Inditex setzt auf eigenes Online-Rezept
Von Thilo Schäfer, MadridZum Auftakt der für die Modebranche wichtigen Wintersaison mit dem Weihnachtsgeschäft ist die Aktie des weltweit führenden Textilkonzerns Inditex auf Talfahrt. Am Mittwoch erlitt der Kurs einen weiteren Dämpfer mit Verlusten von mehr als 4 %. Im Dezember hatte es zuvor bereits Rückschläge gegeben, als die Neunmonatszahlen der Spanier die Erwartungen der Analysten leicht verfehlten, sowie kurz darauf, als der britische Online-Modehändler Asos mit einer Gewinnwarnung die Branche aufschreckte. Einst einer der Lieblinge der Anleger unter spanischen Börsenwerten, musste Inditex seit Jahresbeginn einen Kursverlust von gut 15 % hinnehmen. Mit knapp 23 Euro pro Aktie ist das Unternehmen von seinem Höchststand von 36 Euro im Sommer 2017 meilenweit entfernt. Und dennoch gehört Inditex mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von rund 20 zu den teuren Werten der Branche. Die Mehrheit der Analysten vertraut auf das Potenzial des Unternehmens, das immer noch mehrheitlich im Besitz des Gründers Amancio Ortega ist, aufgrund des Geschäftsmodells. Andere haben Zweifel ob der Zukunft der Fashion-Retailer allgemein. Schwung verlorenZweifellos hat der Betreiber von Ketten wie Zara, Massimo Dutti oder Bershka im laufenden Geschäftsjahr an Schwung verloren. In den ersten neuen Monaten wurde mit einem Umsatz von 18,4 Mrd. Euro zwar ein neuer Rekord aufgestellt. Doch das Wachstum betrug im Vergleich zum Vorjahreszeitraum nur noch 3 %, weniger als von den Analysten erwartet. Vor Jahresfrist konnte der Konzern noch zweistellige Wachstumsraten verbuchen. Der Nettogewinn steig von Februar bis Oktober auf 2,44 Mrd. Euro, ein Plus von 4 %. Inditex konnte für das Ergebnis einige konjunkturelle Faktoren verantwortlich machen, wie die gegenüber dem Euro schwachen Währungen, vor allem in Lateinamerika. Die Spanier machen mehr als die Hälfte ihres Geschäfts außerhalb der Eurozone. Zudem sorgte der ungewöhnlich warme September in Europa für einen schleppenden Auftakt des Herbstgeschäfts.Die langsamere Dynamik hat jedoch auch mit eigenen Entscheidungen des Inditex-Vorstands zu tun. So verzichtete der Konzern im September darauf, wegen der Wetterbedingungen in die Rabattschlacht der Konkurrenz einzusteigen, und hielt die Preise. Das schadete zwar den Umsatzzahlen, verhalf andererseits jedoch der Bruttogewinnmarge zu einem Sprung auf 58 %, was von vielen Experten sehr begrüßt wurde. “Wir glauben an die Qualität unserer Produkte”, erklärte der Vorsitzende von Inditex, Pablo Isla, den Analysten bei der jüngsten Vorlage der Quartalszahlen.Doch auch Inditex kann sich dem zunehmenden Druck durch reine Online-Händler sowie Billiganbieter wie die irische Primark nicht entziehen. In den letzten Monaten hatten einige Textilunternehmen mit Gewinnwarnungen aufhorchen lassen, darunter die deutsche Zalando und die erwähnte Asos aus Großbritannien. Die schwedische H & M als Hauptkonkurrent wird in diesem Jahr wohl erneut weniger Nettogewinn machen. Während viele US-Bürger dank der Steuerreform von Donald Trump für die Weihnachtseinkäufe mehr Geld in der Tasche haben, nimmt die Kauflust in Europa durch die konjunkturelle Abkühlung ab. Hinzu kommen die Ungewissheiten des Brexit und die Proteste in Frankreich in den vergangenen Wochen, die dem Handel stark geschadet haben.Das geringere Wachstum von Inditex hat auch mit der Tatsache zu tun, dass die Zahl der Ladenlokale in den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres um rund 30 gesunken ist. Der Zara-Betreiber hatte für 2018 ursprünglich netto 150 neue Shops vorgesehen. Doch davon ist man weit entfernt. “Wir sollten nicht so sehr auf die Anzahl der Geschäfte schauen, sondern mehr Aufmerksamkeit dem Wachstum der Verkaufsfläche schenken, das nämlich auf gutem Weg ist”, sagte Isla den Analysten zu diesem Thema. Seit einiger Zeit ist Inditex dabei, kleine Läden zu schließen und mehr auf große, prunkvolle Flagship Stores an prominenten Adressen zu setzen. So wurden etwa im baskischen Bilbao vier kleinere Läden zugunsten eines neuen Großgeschäfts geschlossen. Die Idee hinter dieser Strategie ist auch eine Antwort auf den stark zunehmenden Trend zum Online-Handel. Ein Besuch in einem Zara-Kaufhaus soll einen Erlebniswert haben, bei dem die Ausstattung ebenso mitspielt wie die Technologie. Die komplette Verzahnung vom traditionellen Verkauf mit dem Online-Handel ist das große Ziel, an dem der Konzern aus dem galicischen Arteixo mit großen Aufwand arbeitet. Die 7 400 Geschäfte weltweit dienen als Lager auch für den Verkauf über das Internet. Dank der Kundennähe des breiten Netzes erhofft man sich davon einen Vorsprung gegenüber reinen Online-Anbietern wie Amazon. Weltweit verfügbarDie Hemden, Kleider und Jacken von Zara sind seit diesem Jahr in fast allen Märkten weltweit über das Netz verfügbar, auch in Ländern, in denen Inditex keine eigenen Modeläden betreibt. Das erklärte Ziel der Spanier ist, bis 2020 die komplette Produktpalette aller ihrer acht Marken, darunter auch Zara Home, Stradivarius, Pull & Bear, Oysho und Uterqüe, anbieten zu können. Bei der Vorlage des Jahresberichts für 2017 gab Inditex erstmals einen Einblick in die Dimension ihres Internethandels, der etwa 10 % des Gesamtumsatzes ausmachte. Bei den Quartalszahlen machte Inditex keine entsprechenden Angaben, so dass sich die Analysten wohl auf den Jahresbericht im März vertrösten müssen, um das Wachstum des Online-Geschäfts bewerten zu können.Vor diesem Hintergrund teilen sich die Meinungen der Experten hinsichtlich des Kurspotenzials von Inditex. Credit Suisse etwa setzt das Kursziel nach den Quartalszahlen von Dezember und dem allgemeinen Ausblick für die Branche von 24 auf 21 Euro herunter. Im Schnitt erwarten die Experten laut Bloomberg binnen zwölf Monaten einen Anstieg auf 29 Euro. Die große Mehrheit rät daher zum Kauf.