InterviewAshish Chugh, Loomis, Sayles & Company

"Indien ist bereits eine sehr große Wirtschaftsmacht"

Schwellenländerexperte Ashish Chugh spricht im Interview der Börsen-Zeitung darüber, warum sich für Indien gerade viele Dinge zum Besseren wenden und warum er von Investments in China abrät.

"Indien ist bereits eine sehr große Wirtschaftsmacht"

Im Interview: Ashish Chugh

"Indien ist bereits eine sehr große Wirtschaftsmacht"

Schwellenländerexperte sieht glänzende Aussichten für Indien – China bleibt ein schwieriges Pflaster für Investoren – Brasilien unter Lula überrascht

Ashish Chugh, Schwellenländerexperte bei Loomis, Sayles & Company, spricht im Interview der Börsen-Zeitung darüber, warum sich für Indien gerade viele Dinge zum Besseren wenden, warum er von Investments in China abrät und womit ihn Brasiliens Präsident Lula überrascht hat.

Herr Chugh, halten Sie es bei Emerging Markets für sinnvoll, auf bestimmte Regionen oder Länder zu setzen, oder sollte man die Risiken besser breit streuen?

Schwellenländer sind ein sehr breites Feld; der Benchmark-Index von MSCI umfasst 24 Länder. In allen kann man gute Unternehmen und großartige Anlagemöglichkeiten finden. Allerdings gibt es sicherlich einige Länder, die aus politischen und makroökonomischen Gründen viel, viel riskanter sind als andere. Wir steuern das Länderrisiko, indem wir unser Engagement dort auf maximal 10% begrenzen. So zum Beispiel mit Russland vor der Invasion der Ukraine. In anderen Ländern wie Indien, Brasilien oder Indonesien, in denen die makroökonomische Lage sehr gut ist, die politisch sehr stark sind und die strukturell sehr gute langfristige Chancen bieten, engagieren wir uns stärker. Man muss also von Land zu Land schauen.

Sie beschränken sich bei Ihrem Fonds auf sehr wenige Titel. Nach welchen Kriterien wählen Sie diese aus?

Wir haben zwischen 35 und 45 Positionen und damit ein sehr konzentriertes Portfolio. Wir fokussieren uns auf Unternehmen, die wir für qualitativ hochwertig halten oder die auf dem Weg sind, qualitativ hochwertig zu werden. Unser wichtigstes Qualitätskriterium ist dabei die Frage: Welchen bedeutenden Wettbewerbsvorteil hat das Unternehmen, der es ihm ermöglicht, eine signifikante Rendite auf das investierte Kapital zu erzielen, die deutlich über den Kapitalkosten und über den Renditen der Wettbewerber liegt? Und ist diese Rendite auf das investierte Kapital auf lange Sicht nachhaltig?

Worauf achten Sie noch?

Wir schauen uns die Erfolgsbilanz des Managementteams an, wie sie über verschiedene Konjunkturzyklen hinweg Renditen erzielt haben. Wir schauen auch auf die Corporate Governance des Unternehmens. Wie haben sie Minderheitsaktionäre behandelt? Wurde überschüssiges Kapital genutzt, um eine zusätzliche Rendite zu erzielen? Wurde es an die Aktionäre zurückgegeben? Denn oft investieren Unternehmen nur, um ihr Imperium auszubauen, ohne sich wirklich darauf zu konzentrieren, wie dieses Kapital am besten eingesetzt wird. Und dann untersuchen wir auch noch die Qualität der Erträge, also wie nachhaltig sie sind und woher die Erträge kommen. Stammen sie aus dem Kerngeschäft selbst oder aus verwandten Geschäftsbereichen? Außerdem betrachten wir sehr objektive Kriterien wie die Kapitalstruktur und die Art und Weise, wie sie „atmet“. Qualitativ hochwertige Unternehmen kommen auch in schlechten Kreditzyklen gut zurecht.

Sie erwähnten die bestmögliche Nutzung des Kapitals. Sind Sie für Aktienrückkäufe oder sind Sie generell gegen sie?

Kommt darauf an, ob mit dem überschüssigen Kapital weiter eine signifikante Rendite erwirtschaftet werden kann. Wenn das nicht der Fall ist, sollte ein Unternehmen die überschüssige Liquidität durch Aktienrückkäufe und Dividenden zurückgeben und die Aktionäre entscheiden lassen, wo sie dieses Kapital anderweitig investieren wollen. Bei Unternehmen in Schwellenländern ist das Wachstum der Unternehmen aber in der Regel sehr hoch und gute Managementteams sind in der Lage, dieses Kapital für attraktive Investitionsmöglichkeiten einzusetzen. Daher sind Aktienrückkäufe bei Schwellenländern nicht sehr häufig. Was man allerdings häufiger sieht, ist, dass überschüssiges Kapital in Bereiche investiert wird, in denen es keine gute Rendite erzielt. Das passiert zum Beispiel, wenn Unternehmen in die globale Expansion gehen, nur weil sie groß werden und ein Imperium aufbauen wollen. Solche „Trophäengewinne“ beobachten wir hin und wieder in Indien. Dort werden viele Unternehmen von Familien geführt, und die sind manchmal mehr von ihrem Ego getrieben als von der Frage, wie sie das Kapital des Unternehmens am besten einsetzen.

Indien ist ein gutes Stichwort. Der indische Aktienmarkt ist der Index mit der besten Performance nach Covid-19. Sogar besser als der Nasdaq mit einem Anstieg von 145% seit April 2020. Sie haben indische Wurzeln. Wird Indien das nächste große Ding oder ist es das längst?

Tatsächlich ist Indien bereits eine sehr große Wirtschaftsmacht. Es ist heute schon die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt und wird innerhalb der nächsten drei Jahre nach den USA und China die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt sein. Was die schiere Größe des Bruttoinlandsprodukts angeht, könnte man es durchaus als wirtschaftliche Supermacht bezeichnen und als das am schnellsten wachsende große Land. Wenn man sich anschaut, was den Reiz Indiens ausmacht, dann ist das die strukturelle, langfristige Wachstumsgeschichte. In den letzten zehn Jahren hat die Modi-Regierung eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um das Wachstum zu steigern. Sie hat zum Beispiel sehr stark in die physische und die digitale Infrastruktur investiert. Das sieht man an der Zahl der Flughäfen, der Straßenkilometer und der Häfen. Ich glaube aber, dass die digitale Infrastruktur einen noch größeren Beitrag zu Wachstum und Produktivität geleistet hat. So wurde mit dem UPI-Rahmenwerk eine einheitliche Zahlungsschnittstelle eingeführt, was zu einem regelrechten Boom im Bereich der Finanztechnologie geführt hat. Indien entwickelt sich sehr schnell zu einer bargeldlosen Gesellschaft. Jeder Inder hat jetzt eine eindeutige Kennung, vergleichbar mit der Sozialversicherungsnummer in den USA. Das hat dazu geführt, dass mehr und mehr Menschen Zugang zum Bankensystem erhalten. Hunderte von Millionen Indern haben in den letzten zehn Jahren ein Bankkonto eröffnet – Menschen, die vorher keine Bankkonten hatten. Dadurch haben sie auch Zugang zu Krediten erhalten, was in einer wachsenden Wirtschaft immer notwendig ist.

Was spricht sonst noch für Indien?

Reformen wie die GST-Reform (Goods and Services Tax, Anm. der Redaktion), bei der das Steuersystem in allen Bundesstaaten vereinheitlicht wurde, haben zu weniger Korruption geführt. Weniger Steuerhinterziehung, mehr Einnahmen für die Regierung, die sie dann wieder investieren kann. Und es hat auch zu einer Erleichterung der Geschäftstätigkeit geführt. Wenn man sich Ranglisten dazu ansieht, lag Indien vor zehn Jahren meist im unteren Viertel, heute gehört es zu den oberen 50%, wenn nicht sogar zum obersten Viertel. Eine deutliche Verbesserung, die es viel einfacher macht, ein Unternehmen zu gründen. Es ist auch für Ausländer viel einfacher, hier zu investieren. Die Genehmigungen sind jetzt viel schneller als früher. Außerdem hat Indien eine Art strukturelles Wachstum, das sich einfach aus der Demografie ergibt. Es ist das jüngste Land der Welt. Die Bevölkerung spricht Englisch, es gibt qualifizierte Arbeitskräfte und eine wachsende Mittelschicht. Zudem suchen angesichts der Probleme mit China immer mehr amerikanische Unternehmen und Investoren nach Alternativen. Es gibt also eine Reihe von Dingen, die sich für Indien gerade zum Guten wenden. Damit ändert sich auch seine Position auf der politischen Landkarte. Indien entwickelt sich zu einem weltweit führenden Land. Modi ist nicht nur ein indischer, sondern ein globaler Führer geworden. Das Land erhebt sozusagen den Anspruch, der Anführer des globalen Südens zu sein, was ich für eine sehr geschickte Positionierung halte. Ich denke, angesichts der geopolitischen Spannungen, die der Westen mit China und Europa und die USA mit Russland haben, ist Indien ein sehr gutes regionales, wirtschaftliches und politisches Gegengewicht.

Welche Branchen, welche Unternehmen aus Indien halten Sie für besonders zukunftsträchtig?

Alles, was mit Konsum zu tun hat, ist sicherlich sehr, sehr attraktiv und war es offen gesagt schon immer. Und zwar aufgrund der wachsenden Mittelschicht, des Anstiegs des Pro-Kopf-BIP, der demografischen Entwicklung und der Marktdurchdringung. Und es gibt viele großartige, qualitativ hochwertige Unternehmen in diesem Sektor. Der zweite attraktive Sektor ist der Finanzsektor. Noch gehören zwei Drittel der Banken zum öffentlichen Sektor; nur ein Drittel sind private Banken. Mit der Zeit wird ihr Anteil zunehmen. Trotz aller Bemühungen gibt es in Indien noch immer eine erhebliche Unterversorgung im Bankwesen. Dabei gibt es für das von vielen prognostizierte Wachstum eine erhebliche Nachfrage nach Krediten. Was Indien hier attraktiv macht, ist der regulatorische Rahmen für Finanzdienstleister. In der globalen Finanzkrise gab es in Indien und in vielen anderen Schwellenländern keine einzige Bank, die zusammengebrochen ist, weil das Bankensystem stark ist und die Aufsichtsbehörden sehr unabhängig sind.

Die HDFC Bank ist ein großartiges Beispiel für eine sehr umsichtige Bank mit hoher Qualität. Sie sehen eine hohe Kreditqualität und starkes Wachstum, das sie durch verschiedene Zyklen trägt. Ich glaube, sie ist eine der besten Banken der Welt, nicht nur in den Schwellenländern.

Wie sieht es mit Technologie aus?

Der Technologiesektor boomt, weil das Unternehmertum boomt. Indien war lange als das Land bekannt, in das Technologiedienstleistungen ausgelagert werden. Jetzt sehen wir eine neue Generation von Technologieunternehmen, die aus dem Boden gestampft wurden. Die Fintechs sind nur ein Teil davon. In Indien hat sich in den letzten Jahren in vielen Branchen eine ganze Kultur des Unternehmertums und der Risikobereitschaft entwickelt, die heute gefeiert wird. Früher wollten die Menschen aus kulturellen Gründen nicht unternehmerisch tätig sein. Sie wollten lieber in etablierten Unternehmen arbeiten und dort viele, viele Jahre lang tätig sein. Aber immer mehr Menschen entscheiden sich, genau wie im Westen, dafür, in Start-ups zu arbeiten. Sie entscheiden sich dafür, Risiken einzugehen, weil es aufregend ist, weil sie große Vorbilder haben, weil sie den enormen Erfolg anderer Unternehmen gesehen haben, die in ihrem Land führend geworden sind. Es gibt ähnlich wie in den USA Online-E-Commerce-Unternehmen oder Software-as-a-Service-Unternehmen oder Cloud-Infrastruktur-Unternehmen oder Unternehmen, die Essen oder Lebensmittel liefern. In Indien entsteht ein Ökosystem, in das eine riesige Menge an Risikokapital fließt. Kapital, das etwa aus China abgezogen wird. Indien ist viel attraktiver, weil es demokratisch ist, weil es nicht den regulatorischen Überhang wie in China gibt, wo der Staat in Unternehmen eingreift. In Indien ist das genaue Gegenteil der Fall: Der Staat unterstützt das Wachstum dieser Unternehmen. Indien ist nach den USA und China jetzt schon das Land mit den meisten sogenannten „Unicorns“, also Start-ups, die einen Wert von über einer Mrd. Dollar erreichen. In ein paar Jahren wird die Zahl der indischen Einhörner diejenige von China übertreffen.

China hat zuletzt mit der Immobilienkrise, der fehlenden Erholung nach der Coronakrise und der problematischen Demografie viele Investoren enttäuscht. Sollte man dort jetzt zu einem guten Preis einsteigen oder halten Sie es für besser, die Finger von China zu lassen?

Ich denke, es wäre besser, sich von China fernzuhalten, weil es unserer Meinung nach im Moment ein sehr riskantes Land ist. Wenn man einen Schritt zurücktritt und sich ansieht, was China so erfolgreich gemacht hat, dann war das wirklich das Einparteiensystem, dessen Ziel ein starkes Wirtschaftswachstum war. Denn mit einem starken Wirtschaftswachstum konnte die Partei die Kontrolle behalten und gleichzeitig für Stabilität und Sicherheit sorgen. Sie ist sehr klug mit den USA beim Beitritt zur WTO umgegangen und hat im Grunde genommen großartige Arbeit geleistet, um China auf die Weltbühne zu bringen und es zu einem Wirtschaftswunder zu machen, bei dem Hunderte von Millionen aus der Armut befreit wurden. Aber in den letzten Jahren hat sich dieses Einparteiensystem in ein Einmannsystem verwandelt. Xi Jinping ist nicht nur der Parteivorsitzende, sondern de facto die einzige Person, die das Land führt. Er hat seine Loyalisten in die obersten Ränge des Politbüros eingesetzt, wobei es im Grunde nicht darauf ankommt, wer am kompetentesten ist, sondern wer dem Führer gegenüber am loyalsten ist. Und so werden Entscheidungen getroffen, die von dem Streben des Führers nach Kontrolle bestimmt werden und nicht von dem, was das Beste für das Land ist. Darum befindet sich China in der jetzigen Lage.

Das beste Beispiel dafür ist Zero Covid. Kein Land der Welt, vor allem kein Land mit einer so großen Wirtschaft, wurde zwei Jahre lang geschlossen. Der einzige Grund dafür war, dass der Führer es wollte, auch wenn es unerreichbar war. Wie soll man einen Virus bekämpfen ohne wirksame Impfstoffe? Es ist wirklich nicht machbar. China tat Dinge, die im Grunde genommen irrational waren, indem es die Wirtschaft stilllegte und keine Impfstoffe aus dem Westen importierte, obwohl das nötig gewesen wäre, um alle zu heilen und die Ausbreitung zu verhindern. Ohne die Massenproteste wäre es sogar noch länger als zwei Jahre weitergegangen. Diese Art der Entscheidungsfindung, die nicht dem Wohl der Allgemeinheit dient, führt normalerweise dazu, dass die Menschen auf die Straße gehen. Wenn Sie sich an die Zeit vor Covid zurückerinnern, wann haben Sie das letzte Mal von Protesten auf den Straßen Chinas gehört? So etwas gab es nicht.

Die politische Situation wird nicht gut für die Zukunft und das Wirtschaftswachstum des Landes sein. Außerdem haben sie, wie Sie bereits erwähnten, einen notleidenden Immobiliensektor, der 40% des BIP ausmacht und enorme Schuldenberge aufweist – Unternehmen wie Evergrande und Country Garden gehören zu den am höchsten verschuldeten Unternehmen der Welt. Und das Bankensystem, das stark im Immobiliensektor engagiert ist, ist nicht mehr dazu in der Lage, die Wirtschaft wie früher zu stimulieren. Und dann sind da noch die Spannungen mit den Vereinigten Staaten. China gerät immer mehr in die Isolation und verbündet sich darum immer mehr mit „bösen“ Akteuren – mit Russland, Nordkorea und dem Iran. Ich glaube nicht, dass das auf lange Sicht gut für China ausgehen wird.

Sie investieren auch in Brasilien. Stellen Sie als Investor Veränderungen fest, seit der linke Präsident Lula den rechtspopulistischen Bolsonaro abgelöst hat? Oder hatte das keine Auswirkungen auf die Märkte?

Lula ist eine Überraschung. Es gab die Befürchtung, dass er eher links, eher sozialistisch sein würde, aber Regieren ist etwas ganz anderes als Wahlkampf, und wenn man sich seine Politik ansieht, dann ist sie eher zentristisch als links. Sie führen nicht so viele Sozialprogramme durch, wie Investoren befürchtet hatten, während sie im Land Reformen einleiten, die sicherlich gut für das Wirtschaftswachstum sind. Außerdem hat die brasilianische Zentralbank eine großartige Leistung vollbracht, indem sie die Zinssätze viel, viel früher als die Fed angehoben hat – sie war der US-Notenbank tatsächlich ein Jahr voraus. Und jetzt haben wir eine großartige Situation in Brasilien, weil die Inflation zurückgegangen ist und die Zinssätze wieder gesunken sind. Aus zyklischer Sicht befindet sich Brasilien also in einer guten Situation.

Und dann ist da noch die Tatsache, dass die Regierung Lula im Kongress kein starkes Mandat hat. Er ist also fast gezwungen, eher zentristisch als links zu sein. Wir schauen uns natürlich die makroökonomische Situation in Brasilien an, und die hat unserer Meinung nach mittel- bis langfristig ein gutes Potenzial.

In den letzten Jahren haben die BRICS-Länder ihre einstige Outperformance gegenüber dem breiten Schwellenländerindex eingebüßt. Was erwarten Sie für die Zukunft? Was von den neuen Mitgliedern?

Da muss man differenzieren. Der russische Index, die russischen Aktien, wurden von den meisten ausländischen Investoren auf null heruntergefahren. Niemand investiert oder kann in Russland investieren, außer Russen. Das hat die Performance der Schwellenländer sicherlich stark beeinträchtigt. Und dann ist China das andere große Land, sogar der größte Wert im Index der Schwellenländer. Es macht ein Drittel der Benchmark aus und hat sich deutlich schlechter entwickelt als die anderen Länder wie Brasilien oder Indien.

Der BRICS-Club hat sicherlich eine gewisse Bedeutung und gewinnt auch weiter an Bedeutung, weil diese Länder zu den größten Volkswirtschaften der Welt gehören, die ihre eigenen Interessen gegenüber dem Westen haben und ihre eigenen Institutionen aufbauen. Diese Organisation wird also mit Sicherheit weiter bestehen, auch wenn sie untereinander Differenzen haben, insbesondere Indien und China.

Dennoch sollte man diese Länder einzeln betrachten. Indien ist ganz anders als China. Südafrika ist, trotz seiner Probleme, ebenfalls attraktiv. Und es gibt noch andere Schwellenländer wie Indonesien, die sehr groß sind und schnell wachsen. Auch der Nahe Osten hat trotz der jüngsten Unruhen einen sehr starken Aufschwung erlebt. Wenn man sich die Entwicklung der letzten zwei oder drei Jahre anschaut, werden immer mehr Unternehmen, die bisher in staatlicher Hand waren, jetzt an die Börse gebracht. Das sind Familienjuwelen. Edelsteine, die früher den Regierungen von Saudi-Arabien, Katar oder den Vereinigten Arabischen Emiraten gehörten und die sie jetzt privatisieren oder einen Anteil an den Westen oder an Aktionäre im Allgemeinen verkaufen. Dabei handelt es sich um sehr, sehr hochwertige Unternehmen, die dazu beitragen, die Investitionsmöglichkeiten der Anleger im Nahen Osten zu diversifizieren. Früher waren die Unternehmen, in die man investieren konnte, in erster Linie Öl- und Gas- oder Finanzunternehmen. Jetzt gibt es Konsumgüterunternehmen, Technologieunternehmen und auch staatliche Unternehmen, die, selbst wenn sie im Öl- und Gasbereich tätig sind, ebenfalls sehr hochwertig sind. Das ist also ein Bereich, den man früher nicht wirklich beachtet hat, aber jetzt gewinnt er an Bedeutung und ist einer der Bereiche, in denen es viele Börsengänge gibt.

Sie engagieren sich auch in Frontier Markets. Was sind Ihre Erfahrungen in diesem Bereich?

Über 100 Länder gelten als Frontier-Märkte, und sicherlich kann man nicht alle über einen Kamm scheren. Viele von ihnen haben makroökonomische Herausforderungen und politische Probleme, Probleme im Zusammenhang mit der Kapitalbilanz, im Zusammenhang mit dem Leistungsbilanzdefizit. Aber es gibt auch Länder, in denen die makroökonomischen und politischen Bedingungen gut sind und in denen sie von den Veränderungen profitieren, die wir in den letzten Jahren im Rahmen der Globalisierung beobachten konnten. Wir sind zum Beispiel in Kenia engagiert, auch in anderen Ländern wie Nigeria, einem großen Ölexporteur.

Es gibt einige Frontier Markets, die eigentlich genauso gut sind wie die Schwellenländer. Länder, die ihr Pro-Kopf-BIP steigern werden und sich entwickeln. Vietnam zum Beispiel entwickelt sich zu einer Drehscheibe für das Outsourcing von Fertigungsprozessen. Das Land profitiert von der Abwanderung aus China. Vietnam wird sicherlich auch immer interessanter, wenn es um Bekleidung geht, wenn es um die Auslagerung von gering qualifizierten Tätigkeiten und die Fertigung geht.

Zur Person: Ashish Chugh ist Portfoliomanager für globale Schwellenländeraktien bei Loomis, Sayles & Company. Er kam im Mai 2018 von Och-Ziff Capital in Hongkong zu Loomis Sayles, wo er Managing Director und Manager eines Schwellenländerportfolios des Unternehmens war. Davor war Ashish ein Jahrzehnt bei der Wellington Management Company in Boston als Managing Director tätig.

Das Interview führte Tobias Möllers.

Indien hat eine Art strukturelles Wachstum, das sich einfach aus der Demografie ergibt. Es ist das jüngste Land der Welt. Die Bevölkerung spricht Englisch, es gibt qualifizierte Arbeitskräfte und eine wachsende Mittelschicht.