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Indonesiens Reformen in der Warteschleife

Von Stefan Grünwald *) Börsen-Zeitung, 28.5.2020 Indonesien zählt zu den 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländern - den G20-Staaten. Dass das Land dennoch seit Jahren als eine Art "Geheimtipp" unter der internationalen Investorenschaft gilt,...

Indonesiens Reformen in der Warteschleife

Von Stefan Grünwald *)Indonesien zählt zu den 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländern – den G20-Staaten. Dass das Land dennoch seit Jahren als eine Art “Geheimtipp” unter der internationalen Investorenschaft gilt, ist den übermächtigen Schatten Chinas und Indiens geschuldet. Denn der größte Inselstaat der Welt punktet – auch am Maßstab von Covid-19 gemessen – mit soliden Wirtschaftsdaten und einer vergleichsweise robusten, wenn auch stark gemanagten Währung.Jahrelang konnte Indonesien mit einem stabilen Wirtschaftswachstum von jährlich 5 bis 6 % reüssieren, wobei Wirtschaftsanalysten der größten Volkswirtschaft Südostasiens ein noch höheres Entwicklungspotenzial attestieren. Doch mit Covid-19 hat sich auch für Indonesien das Bild gewandelt. Die erste Infektionswelle, Anfang des Jahres von China ausgehend, hat das Land vergleichsweise glimpflich überstanden. Während China und andere Staaten Asiens schwer getroffen wurden – auf einen Angebotsschock folgte ein Nachfrageschock -, hat sich die Konjunktur Indonesiens zwar eingetrübt, konnte sich mit einem BIP-Wachstum von rund 3 % im ersten Quartal jedoch noch auf einem moderaten Niveau halten. Auf Jahressicht gehen die Prognosen derzeit von nur noch 2,3 % Wachstum aus – im schlimmsten Fall droht eine Rezession. Das wäre dann das niedrigste Wirtschaftswachstum seit mehr als 20 Jahren.Eigentlich hatte sich die demokratische Regierung unter Präsident Joko Widodo auch für ihre zweite Legislaturperiode viel vorgenommen und ist 2019 mit ambitionierten Reformvorhaben an den Start gegangen. Vor allem das Arbeitsrecht wollte man neu aufsetzen und mit verschiedenen Liberalisierungsmaßnahmen die Unternehmen von formellen Arbeitsverträgen und Investitionen überzeugen. Doch Covid-19 hat diese Reformpläne vorerst wieder zurück in die Schublade befördert. Die arbeitsrechtlichen Änderungen, die vor wenigen Monaten noch für durchführbar gehalten wurden, sind im nun zu erwartenden Rezessionsjahr nicht mehr umsetzbar.Nun ist die Notenbank gefordert, durch aktives Management die indonesische Rupiah auf Kurs zu halten. Mit der Ausbreitung der Covid-19-Pandemie haben viele internationale Anleger ihr Kapital aus Indonesien abgezogen, was der Währung Indonesiens einen kurzfristigen Kursverfall von minus 20 % beschert hat. Anfang April hat sich der Trend wieder gedreht, und die Rupiah konnte die Hälfte ihrer Verluste wieder aufholen. Letzte Woche hat die indonesische Notenbank nach zwei Zinssenkungen um jeweils 0,25 % im Februar und April die Leitzinsen auf dem bestehenden Niveau von 4,5 % belassen. Die Notenbanker befinden sich in einer Zwickmühle: Viele indonesische Lokalwährungsanleihen sind im Besitz ausländischer Anleiheinvestoren. Daher versuchen sie, die Währung stabil zu halten, obwohl sie – aus ökonomischer Sicht – die Zinsen senken müssten – ein Balanceakt zwischen Inflations- und Wachstumszielen und der Rücksichtnahme auf internationale Anleger. Wie viele andere Regierungen hat auch jene Indonesiens ein umfangreiches fiskalisches Paket gegen den Abschwung geschnürt (10 % des BIP).Entscheidend wird aber sein, wie sich eine etwaige zweite Welle der Covid-19-Pandemie in der Region ausbreiten und wie sehr das Land selbst betroffen sein wird. Aktuell gibt es rund 20 162 Infizierte und eine offizielle Todesrate von 1 278 Personen (Stand: 21. Mai 2020). Die täglichen Fallzahlen steigen allerdings kontinuierlich an, und aufgrund der geringen Testungen wird eine hohe Dunkelziffer vermutet.Dennoch befindet sich Indonesien verglichen zu anderen Staaten – beispielsweise Thailand, wo man bei wesentlich geringeren Fallzahlen einen wesentlich stärkeren Impact erwartet, – in einer guten wirtschaftlichen Position. Denn auch wenn Strände und Kulturstätten Millionen von Touristen nach Indonesien bringen, beträgt der Anteil des Tourismus am BIP des Landes nur rund 6 %. Das bedeutet, dass die Abhängigkeit vom Tourismus weniger stark ausgeprägt ist, als dies beispielsweise in Thailand, Malaysia oder auf den Philippinen der Fall ist. Gleiches gilt für den Export. Indonesien hat enorme Rohstoffvorkommen und ist der größte Palmölproduzent der Welt. Gemeinsam mit Malaysia beliefert das Land 85 % des Weltmarktes. Auch Erdgas, Kohle sowie Tee, Kaffee und Kakao sind wichtige Exportgüter. Lange Zeit war das Land stark von seinen Exporten abhängig. In den letzten Jahren ist jedoch das ebenfalls stark vom Reformprogramm unterstützte Binnenwachstum tonangebend.Zusammengefasst wäre Indonesien unter einem “alten Normal” ein attraktiver Anlagemarkt. Doch aktuell gibt es – nicht nur in Indonesien, aber eben auch dort – zu viele unbekannte Größen, insbesondere verlässliche Daten zu Covid-19. Mit der Verfügbarkeit medizinischer Versorgung und von Impfstoffen wird die Lage wieder einschätzbarer, und der Markt für Anleger wird entsprechend attraktiver werden. *) Stefan Grünwald ist Fondsmanager im Team “Anleihen, CEE & Global Emerging Markets” bei Raiffeisen Capital Management.