IM BLICKFELD

In Sachen Öl dealen Russen und Amerikaner prächtig

Von Eduard Steiner, Moskau Börsen-Zeitung, 19.2.2020 Wer wissen will, wie es um das Verhältnis zwischen den USA und Russland steht, muss sich nur die Praxis der US-Visumvergabe in Moskau ansehen. Nachdem beide Länder von 2017 an gegenseitig einige...

In Sachen Öl dealen Russen und Amerikaner prächtig

Von Eduard Steiner, MoskauWer wissen will, wie es um das Verhältnis zwischen den USA und Russland steht, muss sich nur die Praxis der US-Visumvergabe in Moskau ansehen. Nachdem beide Länder von 2017 an gegenseitig einige Konsulate geschlossen oder das Personal reduziert hatten, können Russen heute zwar ein Visum für die USA beantragen. Allerdings kann sich die Bearbeitung des Antrags durchaus ein Jahr oder länger hinziehen – ohne Garantie auf ein erfolgreiches Ergebnis. Die hohen Gebühren sind trotzdem zu entrichten. Inzwischen behelfen sich die Russen anders, organisieren sich einen zweiten Reisepass und beantragen ein amerikanisches Visum eben an irgendeinem US-Konsulat in Europa.Visum hin oder her: Auch an anderen Schauplätzen zeigt sich, dass das Verhältnis im Eimer und der geopolitische Wettbewerb voll im Gang ist. In Syrien etwa. In der Ukraine ohnehin, wo sich Russland mit seinem Vorgehen US-amerikanische – und andere – Sanktionen eingehandelt hat. Und weil der Wettbewerb auch auf wirtschaftlicher Ebene stattfindet, versuchen die USA die Russen nicht nur im globalen Waffenhandel zu beschneiden, sondern mit Sanktionen auch die Gaspipeline Nord Stream 2 zu verhindern, um auf diese Weise selbst zu mehr Marktanteilen für amerikanisches Flüssiggas in Europa zu kommen.Vor diesem Hintergrund nimmt sich umso frappierender aus, dass die beiden Staaten auf einer anderen Ebene einen bilateralen Handel entwickelt haben, dessen Dynamik vielsagend ist. So hat Russland den Export von Erdöl und Erdölprodukten in die USA in den vergangenen beiden Jahren – vor allem 2019 – nicht nur substanziell gesteigert. Wie die Daten der Energy Information Administration (EIA) des US-Energieministeriums für die ersten elf Monate 2019 zeigen, ist Russland im Oktober sogar zum zweitgrößten Lieferanten hinter Kanada geworden und hat Mexiko überholt. Waren die Lieferungen russischer Unternehmen ab April von zuvor etwa 10 Mill. Barrel pro Monat auf 15 bis 17 Mill. hochgeschnellt, so waren es im Oktober 20,9 Mill. (siehe Grafik). Im November ging das Volumen nur leicht auf 19,2 Mill. zurück. Im Vergleich zu den kanadischen Volumina von über 130 Mill. Barrel ist dies alles zwar gering, aber die Dynamik ist dafür umso bemerkenswerter.Russland hatte auch früher schon Öl und vor allem Ölprodukte in die USA geliefert. Mit der steigenden Eigenproduktion in den USA aber und vor allem angesichts der geopolitischen Zuspitzung nach der Krim-Annexion durch Russland 2014 war der bilaterale Handel gestört. Das jetzige November-Niveau nun aber hatte man zuletzt vor acht Jahren gesehen, wie das russische Wirtschaftsmedium RBK betont. Dies verdankt sich natürlich den Ölprodukten, bei denen Russland schon früher zweitgrößter Lieferant in die USA war. Aber das Novembervolumen von 17 Mill. Barrel Ölprodukten bedeutet einen historischen Rekord und mehr als eine Verzweieinhalbfachung gegenüber dem Jahresanfang. Aus der Not geborenWoran aber liegt der stillschweigende Handel auf diesem Sektor? Allen voran an Umständen, die ein Licht darauf werfen, wie Sanktionen internationale Warenströme verändern und einem Gegner auch unbeabsichtigt Vorteile verschaffen können, während sie einem noch größeren Gegner schaden sollen.Wie das russische Wirtschaftsministerium analysierte, hat Russland den Ölexport in die USA 2019 deshalb gesteigert, weil die USA Sanktionen gegen Venezuela und den Iran erlassen haben. In den Jahren davor nämlich hatten die USA monatlich 15 bis 20 Mill. Barrel an Öl und 2 Mill. Barrel an Ölprodukten aus Venezuela importiert – und zwar vor allem Schweröl. Im Sommer 2019 wurde dieser Import durch die Sanktionen von US-Präsident Donald Trump aber gänzlich gestoppt. Und die US-Raffinerien wandten sich in ihrer Not an Russland.Die Sanktionen gegen den Iran und Venezuela seien ein “Geschenk von Trump”, titelte daher die russische Nachrichtenagentur Ria Novosti kürzlich. In der Tat: Denn der Export der russischen Ölindustrie stieg nicht nur Richtung USA, sondern auch nach Europa.Laut russischem Zollamt habe Russland den gesamten Ölexport in den ersten elf Monaten 2019 um 3,8 % gesteigert. Gerade der Mangel an schwerem schwefelhaltigen Öl sei brisant geworden, so Ria Novosti. Das hatte im Übrigen auch damit zu tun, dass die vom Ölkartell Opec+ vereinbarten Produktionskürzungen, mit denen es den Ölpreis stützen will, von manchen Kartellmitgliedern so umgesetzt wurden, dass sie weniger vom billigeren Schweröl und mehr vom teureren Leichtöl exportierten.Neben Europa habe sich dann laut Ria Novosti auch die Türkei um russisches Schweröl bemüht. In der Türkei nämlich habe sich vor allem die neue Großraffinerie STAR stark auf die Verarbeitung schweren iranischen Erdöls spezialisiert.Aufgrund der vorjährigen Sanktionen gegen den Iran dann habe die aserbaidschanische Ölgesellschaft Socar die Russen bereits im Juli darum gebeten, bei der Versorgung der Türkei mit dem benötigten Öl zu helfen. Am Ende habe sich der russische Ölexport in die Türkei in den ersten elf Monaten 2019 wohlgemerkt verviereinhalbfacht – auf 3,41 Mrd. Dollar.In den Vereinigten Staaten haben die Russen im selben Zeitraum übrigens 5,76 Mrd. Dollar mit ihren Exporten von Öl und Ölprodukten verdient. Das sind 70 % mehr als noch vor zwei Jahren.