GASTBEITRAG ZUR SERIE ANLAGETHEMA IM BRENNPUNKT (71)

Innovation in der Wasserversorgung

Börsen-Zeitung, 17.5.2019 Alle Jahre wieder - am 22. März - erinnert sich die Weltgemeinschaft, dass die Wasserherausforderung noch nicht verschwunden ist. Dann kommen wieder die Bilder ins Gedächtnis, dass die südafrikanische Metropole Kapstadt im...

Innovation in der Wasserversorgung

Alle Jahre wieder – am 22. März – erinnert sich die Weltgemeinschaft, dass die Wasserherausforderung noch nicht verschwunden ist. Dann kommen wieder die Bilder ins Gedächtnis, dass die südafrikanische Metropole Kapstadt im Südsommer 2017/18 beinahe ihren “Day Zero” erlebte, also den Tag, an dem die Leitungen kein Wasser mehr führen. Auch in Deutschland, einer niederschlagsmäßig eigentlich privilegierten Region, konnten wir die Auswirkungen der Klimaveränderungen im vergangenen Sommer deutlich spüren. Da während des gesamten Sommers in weiten Teilen des Landes fast kein Regen fiel, trockneten Bäche aus, die Flüsse wiesen rekordniedrige Pegel auf und die Waldbrandgefahr stieg.Man kann an diesen beiden Beispielen erkennen, dass das Thema “Wasserherausforderung” global nichts an Brisanz und Relevanz eingebüßt hat. Der Wassersektor gilt als vergleichsweise “innovationsarm”, denn alle gängigen Verfahren der Wasseraufbereitung (mittels Chlor, UV-Licht, Ozon oder durch Meerwasserentsalzung) und der Wasserleitungen (Materialien und Pumpsysteme) sind wohlbekannt und verändern sich nur marginal.Es handelt sich vielmehr um ein globales und langfristiges (jahrzehntelanges!) Investitionsthema, denn diese bekannten Technologien müssen in der gesamten Welt installiert werden. In den Schwellenländern mit ihren wachsenden Städten wird diese Infrastruktur erstmals installiert, in der entwickelten Welt muss eine veraltete und schadhafte Infrastruktur modernisiert und repariert werden. Folglich sind die Unternehmen der Wasserindustrie zwar wachstumsstark (wir rechnen mit einem langfristigen Umsatzwachstum von ca. 6 % pro Jahr, was dem Doppelten des Wachstums des Welt-Bruttoinlandprodukts entspricht; Quelle: Pictet Asset Management, 2017), aber auch vergleichsweise gut prognostizierbar. Diese gute Vorhersagbarkeit wird von der Börse geschätzt, weshalb eine Wasser-Anlagestrategie zumeist schwankungsärmer ist als andere Anlagethemen.Doch auch im Wassersektor findet Innovation statt. Technologische Innovation hält in vielen Bereichen Einzug, ohne dass sich dabei die große Anlagestory verändert (beziehungsweise durch Innovationsschocks unter Druck kommen könnte wie zum Beispiel in der Digitalisierung, wo das Verpassen eines einzigen Innovationsschubs das Aus für ein Unternehmen bedeuten kann!). Verbrauch reduzierenDie Landwirtschaft ist mit Abstand der größte Wassernutzer und trägt 70 % zum weltweiten Gesamtverbrauch von rund 5 000 Kubikkilometern pro Jahr bei. Sie ist auch ein gutes Beispiel dafür, wie die Technologie dazu beitragen kann, die wertvolle klare Flüssigkeit zu erhalten.So spart beispielsweise die präzise Bewässerung nicht nur Wasser, sondern verbraucht auch weniger Fungizide, Herbizide und Pestizide – was wiederum die Umweltbelastung reduziert. Der globale Markt für Mikrobewässerungssysteme wird sich bis 2025 voraussichtlich mehr als verdreifachen und 14,9 Mrd. Dollar erreichen (Quelle: Ingold Research, 2017). So hat Bosch beispielsweise eine sensorbasierte IoT-Technologie entwickelt, um genau zu bestimmen, wann und in welcher Menge Wasser benötigt wird. Der Aquazen-Bewässerungsregler reduziert nachweislich den Wasserverbrauch um 16 % und steigert gleichzeitig den Ernteertrag (Quelle: Bosch). In kleinerem Maßstab können intelligente Sprinkler, die über eine Handy-App gesteuert werden, den Wasserverbrauch in Hausgärten reduzieren.Der globale Markt für Abwasserrecycling wächst mit 20 % pro Jahr. Die größte technologische Herausforderung ist hier die Entfernung von Mikroschadstoffen. Wird unbehandeltes Abwasser wieder in die Gewässer oder die grundwasserführenden Schichten eingeleitet, verursacht es gesundheitliche, ökologische und klimabedingte Probleme. Wenn wir es jedoch reinigen können, wird das Abwasser zu einer großen Ressource.Fortschrittliche chemische Analysetechnologien können jetzt Konzentrationen bis zu einem Teil pro Billion messen – das entspricht dem Auffinden eines Sandkorns in einem 10 m3 großen Sandkasten. Das gibt ein viel größeres Vertrauen in die Qualität des aufbereiteten Wassers und öffnet sogar die Tür dazu, dass es nicht nur für den industriellen Gebrauch, sondern perspektivisch auch für den menschlichen Gebrauch geeignet ist. Zu den wichtigsten Akteuren im wachsenden Bereich der Atom- und Molekülspektroskopie gehören die in den USA ansässigen Agilent Technologies.Innovation ist nicht nur notwendig, um neue Systeme zu schaffen, sondern auch, um alte zu erhalten. Die Alterung der Infrastruktur ist ein großes Problem. Allein in den USA gehen jährlich 1,7 Billionen Gallonen aufbereitetes Trinkwasser durch Undichtigkeiten verloren, was jährlich 2,6 Mrd. Dollar kostet (Quelle: US Environmental Protection Agency). Technologie kann helfen, Probleme schneller zu lokalisieren und alten Rohren ein neues Leben einzuhauchen.Für eine maximale Wirkung müssen die Daten von intelligenten Zählern zusammengeführt, mit Informationen anderer Sensoren kombiniert und anschließend analysiert werden, um bestehende oder zukünftige Probleme zu identifizieren. Hier kommen Unternehmen wie die in Singapur ansässige Visenti ins Spiel. Die Internet-of-Things-Plattform von Visenti kann Daten über Durchflussmengen, Gesamtvolumen, Druck und Wasserqualität verwalten, Echtzeitinformationen liefern und bei Anomalien Warnmeldungen senden.Roboter-Netzwerkinspektoren, wie sie vom kanadischen Unternehmen Pure Technologies entwickelt wurden, sind eine weitere Verteidigungslinie, insbesondere bei teuren Großrohren. Das Xylem-Tochterunternehmen hat auch den frei schwimmfähigen Smartball entwickelt, der die akustische Aktivität messen kann und so bessere Informationen über den Zustand und die Ausrichtung von Druckleitungen liefert.Das Wasserthema ist aktueller denn je. An den grundsätzlichen Werttreibern hat sich über die Jahre nichts geändert. Allerdings zeigen eine Reihe von Beispielen, dass innovative Lösungen dazu beitragen können, den Verbrauch und den Verlust von Wasser zu reduzieren – und darüber hinaus eine attraktive Anlagechance zu bieten. Walter Liebe, Pictet Asset Management Bisher erschienen: “War doch klar” – die narrative Verzerrung (70), Metzler Hochzinsanleihen – wie gemacht für antizyklisches Investieren (69), DWS