Inverse Zinskurve sorgt für eine steile Spread-Kurve
Kreditwürdig
Inverse Zinskurve sorgt für eine steile Spread-Kurve
Von Thomas Weber*)
Ende Mai hat die EZB ihr 25-jähriges Bestehen gefeiert. In dieser Zeit hat sie viele Krisen bewältigt und dabei den Leitzins 25-mal erhöht und 22-mal gesenkt. Aber erst zum zweiten Mal in der Geschichte der EZB ist das Ergebnis ihrer Politik eine inverse Zinsstrukturkurve, wie aktuell zu beobachten ist. Im Herbst 2022 stiegen die zweijährigen Zinsen über das Niveau der zehnjährigen Swap-Sätze. Seither hat sich der Abstand weiter vergrößert und liegt aktuell bei mehr als 60 Basispunkten (BP). Eine inverse Zinskurve gab es auf Basis von Euro-Zinsswaps zuvor nur im Jahr 2008, als der damalige EZB-Chef Jean-Claude Trichet trotz der beginnenden Finanzkrise wegen einer Inflation von rund 4% die Zinsen erhöhte (nur um sie bald darauf wieder kräftig zu senken).
Eine inverse Zinskurve gilt als Vorbote einer Rezession. Sie tritt meist am Ende einer Expansionsphase auf, wenn die Zentralbank noch gegen die zu hohe Inflation vorgeht und damit die kurzfristigen Zinsen in die Höhe treibt, die langfristigen Renditen aufgrund von reduzierten Inflations- und Wachstumserwartungen aber bereits fallen. Das aktuelle Bild entspricht nicht ganz diesem Muster, da die Inflation, und damit der Zinsanstieg, ihre Ursachen vor allem in den Auswirkungen der Pandemie und des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine hat. Dennoch ist davon auszugehen, dass nach der technischen Rezession der europäischen Wirtschaft in den beiden abgelaufenen Quartalen die Inversion der Zinskurve bald wieder abnehmen sollte. Investoren erhalten bei Corporate Bonds über den Marktzins hinaus eine Kompensation für die Übernahme zusätzlicher Risiken. Diesen Renditeaufschlag gibt es vor allem für das Kredit- bzw. Ausfallrisiko sowie die damit verbundenen Unsicherheiten, aber auch für die typischerweise geringe Liquidität der Anlageklasse. Je länger die Laufzeit einer Unternehmensanleihe ist, desto höher ist in der Regel der Risikoaufschlag (Spread) gegenüber der Referenzkurve (z.B. Swaps). Aufgrund der inversen Swapkurve erhalten Anleger derzeit sowohl für kurze Laufzeiten von 1 bis 3 Jahren als auch für mittlere (5 bis 7 Jahre) und längere Laufzeiten (bis 10 Jahre) bei Corporate Bonds die gleiche Rendite. Der mit zunehmender Laufzeit niedrigere Marktzins wird dabei durch die höheren Risikoaufschläge gerade so ausgeglichen. So liegt die Rendite eines breiten Index für Euro-Unternehmensanleihen über alle Laufzeitsegmente hinweg in dem engen Korridor zwischen 3,9% und 4,0%. Für Investoren, die ihre Anlageentscheidung in erster Linie an der zu erzielenden Rendite ausrichten, gibt es daher aktuell wenig Anreize, in längere Laufzeiten zu investieren, auch da die Zinsvolatilität noch immer verhältnismäßig hoch ist. Zudem gab es bei Geldmarktfonds in den letzten Monaten spürbare Mittelzuflüsse, da die Verzinsung auf Sparkonten nicht mit der Entwicklung an den Märkten mitgehalten hat. Beides hat zu einer hohen Nachfrage nach Unternehmensanleihen geführt.
Angesichts der hohen Nachfrage nach Anleihen mit eher kurzen Laufzeiten haben einige Unternehmen ihre Emissionsstrategie angepasst. Ende Mai begab Bayer eine Anleihe mit Fälligkeit im August 2026 (3,25 Jahre) mit einem Kupon von 4%. Kurz zuvor waren Mercedes-Benz (3 Jahre, Kupon 3,5%) und BMW (3,5 Jahre, Kupon 3,25%) am Markt vorstellig geworden. Seit Jahresbeginn gab es mehr als 50 Benchmark-Unternehmensanleihen in Euro mit Laufzeiten von weniger als 4 Jahren. Mit knapp 17% liegt der Anteil der Emissionen in diesem Laufzeitenband mehr als doppelt so hoch wie im Jahr 2021. Der Anteil von Bonds mit Laufzeiten von 7 bis 10 Jahren ging auf der anderen Seite von knapp 37% auf rund 33% zurück.
Die Folge der hohen Nachfrage nach kurzlaufenden Bonds hat dazu geführt, dass diese „teuer“ wurden. So liegt der Asset-Swap-Spread für Corporate Bonds aus dem Investment Grade im Bereich von 1 bis 3 Jahren derzeit im Durchschnitt bei nur rund 40 BP. Für Laufzeiten von 3 bis 5 Jahren werden Anleihen mit einem Spread von rund 63 BP gehandelt, bei 5 bis 7 und bei 7 bis 10 Jahren sind es 83 BP. Das bedeutet, dass die Spread-Kurve sehr steil geworden ist. Das gilt gleichermaßen für die Ratingkategorien AA, A und BBB. Ein Tausch von Papieren mit 1- bis 3-jähriger Laufzeit in Bonds mit Fälligkeiten in 5 bis 7 Jahren bringt derzeit zwar keinen Renditevorteil (Rendite für beide ca. 4%), dafür steigt der Risikoaufschlag gegenüber der Swap-Kurve allerdings um rund 43 BP. Zum Vergleich: Anfang 2022 wurde ein solcher Tausch mit einem nur rund 17 BP höheren Spread belohnt.
Zinsgipfel bald erreicht
Wer im Niedrigzinsumfeld auf langlaufende Anleihen gesetzt hat, wurde 2022 von der geldpolitischen Wende auf dem falschen Fuß erwischt. Der durch den Zinsanstieg ausgelöste Kursverlust betrug bei Unternehmensanleihen mit Laufzeiten von 7 bis 10 Jahren satte 20%. Im Bereich 1 bis 3 Jahre stand hingegen nur ein Verlust von 5% zu Buche. Zudem waren die letzten Monate von einer hohen Zinsvolatilität geprägt, was auf die Unsicherheit der weiteren Inflationsentwicklung zurückzuführen ist. Verständlich also, dass viele Anleger beim Thema Duration zuletzt vorsichtig waren. Jetzt, wo ein Rückgang der Teuerungsrate sichtbar wird, könnte sich ein Strategiewechsel aber lohnen. Bei möglicherweise bald wieder fallenden Renditen und einer Normalisierung der Zinskurve werden Corporate Bonds mit Laufzeiten von 5 bis 7 Jahren aus unserer Sicht wieder interessant. Ähnlich scheinen das institutionelle Investoren zu sehen. Bei der jüngsten Triple-Tranche-Transaktion von Bayer war das Orderbuch für die zehnjährige Tranche mit 5,8 Mrd. Euro deutlich größer als für die Anleihe mit sechsjähriger Laufzeit (3,6 Mrd. Euro) und den Bond mit Fälligkeit im Jahr 2026 (2,4 Mrd. Euro). Die steigende Bereitschaft, wieder in längere Laufzeiten zu investieren, spiegelt zum einen die Erwartung wider, dass die schlimmsten Auswirkungen der Energiekrise bereits hinter uns liegen, wodurch der Inflationsdruck nachlässt und sich die Konjunktur stabilisiert. Zum anderen zeigt es, dass Anleger mit einem baldigen Ende der Zinserhöhungen durch die Notenbanken rechnen. Und was die Statistik der EZB angeht, stehen die Chancen gut, dass EZB-Chefin Christine Lagarde bis zum Ende ihrer Amtszeit 2027, anders als ihr Vorgänger Mario Draghi, sowohl Zinserhöhungen als auch Zinssenkungen hat verkünden können.
*) Thomas Weber ist Leiter Corporate Bond Research bei der DZ Bank.