„KI-Agenten werden Teil des täglichen Lebens der Menschen“
Im Interview: Grant Bowers
„KI-Agenten werden Teil des täglichen Lebens“
Stratege von Franklin Templeton erwartet Verbreiterung und Rotation bei Tech-Titeln – Größere Streuung bei Magnificent Seven möglich
Grant Bowers, Aktienstratege bei Franklin Templeton, setzt weiter auf Tech-Aktien. Im Interview der Börsen-Zeitung erklärt Bowers, was weiter für US-Titel spricht, warum Anleger nicht nur auf die Magnificent Seven setzen sollten und wo KI am stärksten Innovationen vorantreiben kann.
Herr Bowers, Donald Trump ist wieder US-Präsident. Bringt er den Märkten solide Renditen oder zunächst einmal mehr Volatilität?
Das ist die große Frage. Die neue Trump-Administration wird eine Reihe von Reformen umsetzen, die man als sehr unternehmensfreundlich und marktfreundlich bezeichnen kann. Denken Sie an niedrigere Steuern, Deregulierung und eine allgemeine geschäftsfördernde Agenda, die sich positiv auf Unternehmen und Wirtschaft auswirken wird. Dies wird Investitionen fördern und Innovationen in den USA vorantreiben. In historischen Studien wurde ein direkter Zusammenhang zwischen geringerer Regulierung und Wirtschaftswachstum festgestellt. Trump wird viele Bundesvorschriften kürzen, um Unternehmensinvestitionen zu fördern. Diese Kombination aus geringerer Regulierung und niedrigeren Steuern sollte dem US-Markt Rückenwind geben.
Trumps „America First“ wird also tatsächlich einige Vorteile für US-Unternehmen bringen?
Zunächst einmal ist das Teil seiner Rhetorik, amerikanische Fertigung und die inländische Produktion anzukurbeln, aber die Realität ist, dass die USA eine Reihe von strukturellen Wettbewerbsvorteilen haben. Niedrige Energiepreise, eine starke, weil junge und wachsende Beschäftigungsbasis. Deregulierung, Reshoring und die Konzentration auf Energieinvestitionen. Das alles ist ziemlich positiv für das Wirtschaftswachstum. Dazu kommt das, was die Leute „animal spirits“ nennen. Einige Wirtschaftsdaten zeigen bereits einen Anstieg des Optimismus der Kleinunternehmen und des Verbrauchervertrauens. Die Menschen blicken positiver in die Zukunft und das wird letztendlich auch den Märkten helfen, weil sie glauben, dass man eine Fabrik bauen kann, dass man investieren kann und dass die Regierung sie dabei unterstützen wird.
Welche Sektoren können besonders von der neuen Präsidentschaft Trumps profitieren?
Ich denke, der Energiesektor ist ein offensichtlicher Nutznießer, allein schon wegen der Höhe der Investitionen, die Trump in die heimische Produktion angekündigt hat, und wegen der Pläne für den weltweiten Export von Flüssigerdgas. Der Industriesektor der USA wird ein weiterer Bereich sein, da der Schwerpunkt auf der Rückverlagerung von Lieferketten und der Steigerung der heimischen Produktion liegt. Dann gibt es noch Investitionen in die Elektrifizierung und Infrastruktur, die in den kommenden Jahren getätigt werden. Dies sind alles Bereiche, die von Trumps Fokus auf „America First“ bei seinen Investitionen profitieren sollten.
Und bei welchen Branchen wären Sie eher vorsichtig?
Bei den alternativen Energien und bei Elektrofahrzeugen werden wir wahrscheinlich nicht das gleiche Wachstum wie in der Vergangenheit sehen. Der Weg zu niedrigeren Emissionen in den USA ist noch nicht zu Ende, aber unter der neuen Trump-Regierung wird er langsamer voranschreiten. Wir sind in diesen Bereichen für 2025 vorsichtig.
Was erwarten Sie, wie es bei den zuletzt sehr starken Technologie- und Big-Tech-Aktien weitergeht?
Technologie ist unsere größte Sektorallokation im Portfolio und wir bleiben sehr positiv in Bezug auf die Aussichten für den Sektor und unser Engagement in der Franklin US Opportunites-Strategie. Dieses ist breit gefächert in den Bereichen Software, Halbleiter und Kommunikation. Wir verfolgen einen diversifizierten Ansatz im Technologiebereich und suchen oft über die Magnificent Seven hinaus nach Anlageideen. Wir mögen weiterhin die Mega-Cap-Technologieunternehmen in den USA, sind uns aber bewusst, dass viele Anleger ein Engagement in vielen der aufstrebenden Marktführer wünschen, die innovativ sind und schnell wachsen.
Aus politischer Sicht hat Donald Trump bereits einige der Initiativen vorgestellt, mit denen er die führende Rolle der USA in der nächsten Technologiegeneration durch Investitionen vorantreiben will. Dazu gehört die Infrastruktur, seien es Rechenzentren (Stargate), Versorgungsunternehmen oder Finanzierungsmöglichkeiten für Start-ups und Innovationen. Trump wird Technologie sehr unterstützen, daher wird Technologie in den kommenden Jahren ein Schwerpunktbereich sein.
Lassen Sie uns noch etwas näher über die Magnificent Seven sprechen. In einer Analyse von Franklin Templeton habe ich gelesen, dass diese Outperformance zu Ende gehen könnte und dass die Mag7 für Sie keine überzeugenden Bewertungen mehr bieten. Können Sie mir das näher erklären?
Zunächst einmal sind das natürlich immer noch unglaublich profitable Unternehmen mit starken Wettbewerbspositionen. Sie haben den Markt deutlich übertroffen, weil sie in den letzten Jahren im großen Stil hohe Gewinne geliefert haben. Ihre robusten Geschäftsmodelle sind so profitabel, dass sie einen enormen Cashflow generieren, der in neue Unternehmungen oder Wachstumsbereiche reinvestiert werden kann. Ein Beispiel sind die großen Investitionen, die in generative KI getätigt werden, um grundlegende Modelle und die Infrastruktur von Rechenzentren zu entwickeln, die diese Technologie der nächsten Generation antreiben.
Aber?
Wir sind der Meinung, dass der Markt größer ist als die Magnificent Seven und dass Investoren einen breiteren Ansatz verfolgen sollten. Sie sollten sich mit Gesundheits-, mit Industrie- und Finanzwerten und mit Technologie befassen, denn letztlich geht es um Diversifizierung und darum, das Beste aus dem US-Markt im Portfolio zu haben. Das ist ein wichtiger Teil des Risikomanagements und der Risikokontrolle. Verstehen Sie mich nicht falsch! Wir sind bei fast allen Magnificent Seven investiert und wir halten sie für großartige Unternehmen, aber wir wollen nicht 50% unseres Vermögens in diesen sieben Unternehmen haben. Wir haben schon im Jahr 2024 gesehen, dass der Markt anfing sich zu verbreitern, als die US-Notenbank die Zinsen gesenkt hat, und wir glauben, dass sich das fortsetzen wird. Einige kleine und mittelgroße Unternehmen haben zuletzt aufgeholt und sehr gut abschnitten. Auch Industriewerte und einige Bereiche des Finanzsektors und bei Unternehmensdienstleistungen waren stark. Sicherlich werden auch die Magnificent Seven weiter hervorragend abschneiden, aber andere Unternehmen genauso gut oder sogar noch besser. Der Markt ist so viel größer und es gibt viele großartige Unternehmen da draußen, bei denen man sich engagieren sollte.
Was sind für Sie die Gründe für diese Verbreiterung und Rotation?
Es gibt einige Katalysatoren, die diese Entwicklung vorantreiben: Die Wirtschaft ist gesund, die Inflation sinkt und die Innenpolitik unterstützt Investitionen in den USA. Die Trump-Regierung konzentriert sich auf kleine und mittlere einheimische Unternehmen und weniger auf internationale globale Unternehmen. Dazu kommt die geringere regulatorische Belastung. Wir glauben, dass wir nach vielen Jahren sehr ruhiger Märkte auch eine Zunahme der Fusions- und Übernahmeaktivitäten sehen werden, die in der Regel kleineren Unternehmen zugutekommen. Dazu kommen die attraktiven Bewertungsniveaus von Unternehmen mit kleiner und mittlerer Marktkapitalisierung im Vergleich zu Unternehmen mit großer Marktkapitalisierung.
Bevor wir über diese anderen Möglichkeiten und Chancen sprechen, was denken Sie, wie sich die Magnificent Seven in diesem Jahr entwickeln werden?
Ich denke, dass wir bei den Magnificent Seven eine größere Streuung sehen werden. Nicht alle werden die gleiche Leistung bringen. Das haben wir schon 2024 gesehen. Einige von ihnen haben den Markt übertroffen, andere nicht. Wir haben eine große Position in Meta und in Amazon, weil wir glauben, dass beide gut positioniert sind, um vom Wachstum und der Rentabilität generativer KI zu profitieren. Kleinere Positionen haben wir auch bei anderen Magnificent Seven wie Nvidia und Microsoft. Das ist aber nicht wirklich eine Entscheidung für die Magnificent Seven als Ganzes, sondern individuell für diese Unternehmen.
Wo sehen Sie denn Chancen abseits der Magnificent Seven? Bleiben Tech und KI der große Markttreiber?
Wir stehen am Anfang einer gewaltigen Innovationsphase, die durch Fortschritte in der künstlichen Intelligenz vorangetrieben wird. Wir haben ähnliche Investitions- und Innovationsphasen beim Cloud Computing, bei Mobilgeräten und beim Wachstum des Internets erlebt. Wir glauben, dass diese Chance ebenso groß sein wird, und das ist es, was die grundlegenden Investitionen in Infrastruktur, Rechenzentren und große Sprachmodelle vorantreibt. Derzeit befinden wir uns in Phase eins der generativen KI. Nach diesem Investitionszeitraum werden KI-Anwendungen entwickelt und veröffentlicht, die Verbraucher und Unternehmen dazu bringen werden, KI generativ auf eine Weise zu nutzen, die ihnen zugutekommt. Ich denke, wir werden KI-Agenten auf den Markt kommen sehen, die Menschen bei der Ausführung von Arbeitslasten unterstützen und zunehmend Teil des täglichen Lebens der Menschen werden. Die jüngsten Ankündigungen zu den Fortschritten von DeepSeek sind aufregend und werden letztlich zu niedrigeren Kosten für künstliche Intelligenz führen. Diese niedrigeren Kosten werden dazu beitragen, die Einführung von KI in vielen Branchen zu beschleunigen.
Auf welche Bereiche setzen Sie konkret?
Wir mögen Halbleiter und Software im Technologiebereich. Wir glauben, dass die Halbleiterindustrie für diese Ausbauphase der KI unglaublich gut positioniert ist. Wir mögen auch ausgewählte Softwareunternehmen, die das Potenzial haben, von KI zu profitieren. Cloud-Anbieter werden wahrscheinlich zu den großen Gewinnern gehören, da sie das Rückgrat für viele dieser Anwendungen bilden. Stromerzeuger sollten gut positioniert sein, denn wir haben bereits gesehen, dass die Nachfrage nach Strom tatsächlich steigt, nicht nur in den USA, sondern weltweit. Und es ist nicht nur die Elektrifizierung von Fahrzeugen, sondern auch die Nachfrage nach Rechenzentren, die den Anstieg des Stromverbrauchs antreibt.
Welche Sektoren abseits von Tech könnte KI besonders voranbringen?
Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass die weltweite Nachfrage und Innovation im Gesundheitswesen enorm ist. Eine wachsende Mittelschicht in Kombination mit einer alternden Bevölkerung weltweit wird das Wachstum der Nachfrage im Gesundheitswesen ankurbeln. Innovationen werden Unternehmen dabei helfen, diese Nachfrage zu decken, und Fortschritte in der Genomik und Datenanalyse werden dazu beitragen, die Arzneimittelforschung zu beschleunigen, neue Therapien zu entwickeln und die Patientenversorgung zu verbessern.
Ein Unternehmen, auf das wir setzen, stellt robotergestützte Operationsplattformen her, die Ärzten bei mikrochirurgischen Eingriffen helfen. Diese Assistenzsysteme und -werkzeuge erzielen bessere Ergebnisse und helfen den Patienten, schneller wieder gesund zu werden.
Worauf setzen Sie noch?
Der dritte Sektor, den ich erwähnen möchte, ist der Industriesektor. Wir werden hier in den USA eine industrielle Renaissance erleben. Investitionen in die Infrastruktur, Versorgungsunternehmen und die Halbleiterindustrie verzeichnen alle ein starkes Wachstum. Wir glauben, dass es im Industriesektor viele positive Entwicklungen geben wird, die Unternehmen und der Wirtschaft durch Rückverlagerung und Elektrifizierung zum Aufschwung verhelfen werden. Die wirtschaftlichen Aussichten für 2025 sind nach wie vor gut.
Und was sehen Sie für Risiken?
Wir konzentrieren uns auf mehrere Risiken. Auf Makroebene achten wir beispielsweise immer auf die Inflation. Trumps Zölle und einige Teile seiner Einwanderungspolitik könnten inflationär sein, und wir werden dies weiterhin beobachten. Abgesehen davon sind wir Bottom-up-Investoren, die sich auf die Details jedes Unternehmens konzentrieren und nach qualitativ hochwertigen Unternehmen suchen, von denen wir glauben, dass sie schneller wachsen werden als der Markt. Beim Wachstum in den USA sehen wir aber eher ein Aufwärtsrisiko als ein Abwärtsrisiko, dass wir also positiv überrascht werden.
Was denken Sie über die Schuldensituation in den USA?
Die sollte man mit einem wachsamen Auge betrachten und verstehen, dass das nicht nachhaltig und kein Weg für immer ist. Wir müssen weniger ausgeben oder schneller wachsen. Wir liegen bei den Schulden aber immer noch unter dem Niveau einiger anderer entwickelter Länder. Ich denke also, es gibt noch Spielraum. Wir befinden uns noch nicht in einer Art Gefahrenzone.
Das Interview führte Tobias Möllers. In voller Länge finden Sie das Gespräch unter www.boersen-zeitung.de.
Zur Person: Grant Bowers ist Senior Vice President und Portfoliomanager bei der Franklin Equity Group. Er ist der leitende Portfoliomanager des Franklin Growth Opportunities Fund, des FTIF Franklin U.S. Opportunities Fund (SICAV) und des FTVIP Franklin Large Cap Growth Fund sowie der damit verbundenen Portfolios. Er ist außerdem Mitglied des U.S. Growth Teams der Franklin Equity Group. Bowers kam 1993 als Analyst für festverzinsliche Wertpapiere zu Franklin Templeton Investments und wechselte 1998 als Analyst zur Franklin Equity Group. Zu seinen früheren Forschungsgebieten gehörten die Branchen Telekommunikation, Medien, Verlagswesen, Transport und Unternehmensdienstleistungen. Bevor er seine derzeitige Position übernahm, war er Leiter des Research-Teams für Telekommunikation und leitender Portfoliomanager des Franklin Global Communications Fund von 2002 bis 2008.
Das Interview führte Tobias Möllers. Das vollständige Interview können Sie auf www.boersen-zeitung.de lesen.