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In der Eurozone erlahmt 2015 der Ratingtrend

Von Daniel Lenz *) Börsen-Zeitung, 22.1.2015 Die europäische Staatsschuldenkrise und ihre Folgen sind noch lange nicht überwunden. Die Bonität der meisten Staaten der Eurozone hat sich 2014 durchschnittlich aber weiter verbessert. Insgesamt vier...

In der Eurozone erlahmt 2015 der Ratingtrend

Von Daniel Lenz *)Die europäische Staatsschuldenkrise und ihre Folgen sind noch lange nicht überwunden. Die Bonität der meisten Staaten der Eurozone hat sich 2014 durchschnittlich aber weiter verbessert. Insgesamt vier der elf größten EWU-Staaten wurden durch mindestens eine der drei großen Ratingagenturen heraufgestuft. Irlands Note wurde sogar durch alle drei großen Agenturen um bis zu drei Stufen hochgenommen. Frankreich, Italien und Finnland mussten hingegen Herabstufungen hinnehmen. Einer der bedeutenden Ratingtrends innerhalb der Eurozone im Jahr 2014 war somit die sich fortsetzende Konvergenz der Ratings zwischen Peripherie- und Kernstaaten. Allerdings gab es deutliche Unterschiede im Vorgehen zwischen den Ratingagenturen. Moody’s hat als einzige der Agenturen kein Land der Währungsgemeinschaft im vergangenen Jahr herabgestuft und die größte Anzahl an Anhebungen der Bonitätsnote vorgenommen.Für 2015 ist mit einer deutlich geringeren Ratingaktivität zu rechnen. Dies dürfte vor allem darauf zurückzuführen sein, dass der Umfang der von vielen Staaten im Zuge der Krise ergriffenen Reformmaßnahmen stark nachgelassen hat. Der Weg zurück zu den Vorkrisenratings dürfte in vielen Fällen ein langer sein. Bei einigen Kernstaaten ist zudem ein Reformstau feststellbar, der sich vielfach nur langsam löst. Weitere Ratingherabstufungen sind hier möglich. Aufholpotenzial erschöpftEin zusätzlicher Indikator dafür, dass weniger und allenfalls moderate Ratinganpassungen für 2015 zu erwarten sind, ist die hohe Anzahl an stabilen Ratingausblicken. Das zeigt, dass sich vor allem das Aufholpotenzial der Peripheriestaaten bei der Bonitätsbewertung in einem gewissen Maße erschöpft hat.Eine lange Anlaufphase in Sachen Ratings wird sowohl den Staaten als auch den Anlegern nicht gewährt. Im Januar und Februar stehen zusammen bereits 19 Entscheidungen durch die Ratingagenturen an. Weitere “Spitzen” bei den Ratingterminen sieht der Kalender für Juni und September vor.Vor allem Moody’s Votum zu Frankreich wird mit Spannung erwartet. Moody’s ist die einzige Agentur, die dem Land noch die zweitbeste Note gibt. Allerdings ist der Ratingausblick seit mehr als zwei Jahren negativ, so dass Moody’s Zeitperiode ohne Verkündung einer Herabstufung eines EWU-Landes zu Ende gehen könnte. Frankreichs Probleme sind offensichtlich. Der Staatshaushalt ist chronisch defizitär. Die Maastricht-Neuverschuldungsgrenze kann auf absehbare Zeit nicht erreicht werden. Überdies fehlt es an weitreichenden Strukturreformen, um die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zu stärken und ein Rezept gegen die steigende Arbeitslosigkeit zu entwickeln. Die sinkenden Staatsanleiherenditen hemmen die Bereitschaft der Regierung, einschneidende Maßnahmen zu verkünden. Bei einer Ratingherabstufung wird es 2015 unter Umständen nicht bleiben. S & P hat im vergangenen Oktober ebenfalls den Ausblick auf “Negativ” gesenkt und könnte die erste Agentur sein, die Frankreich auf “AA-” herabstuft.Während Frankreichs Bonität auf immer noch hohem Niveau abnimmt, droht Griechenlands positiver Ratingtrend auf deutlich niedrigerem Niveau bereits zum Ende zu kommen. Griechenland hat zwar große Anstrengungen in Bezug auf die fiskalische Konsolidierung unternommen und kann auf einen Primärüberschuss verweisen, die hohe politische Unsicherheit belastet Hellas Kreditwürdigkeit aber schwer. Neben der Unsicherheit, wer Griechenland zukünftig führt, kommt noch das Problem hinzu, dass inzwischen alle bedeutenden politischen Kräfte den mit der Troika vereinbarten Sparkurs aufweichen wollen. Damit beugt sich die politische Elite womöglich dem Wunsch der übergroßen Mehrheit des Volkes. Selbst wenn es Griechenland gelingt, die Zahlungsfähigkeit und den Grexit abzuwenden, haben sich die Aussichten für die mittelfristige Bonitätsentwicklung wieder verschlechtert. Die Möglichkeit von Ratingherabstufungen, auch außerhalb des veröffentlichen Ratingterminkalenders, muss in Betracht gezogen werden. Zunehmende RisikenZunehmende Bonitätsrisiken sind auch in Italien zu verzeichnen. Das Land ist trotz des jeweils stabilen Ausblicks unter besonderer Beobachtung der Ratingagenturen. Die meisten der versprochenen Reformvorhaben befinden sich noch im parlamentarischen Prozess und müssen erst noch auf den Weg gebracht werden (Senats- und Wahlrechtsreform). Die bereits erzielten Erfolge wie die Arbeitsmarktregulierung oder die Entlastung von Unternehmen sind, gemessen an der Größe der Probleme, noch zu gering, um von einer Wende zum Besseren sprechen zu können. Da die Marktanteile der italienischen Industrie weiter zurückgehen und das BIP-Wachstumspotenzial gering ist, könnte sich vor allem Fitch, die Italien mit “BBB+” bewertet, dazu veranlasst sehen, den Ausblick zu senken. Sollten die wichtigsten angestrebten Reformvorhaben doch noch scheitern, werden die Ratingagenturen voraussichtlich auch ohne Vorankündigung die Note um mindestens eine Stufe zurücknehmen.Die besten Aussichten auf eine Ratinganhebung könnten Irland und Spanien haben. Irland war im Zuge der Finanzkrise tief gefallen, hat sich aber mit nahezu gleichem Tempo erholt. Auch für 2015 stehen die Vorzeichen gut. Das Wachstum dürfte erneut hoch sein, während das Budgetdefizit erstmals seit Krisenbeginn unter die 3-Prozent-Maastrichtgrenze fällt. Da Moody’s trotz der drei Ratingheraufstufungen in 2014 nach wie vor als einzige Agentur nur eine “Baa 1”-Note ausweist, sollte eine Anhebung um eine Stufe auf “A 3” möglich sein, während S & P und Fitch voraussichtlich keine Änderungen in diesem Jahr vornehmen werden.Spaniens Erholung ist bei weitem nicht so eindrucksvoll wie jene Irlands. Dennoch zeigt auch Spaniens Ratingtrend nach oben. Im Vergleich zu Italien stechen vor allem das höhere Wachstum sowie die niedrigere Gesamtverschuldung hervor, während der Budgetsaldo zumindest auf hohem Niveau zurückgefahren wird. Auch ist das Problem der hohen Arbeitslosigkeit evident. Moody’s weist seit Februar das Rating “Baa 2” (positiv) für Spanien aus. Eine Heraufstufung um eine Stufe in diesem Jahr ist nicht ausgeschlossen. Risikofaktoren stellen allerdings die Parlamentswahl im Herbst und die guten Umfragewerte der Protestpartei Podemos dar. Hat Podemos, die sich gegen die Sparpolitik der Regierung wendet, Chancen, die Regierungsbildung nach der Wahl zu beeinflussen, oder rücken die etablierten Parteien wegen der neuen Konkurrenz selbst von ihrer bisherigen Linie ab, könnte dies ein Grund dafür sein, weshalb sich Spaniens Bonitätsnote bis auf weiteres doch nicht weiter verbessert.Beziehen wir die Ratingaussichten für die Einzelländer auf die gesamte Eurozone, bedeutet dies somit, dass den Risiken weiterer Herabstufungen allenfalls einzelne Heraufstufungen gegenüberstehen und der bis dato positive Ratingtrend in diesem Jahr voraussichtlich erlahmen wird.—-*) Daniel Lenz ist Marktstratege für EWU-Staatsanleihen bei der DZ Bank.