LEITARTIKEL

Indexreform 2.0

Noch 20 Tage muss die interessierte Öffentlichkeit auf die Ergebnisse der morgen endenden Marktkonsultation der Deutschen Börse warten. Auch wenn möglicherweise nicht alle zur Diskussion gestellten Vorschläge zur Veränderung der Regeln für die...

Indexreform 2.0

Noch 20 Tage muss die interessierte Öffentlichkeit auf die Ergebnisse der morgen endenden Marktkonsultation der Deutschen Börse warten. Auch wenn möglicherweise nicht alle zur Diskussion gestellten Vorschläge zur Veränderung der Regeln für die Dax-Indizes umgesetzt werden, steht eines bereits fest: Die Auswahlindizes des Marktbetreibers erleben ihre zweite große Reform innerhalb von nur zwei Jahren. 2018 wurde die Trennung zwischen dem TecDax und den übrigen Indizes aufgehoben, die in ihm enthaltenen Titel in die vergrößerten Nebenwertebarometer MDax und SDax integriert. Außerdem wurde der TecDax für Dax-Aktien geöffnet. Mit jener Reform der Auswahlindexstruktur vollzog die Deutsche Börse eine Annäherung an internationale Standards. Sie ist auch – neben höheren Qualitätsanforderungen an die Indexunternehmen sowie erhöhter Transparenz und Berechenbarkeit – eines der wichtigsten Ziele ihrer Indexreform 2.0. Man kann allerdings die Frage stellen, ob unbedingt erst ein Ereignis wie der ungeheuerliche Wirecard-Skandal geschehen musste, um die notwendigen Aufräumarbeiten in der Indexwelt der Deutschen Börse anzustoßen.Unabhängig davon wird die Reform zu erheblichen Verbesserungen führen. Unternehmen, die sich wie Wirecard und Steinhoff des Bilanzbetrugs schuldig gemacht haben, werden künftig umgehend aus den Indizes entfernt, sei es durch Insolvenz oder aufgrund zu später Vorlage von Quartalsberichten und testierten Jahresabschlüssen. Außerdem wird ein Prüfungsausschuss im Aufsichtsrat Pflicht. Ferner bedeutet die Streichung des Börsenumsatzes als Kriterium für die Indexzugehörigkeit nicht nur eine Angleichung an internationale Standards. Die Veränderung macht die Entscheidungen über die Indexzusammensetzungen nachvollziehbarer und prognostizierbarer. Zudem werden künftig solide Unternehmen hoher Qualität, deren Börsenkapitalisierung für einen Aufstieg etwa in den Dax allein reichen würde, nicht mehr zugunsten von Firmen benachteiligt, deren Aktien gerade in Mode sind und deswegen extrem hohe Handelsumsätze aufweisen, die per se nichts über ihre Qualität aussagen.Ein valides Qualitätskriterium ist dagegen die von der Deutschen Börse vorgeschlagene Profitabilitätsvoraussetzung für die erstmalige Indexaufnahme. Allerdings ist eben unter Qualitätsgesichtspunkten die Frage aufzuwerfen, ob zwei Jahresabschlüsse hintereinander mit positivem Ebitda (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) die richtige Wahl sind oder besser eine anspruchsvollere Größe wie der Vorsteuergewinn angesetzt werden sollte, wie dies der Corporate-Governance-Experte Christian Strenger anregt. Zu hinterfragen ist auch das vorgeschlagene ESG-Ausschlusskriterium kontroverse Waffen. Niemand sympathisiert mit umstrittenen Waffen. Aber es wirkt doch ein wenig willkürlich, dass dieses Ausschlusskriterium angesetzt werden soll, andere wie Tabak und Atomenergie jedoch nicht. Die Deutsche Börse hat betont, dass der Dax kein ESG-Index werden soll. Konsequent wäre es, auf das Kriterium zu verzichten. ESG-orientierten Investoren steht eine Vielzahl geeigneter Indizes zur Verfügung, darunter nicht zuletzt der Dax 50 ESG.Von ablehnend bis begeistert reichen die Reaktionen der Marktteilnehmer auf die zur Diskussion gestellte Erweiterung des Dax auf 40 bei gleichzeitiger Reduktion des MDax auf 50 Aktien. Mehr Blue-Chip-Indexplätze sind aus Sicht der Emittenten attraktiv, hinzu kommt eine etwas verstärkte Diversifizierung im Dax. Andererseits sind die Veränderungen in der Sektorkomposition sowie auch im Ertrag und der Volatilität des Dax auch nicht so deutlich, dass diese einschneidende Veränderung unbedingt sein müsste. Nicht zuletzt würde zudem der MDax entwertet.Allen Vorbehalten, die man durchaus haben kann, zum Trotz bedeutet die Indexreform eine deutliche Verbesserung. Es werden aber noch Baustellen bleiben. So fehlt für die Angleichung an internationale Standards ein wichtiges Element. Anders als international üblich ist der Dax kein Kurs-, sondern ein Performance-Index. Das erschwert seine Vergleichbarkeit mit Euro Stoxx 50, S&P 500 und Co. Es gibt zwar auch den Dax-Kursindex. Doch dieser fristet, was die Aufmerksamkeit des Publikums betrifft, ein Schattendasein. Und es ist beileibe nicht nur eine Frage der Aufmerksamkeit seitens Marktteilnehmern und Medien. Finanzprodukte wie ETFs und auch die Terminkontrakte der Eurex beziehen sich auf die Performance-Variante des deutschen Standardwerteindex.——Von Christopher KalbhennFür die Angleichung an internationale Standards fehlt ein wichtiges Element. Anders als international üblich ist der Dax kein Kurs-, sondern ein Performance-Index. ——