Indische Rupie rutscht auf Allzeittief

Ende der Talfahrt nicht absehbar - "Zwillingsdefizit" und globale Risikoscheu belasten

Indische Rupie rutscht auf Allzeittief

Ein hohes und weiter steigendes Leistungsbilanzdefizit in Kombination mit einem Haushaltsdefizit lastet wie Blei auf der indischen Rupie. Die Währung rutscht auf immer neue Allzeittiefs ab. Aktionen der Zentralbank zur Stützung der Rupie zeigen keine Wirkung.gb Frankfurt – Die indische Rupie ist zur Wochenmitte auf ein neues Allzeittief gefallen. Neben der jüngst wieder stark gestiegenen Risikoaversion an den globalen Märkten sind es vor allem fundamentale Faktoren, die die Währung unter Druck gebracht haben. Hinzu kommt, dass das Land mit neuen, schwer übersehbaren Steuerplänen ausländische Investoren vergrault. Mittwoch war der sechste Tag in Folge, an dem die Devise ein Allzeittief verzeichnet. Die Rupie rutschte auf 56,23 je Dollar ab. Eine Intervention der Zentralbank Reserve Bank of India (RBI) blieb wirkungslos. Die Währungshüter verkauften laut Berichten zwischen 100 und 250 Mill. Dollar, was jedoch nicht reichte, um den Fall zu bremsen. Die RBI hatte im Verlauf des Monats bereits kräftig interveniert, nachdem die Währung unter 53 je Dollar gefallen war. Die Analysten von Morgan Stanley schätzen, dass die RBI bislang mehr als 1,2 Mrd. Dollar an Devisenvorräten verkauft hat. Mit weiteren Maßnahmen der RBI im Monatsverlauf könnten Rekordniveaus beim Interventionsvolumen erreicht werden, schätzt das Institut.Im europäischen Handel am Nachmittag erholte sich die Rupie leicht auf einen Kurs von 56 je Dollar. Analysten und Händler rechnen jedoch mit weiteren Kursverlusten. Die nächsten technischen Marken sind 57,25 und 58,62 Rupien je Dollar. In fünf Tagen hat die Rupie 2,8 % zur US-Währung eingebüßt, seit Jahresbeginn sind es 5,5 %. Inflation nimmt zuDie Rupie leidet derzeit vor allem an dem Doppel- oder Zwillingsdefizit der indischen Wirtschaft. Das Leistungsbilanzdefizit des Landes belief sich im Schlussquartal 2011 auf 4,3 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) bzw. auf 989 Mrd. Rupien. Im Gesamtjahr waren es 3,3 %. Das Haushaltsdefizit lag im vergangenen Jahr bei 5,9 % des BIP. Die Commerzbank erwartet beim Leistungsbilanzdefizit eine weitere Verschlechterung. Es dürfte 2012 auf 3,5 % des BIP steigen. Beim Haushaltsdefizit wird eine nur langsame Verringerung auf 5,1 % gesehen. Indiens Volkswirtschaft leidet zudem unter einer zunehmenden Inflation. Im April kletterte die Teuerungsrate auf 10,4 % von 9,5 % im Vormonat. Gleichzeitig schwächt sich das Wachstum der Wirtschaft ab, was die RBI in eine Zwickmühle in ihrer gelockerten Zinspolitik bringt.Zu den makroökonomischen Problemen kommt noch Indiens geplante Verschärfung des Steuersystems, die ausländische Anleger verunsichert. Im März und April flossen 540 Mill. Dollar an Portfolioinvestitionen aus Indien ab, während in den beiden Monaten zuvor noch Zuflüsse von 13 Mrd. Dollar aus dem Ausland zu verzeichnen gewesen waren. Zwar ist die Regierung bei ihren Plänen ein Stück weit zurückgerudert, doch die Verunsicherung ist geblieben.Dies belastet auch den indischen Aktienmarkt. Indiens Leitindex BSE Sensex 30 hat in den zurückliegenden drei Monaten 11,8 % verloren, seit Jahresbeginn bleibt derzeit nur ein mageres Plus von 3,2 % übrig. “Indien ist einer der Fälle, in denen der Unternehmenssektor sehr stark ist, aber von Seiten der Politik und der Makroökonomie starker Gegenwind kommt”, sagte ein Stratege der Nachrichtenagentur Reuters.