LEITARTIKEL

In schwerer See

Den November 2016 werden die Schwellenländerinvestoren in ebenso unangenehmer Erinnerung bewahren wie den Mai 2013. Wie vor dreieinhalb Jahren, nach der Ankündigung des Fed Chairman Ben Bernanke, dass die US-Zentralbank ihre Anleihekäufe reduzieren...

In schwerer See

Den November 2016 werden die Schwellenländerinvestoren in ebenso unangenehmer Erinnerung bewahren wie den Mai 2013. Wie vor dreieinhalb Jahren, nach der Ankündigung des Fed Chairman Ben Bernanke, dass die US-Zentralbank ihre Anleihekäufe reduzieren wird, hat der Wahlsieg von Donald Trump die Emerging Markets unter Druck gesetzt. Wieder bekommen sie zu spüren, wie stark sie trotz ihrer großen wirtschaftlichen Fortschritte immer noch von Kapitalzuflüssen aus den Industrienationen abhängig sind. Diese Zuflüsse sind nun – in Erwartung einer weiteren Dollar-Aufwertung – erneut versiegt. Hinzu kommt die Furcht, dass Trump einen Handelskrieg anzetteln könnte. Beschränkungen des Welthandels wären für die stark außenhandelsabhängigen Schwellenländer ebenfalls ein Problem.Wie stark Trump wirkt, zeigt die Performance des Schwellenländerindex MSCI Emerging Markets. Bis zur US-Wahl hat er 13,6 % zugelegt und damit den MSCI World (1,7 %) klar geschlagen. Seit der Wahl aber ist der Index um 3,3 % gesunken, während der MSCI World 4,3 % zugelegt hat. Es wäre dennoch eine verkürzte Sichtweise, wenn die Underperformance und geschmälerten Aussichten nur mit Trump begründet würden. Das Kernproblem der Schwellenländer, steigende US-Zinsen, ein festerer Dollar und ein Versiegen der Kapitalzuflüsse, war schon vor der Wahl angelegt. Durch die robuste Konjunktur und die zunehmende Anspannung des US-Arbeitsmarktes war schon vor dem 9. November relativ klar, dass die Fed im Dezember ihre seit langem überfällige Leitzinserhöhung beschließen würde. Trumps Wahlsieg bzw. seine wirtschaftspolitischen Ankündigungen haben lediglich bereits bestehende Erwartungen an den Dollar sowie die amerikanischen Zinsen und Anleiherenditen zusätzlich befeuert.Es ist nun zu befürchten, dass die Emerging Markets in den kommenden Wochen und Monaten unter Druck bleiben werden. Zumindest wird wohl einige Zeit ins Land gehen, bis sie wieder an ihre Outperformance-Phase anknüpfen können, die sie über weite Strecken dieses Jahres gezeigt haben. Zur Schwarzmalerei besteht aber kein Anlass; eine miserable Entwicklung wie in der Zeit vom Mai 2013 bis in den Anfang dieses Jahres hinein scheint derzeit eher unwahrscheinlich. So unterscheidet sich die aktuelle Ausgangslage doch sehr deutlich von den damaligen Gegebenheiten. Der Dollar befindet sich bereits in einer fortgeschrittenen Phase einer seit dem Jahr 2008 begonnenen Aufwärtsbewegung. Im Frühjahr 2013 bei rund 80 Punkten, hat der Dollar-Index gestern bei rund 103 Zählern den höchsten Stand seit 14 Jahren erreicht. Auch wenn das Umfeld derzeit auf einen weiteren Anstieg der US-Währung hindeutet, ist ihr Potenzial ein gutes Stück weit ausgereizt, die Bewertung etwa nach Kaufkraftparität bereits recht hoch.Das Gegenteil gilt für die Emerging Markets. Ihre Währungen haben seit dem Mai 2013 zum Teil sehr kräftig abgewertet. Damit haben sie nicht nur günstige Niveaus erreicht. Die Schwellenländer verfügen dadurch über eine erhöhte Wettbewerbsfähigkeit. Dabei muss natürlich von Land zu Land differenziert werden. Länder mit hoher Fremdwährungsverschuldung haben mit der Dollar-Stärke größere Probleme als Länder mit niedrigen Verbindlichkeiten in der US-Währung. Die Aktienmärkte der Emerging Markets, deren Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGV) im Boom auf Industrieländerniveau gestiegen sind, weisen nun eine um 4 KGV-Punkte niedrigere Bewertung auf.Überdies würden positive Konjunkturimpulse der Trump-Politik letztlich auch den Schwellenländern helfen. So würde eine Verstärkung der Rohstoffpreiserholung die Rohstoffexporteure zusätzlich stützen. Es muss auch angenommen werden, dass Trump in Sachen Protektionismus und Produktionsrepatriierung zumindest teilweise zurückrudern wird. Nur ein Beispiel: Importe aus Mexiko zu verteuern, wäre gerade für die US-Wirtschaft problematisch. Mexiko als Produktionsstandort für amerikanische Unternehmen kann in etwa mit der Rolle Ostmitteleuropas für die deutsche Industrie verglichen werden. Ohnehin hat Trump durch den Einbruch des Peso den Standort Mexiko unfreiwillig erheblich attraktiver gemacht. Zunächst werden aber weder Hoffnungen auf eine relativ maßvolle Politik Trumps noch günstige Bewertungen helfen. Solange der Dollar stark bleibt und die Unsicherheit über mögliche Handelsbeschränkungen fortbesteht, werden sich die Emerging Markets in schwerer See befinden.——–Von Christopher KalbhennWieder bekommen die Emerging Markets zu spüren, wie stark sie trotz ihrer großen wirtschaftlichen Fortschritte von Kapitalzuflüssen aus den Industrienationen abhängig sind.——-