgreichen Neuanfang gelegt, sagt er. Boydak meint die angesprochene Wertberichtigung von 90 Mill. sfr. Die scharfe Reaktion der Börse war allerdings mehr als bloße Hysterie. Immerhin veranlasste der Gewinneinbruch das Unternehmen, die Dividende zu vierteln. Doch das sei Geschichte, sagt Boydak. Die fundamentalen Stärken von Implenia seien durch diesen Vorgang nicht verloren gegangen, meint er. Sie könnten im Gegenteil erst jetzt wieder richtig zur Geltung kommen.Der Fondsmanager verweist auf die Nettofinanzposition von 397 Mill. sfr, die Implenia als solide finanziertes Unternehmen ausweist. Hinzu kämen die zur Veräußerung bestimmten Landreserven, die mit einem Betrag von 185 Mill. sfr im Umlaufvermögen stehen und nach Boydaks Schätzung einen noch deutlich höheren Verkehrswert aufweisen dürften. Alles in allem betrage der Nettovermögenswert der Gruppe somit gegen 600 Mill. sfr, was deutlich über dem aktuellen Börsenwert des Konzerns von etwas mehr als 500 Mill. sfr läge.Boydaks Überlegung ist bestechend einfach: Die Börse zahlt für Implenia derzeit gerade mal den Liquidationswert. Das Baugeschäft, das in den vergangenen Jahren regelmäßig gute Erträge und vor allem einen hohen robusten Cash-flow generierte, erhält der Anleger quasi gratis dazu. Der Investor ist überzeugt davon, dass der Aktienkurs auf dieser Grundlage noch ein beträchtliches Steigerungspotenzial aufweist. “Die Aktie sollte auf 40 sfr bis 50 sfr steigen”, sagt er.Aber genau davor scheinen sich viele Investoren auch nach dem Großreinemachen immer noch zu fürchten. Und die Angst ist nicht irrational. Immerhin beläuft sich der Auftragsbestand des Konzerns auf stolze 6,2 Mrd. sfr. Das zugrundeliegende Ausführungsrisiko trägt Implenia. Wie die Jahresrechnung 2018 deutlich gezeigt hat, wirken sich Wertkorrekturen auf den Auftragsbestand stark überproportional auf das Ergebnis aus. Der Grund dafür sind die im Baugeschäft kleinen Gewinnmargen. Doch eigentlich wissen Bauunternehmen mit dieser Hebelkraft umzugehen. Die spitze Kalkulation ist Teil des Geschäfts. Während es viele Implenia-Aktionäre ob dem im vergangenen Jahr eingetretenen Rückgang der Eigenkapitalquote von 22,6 % auf nur mehr 20,5 % mit der Angst vor einer Kapitalerhöhung zu tun bekamen, wirtschaftet der österreichische Konkurrent Porr ganz unaufgeregt mit einer Quote von lediglich 19,9 %. Das sei die Untergrenze, räumte Porr-Chef Strauss unlängst ein. Doch schon bei 25 % sieht er die Obergrenze: “Mehr muss man nicht haben.”Große Sicherheitsmargen seien im Baugeschäft nicht nur bilanziell untragbar, sie seien vielmehr auch betriebswirtschaftlich wenig hilfreich, sagt ein Branchenfachmann Im überaus wettbewerbsintensiven Baugeschäft gehe es darum, um jeden Franken zu kämpfen. Nur so könne man auf dem schmalen Grat zwischen erfolgreicher Auftragsakquise und einer ausreichenden Rendite ans Ziel gelangen. Eine knappe Kalkulation sei der strengen Kostendisziplin im Haus nur förderlich und sie sei auch ein wirksamer Schutz vor überzogenen Begehrlichkeiten der Bauherrschaft, meint er. Der Industriekenner äußert Zweifel daran, dass die branchenfremde Implenia-Leitung unter dem früheren Banker und Verwaltungsratspräsidenten Ulrich Meister und CEO und Ex-Novartis-Manager André Wyss diesen Zusammenhang verstanden haben.Ob dieses Argument im Fall von Implenia gerechtfertigt ist, wird sich erst in ein bis zwei Jahren zeigen. Vordringlich bleibt indessen, dass das Unternehmen das laufende Jahr ohne weitere Zwischenfälle übersteht. Die Vermutung, dass es auch diesbezüglich einige Risiken gibt, ist nur naheliegend.