IM INTERVIEW: RALF DARPE

Innovative Strukturen ziehen in Wandelanleihemarkt ein

Société-Générale-Finanzierungsspezialist erwartet in Deutschland 2016 ein Emissionsvolumen von mindestens 3 Mrd. Euro - Immobilienbranche besonders aktiv

Innovative Strukturen ziehen in Wandelanleihemarkt ein

Die französische Großbank Société Générale ist die Nummer 1 im Wandlermarkt. Im Gespräch mit der Börsen-Zeitung gibt Ralf Darpe, Head of Equity Capital Markets und Co-Head Corporate Finance, seine Prognose für das Finanzierungsvolumen im laufenden Jahr ab und erklärt, warum sich mehr Investoren für dieses Asset-Segment interessieren.- Herr Darpe, wie ist die Stimmung am Markt für Wandelanleihen?Sie ist besser, als man denken mag. Das Emissionsgeschäft ist sogar recht aktiv. Bei fallenden Aktienkursen kommen Wandelanleihen verstärkt in den Fokus. Denn die Unternehmen können dann bei Wandelanleihen über den höheren Wandlungspreis ihre Aktien zu Kursen verkaufen, die rund 30 bis 40 % über den aktuellen Niveaus liegen. Außerdem gibt es viele auslaufende Wandelanleihen, die Investoren sitzen also auf hohen Cash-Positionen aus diesen fällig werdenden Anleihen. Dieses Geld drängt wiederum nach Anlage, viele Anleger wollen diese Investments im Wandelanleihenmarkt vornehmen.- Die Credit-Spreads haben sich jüngst ausgeweitet. Wie hat sich das bei Wandelanleihen niedergeschlagen?Es gibt verschiedene Einflussfaktoren für Wandelanleihen. Der Credit-Spread ist einer davon. Für sich betrachtet erhöht der ausgeweitete Credit-Spread den Kupon wie bei konventionellen Bonds auch. Aufgrund der höheren Volatilität an den Aktienmärkten steigt aber auch der Wert der Option auf die Wandlung in Aktien. Wegen dieses höheren Optionswertes der Anleihen müssen die Firmen dann nicht mehr so hohe Kupons bieten, um Investoren die Wandelanleihe schmackhaft zu machen. Die Firmen können die Wandelanleihen zu aus ihrer Sicht recht attraktiven Kupons emittieren. Manche Papiere kommen daher sogar mit einer negativen Rendite an den Markt.- Die Aktienmärkte sind stark unter Druck seit Jahresbeginn. Wie haben sich die Wandelanleihen in diesem Umfeld geschlagen?Die Wandelanleihe bietet Aufwärtspotenzial bei steigenden Aktienmärkten. Und der Bond-Floor sorgt für die Absicherung nach unten, da die Anleihe bei Nichtwandlung unter normalen Umständen zum Nominal zurückgezahlt wird. Die Wandelanleihe weist somit geringere Schwankungen als die zugrunde liegende Aktie auf. Der Investor ist daher für die Downside abgesichert. Vor diesem Hintergrund sind die Wandelanleihen gerade auch für Pensionsfonds und Vermögensverwalter interessant. Wandelanleihen haben die jüngsten Rückschläge an den Aktienmärkten somit längst nicht in diesem Ausmaß mitgemacht, sondern haben eine relativ bessere Performance als die Aktien gezeigt.- Wie ist es um die Robustheit des Wandlermarkts in Zeiten einer sehr hohen und noch weiter ansteigenden Volatilität bestellt?Wandelanleihen sind auch in diesen sehr volatilen Marktphasen immer noch platzierbar. Wir haben es in diesem Segment mit sehr spezialisierten Investorenkreisen zu tun. Es geht bei der Asset Allocation in diesem Bereich mehr um eine spezielle finanzmathematische Analyse und weniger um Stimmung wie in anderen Finanzmarktsegmenten. Der Wert der in den Wandelanleihen enthaltenen Option auf Wandlung steigt mit der Volatilität. Das macht das Produkt für viele interessant.- Wie hat sich das Emissionsverhalten in Europa verändert, wenn Sie sich die Anzahl der Transaktionen 2015 und 2014 ansehen?2015 gab es in Europa insgesamt 40 Transaktionen gegenüber 60 Deals im Jahr davor. Dies ist auch durch die Entwicklung in der Immobilienbranche zu erklären, in der die Wandelanleihe lange als wesentliches Finanzierungsinstrument genutzt wurde, da kein Rating für die Emission benötigt wird. Mittlerweile haben viele dieser Unternehmen ein Rating und nutzen die Wandelanleihe jetzt als eine Alternative zum klassischen Bond. Die Emissionsvolumina haben sich anders als die Anzahl der Transaktionen erhöht. 2014 kamen in Europa Wandelanleihen im Umfang von gut 18 Mrd. Euro auf den Markt, 2015 waren es Papiere im Volumen von gut 21 Mrd. Euro.- Welches Emissionsvolumen er-warten Sie in diesem Jahr in Europa und speziell in Deutschland?In Europa gehen wir von einem Volumen in Höhe von 20 Mrd. Euro aus. In Deutschland gab es im vorigen Jahr Emissionen im Umfang von 2,8 Mrd. Euro, und wir erwarten hier bei normalisierten Märkten eine stabile Tendenz mit einem Emissionsumfang von mindestens 3 Mrd. Euro. Wir erwarten, dass die Emissionstätigkeit in diesem Jahr durch neue Strukturen von Wandlern geprägt sein wird. Diese sollten das Produkt auch für Emittenten interessant machen, die sich bislang vielleicht nicht so intensiv mit dieser Finanzierungsform auseinandergesetzt haben.- Mit welcher durchschnittlichen Transaktionsgröße kommen die Unternehmen bei Wandlern an den Markt, und wie hat sich diese in den vorigen Jahren entwickelt?2014 lag die durchschnittliche Transaktionsgröße noch bei rund 300 Mill. Euro. 2015 war der Wert bei rund 500 Mill. Euro. Das ist eine signifikante Erhöhung. Getrieben ist diese Entwicklung durch innovative Strukturen wie synthetische Wandelanleihen oder große Umtauschanleihen, die Emittenten als Alternative zu Aktienplatzierungen wählen. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang etwa Haniel, für die wir 2015 eine 1 Mrd. Euro schwere Transaktion in Metro-Aktien durchgeführt haben. 500 Mill. Euro wurden über eine direkte Aktienplatzierung erlöst. Für weitere 500 Mill. Euro wurde eine Umtauschanleihe begeben, das heißt, Haniel begibt die Anleihe, umgetauscht wird aber in Metro-Aktien. Haniel konnte hierbei Rekordkonditionen am Markt durchsetzen.- Wer setzt derzeit stärker auf Wandelanleihen: die Investment-Grade-Namen oder die Speculative-Grade-Firmen?In Bezug auf das Volumen kam 2015 rund die Hälfte aller Wandelanleihen von Firmen aus dem Investment-Grade-Bereich. Rund 40 % des Emissionsvolumens waren von Namen ohne Rating. Der Rest stammte aus der spekulativen Liga. Im Investment-Grade-Bereich geht der Trend dahin, mit Wandelanleihen die Investorenbasis zu diversifizieren und maßgeschneiderte Spezialstrukturen zu emittieren. Außerdem handelt es sich bei dem Wandelanleihenmarkt um ein Segment, das auch Emittenten ohne Rating offensteht. Wir gehen davon aus, dass dies in Zukunft auch so bleiben wird. Der Grund ist in der sehr spezialisierten Investorenbasis zu sehen, die weniger Probleme damit hat, auch Papiere von Unternehmen ohne Rating zu kaufen. Das ist nicht das entscheidende Kriterium. Die Investorenbasis in diesem Markt ist generell nicht so stark aufgeteilt nach Ratings oder Währungen, in denen angelegt wird oder werden darf. Es wird vielmehr über unterschiedliche Kreditqualitäten diversifiziert. Höhere Renditen werden in den Portfolios zum Beispiel über Emissionen von Firmen ohne Rating realisiert, Papiere mit Investment-Grade-Ratings zu Diversifikationszwecken eingesetzt.- Wie stark nutzen Unternehmen ohne Rating Wandelanleihen, und wie ist die Investorenresonanz?In Bezug auf die Anzahl der Wandelanleiheemissionen kamen im vorigen Jahr 56 % der Transaktionen von Adressen ohne Rating. Der Markt ist offen für solche Deals. Für viele Unternehmen, die keinen Zugang zum klassischen Bondmarkt haben, weil ihnen zum Beispiel ein Rating fehlt, ist dieser Markt eine sehr wichtige Finanzierungsquelle, bei der sehr niedrige Kupons möglich sind.- Hat es bei der Emissionstätigkeit in den einzelnen Segmenten Investment Grade, Speculative Grade und Non-Rated in den vergangenen Jahren Verschiebungen gegeben?Der Trend ist in den vergangenen Jahren zu mehr Investment-Grade-Emissionen gegangen. Getrieben wurde dieser Effekt auch durch europäische Blue Chips mit ausgezeichneter Kreditqualität, die vermehrt von synthetischen Convertibles Gebrauch machten.- Wie sehen die Strukturen dieser neuen synthetischen Wandel- beziehungsweise Umtauschanleihen aus?Die Société Générale hat in Europa diese neue Struktur mit entsprechenden Papieren von Fresenius und Fresenius Medical Care eingeführt. Es handelt sich hierbei um ein Cash Settlement der Wandelanleihe, also es findet keine physische Belieferung statt. Als Hedge kauft der Emittent Call-Optionen auch mit Barausgleich. Die Unternehmen erhalten bei dieser Form oftmals günstigere Finanzierungskonditionen als bei einer klassischen Anleihe. Es findet durch den Barausgleich keine Verwässerung der Altaktionäre statt. Darüber hinaus ist keine Genehmigung der Hauptversammlung notwendig.- Gibt es mehr Wandel- oder mehr Umtauschanleihen, also Anleihen, bei denen Emittent und Unternehmen, in deren Aktien gewandelt wird, nicht die gleiche Adresse sind?2015 gab es viele Umtauschanleihen. Etwa ein Drittel aller Emissionen entfiel auf diese Form. Wir haben es teilweise hier auch mit sehr großen Transaktionen zu tun. Zu denken ist an die Aabar Holding aus den Vereinigten Arabischen Emira-ten, die hierüber einen Anteil an der Unicredit platziert hat. Die Anleihe hatte eine Größenordnung von 2 Mrd. Euro. Darüber hinaus sind die-se Instrumente auch für Namen interessant, die kein Kreditprofil haben wie zum Beispiel Private-Equity-Gesellschaften. Sie begeben beispielsweise Umtauschanleihen, um aus ihren Aktienpaketen herauszukommen, und arbeiten dann mit einer Übersicherung der Anleihe.- Was verbirgt sich hinter hybriden Convertibles?Hybride Convertibles ähneln klassische Hybridanleihen, nur haben sie bis zum ersten Call-Tag eine Wandlungsoption. Hybride Convertibles ermöglichen es, aufgrund der eingebauten Wandlungsoption den Kupon niedriger anzusetzen als bei der klassischen Hybridanleihe.- Welche Trends beobachten Sie in den einzelnen Bereichen: Wer emittiert stärker, und welche Branche ist eher unterdurchschnittlich mit Emissionen vertreten?Eine aktive Branche sind die Immobilienunternehmen. Sie stellen in etwa 10 bis 25 % des Volumens in einem Jahr. Die Immobilienbranche benötigt eine günstige laufende Finanzierung. Stärkere Aktivitäten bei Umtauschanleihen kamen 2015 zum Beispiel von den Holding-Gesellschaften, die sich hierüber von Aktienpaketen trennen. Das waren im vorigen Jahr 24 % der Deals. Es gab auch viele Transaktionen von Telekommunikationsunternehmen, insbesondere aus Südeuropa, so zum Beispiel aus Spanien und Italien. Wir erwarten für 2016 Emissionen auch von Unternehmen bisher weniger vertretener Branchen, weil gerade durch die innovativen Strukturen neue Impulse gesetzt werden.—-Das Interview führte Kai Johannsen.