SERIE: NACH DEM KLIMAGIPFEL IN PARIS (2)

Investoren müssen umdenken

Mehr verpflichtende Regularien für klimabezogene Themen - Folgen für institutionelles Anlageverhalten

Investoren müssen umdenken

Klimaschutz gilt am Kapitalmarkt als “weiches” Thema, vor allem als Etikett für entsprechende Anlageprodukte. Nun befassen sich Aufseher und Gesetzgeber damit, die Vorgaben zu verschärfen. Ein Ziel ist es, die Entscheidungen von Investoren zu beeinflussen.Von Dietegen Müller, FrankfurtSie rollt still, aber gewinnt an Stärke – die Regulierung von kapitalmarktbezogenen Umweltrisiken. Aufseher, Verbände und Gesetzgeber verlangen hier mehr Transparenz, damit solche nichtfinanziellen Aspekte eine wichtigere Rolle in der Meinungsbildung unter Investoren und ihren Anlageentscheidungen spielen.Der Trend ist global. Nach freiwilligen Initiativen werden verbindliche Rechtsvorschriften eingeführt, die eine Offenlegung von ökologischen, gesellschaftlichen und Governance-Daten (ESG) von institutionellen Anlegern, vor allem Pensionsfonds und Direktversicherern, verlangen. In Frankreich etwa müssen alle Eigentümer von Vermögenswerten ihren “Carbon Footprint” offenlegen.Auch in Deutschland finden Klimarisiken mehr Beachtung. Mitte März hat das Justizministerium den Referentenentwurf des “Gesetzes zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung” vorgelegt. Künftig sollen auch “Leistungsindikatoren” zu Umweltbelangen im Lagebericht eines Unternehmens nachzulesen sein. Eine entsprechende Direktive der EU wurde bereits im Dezember 2014 beschlossen, mit zweijähriger Frist für die nationale Umsetzung.Der Pariser Klimagipfel von vergangenem Dezember scheint dabei eine Art Katalysatorfunktion für eine weitergehende Regulierungsrunde zu haben. Die Bundesfinanzaufsicht (BaFin) erklärt dazu auf Anfrage, sie habe eine Arbeitsgruppe eingerichtet und “baue Expertise” auf. Die United Nations Environment Programme Finance Initiative (Unepfi) fordert von der BaFin, “ethische, soziale und umweltschutzbezogene Belange in der Allokation von Pensionszusagen” anzusprechen und einen jährlichen Bericht vorzulegen, inwieweit diese Verpflichtungen die Anlagebeschlüsse beeinflusst haben und welche Erfolge – auch performancebezogen – damit erzielt wurden. Gerade erst begonnenDie Bundesbank teilt auf Anfrage mit, die Auseinandersetzung mit Fragen zum Einfluss von Klimarisiken auf die Finanzstabilität habe “gerade erst begonnen”. Eine Sprecherin begrüßte die Einrichtung einer Task Force, die sich mit der Entwicklung geeigneter Definitionen und Indikatoren befasst, die helfen könnten, “informierte Entscheidungen von Anlegern zu erleichtern und so mögliche systemische Wirkungen des Klimawandels tendenziell zu verringern”, wie sie ergänzte.Die Universität Cambridge hatte 2014 in einer Untersuchung erklärt, “systemische Umweltrisiken” seien ein “blinder Fleck” der Bankaufseher. Die Bankenaufsicht und die Zentralbanken von Brasilien und China haben aber bereits 2014 und 2011 Neuland betreten. Sie verlangen seither von ihren Finanzinstituten, die Anfälligkeit gegenüber Umweltschäden – soziale genauso wie die Verschmutzung der Natur – einzuschätzen, als Teil eines internationalen Prozesses, der die adäquate Kapitalausstattung prüfen soll (ICAAP).Eine regulatorische Lücke schließen soll nun die im vergangenen Dezember angekündigte “Task Force on Climate-related Financial Disclosures” (TCFD) des Financial Stability Board (siehe Kasten). Die Arbeitsgruppe soll bis Ende 2016 Empfehlungen für eine “konsistente, vergleichbare, zuverlässige, klare und effiziente” Offenlegung klimabezogener Risiken erarbeiten. Dies soll “Finanzmarktteilnehmern helfen, klimabezogene Risiken besser zu erfassen und zu managen”. Zentral ist dabei die Standardisierung, Erfassung und Nutzung von Daten. Nicht ohne Grund wird die Arbeitsgruppe vom Gründer des Finanzdatendienstleisters Bloomberg, Michael Bloomberg, geleitet. Veränderte TitelauswahlPierin Menzli, der das Sustainable Investment Research bei der Schweizer Bank J. Safra Sarasin verantwortet, meint, an der Pariser Klimakonferenz im Dezember sei “eine wegweisende Vereinbarung” beschlossen worden, die das Risikomanagement von Unternehmen und Finanzdienstleistern hinsichtlich des Klimawandels “maßgeblich verändern” wird. Diese Entwicklung “biete die Möglichkeit, Nachhaltigkeitsaspekte direkt in die Titelauswahl und Bewertungsmodelle einfließen zu lassen”, sagt Menzli. Er sieht “neue Herausforderungen hinsichtlich der Kommunikation von konsolidierten ESG-Merkmalen von Kundenportfolios sowie einzelner Aktientitel”.Ein Streitpunkt ist, wie standardisiert die dafür zu verwendenden Grundlagen sein sollen. Stephen Haddrill, CEO des britischen Financial Reporting Council, sagte auf einer Veranstaltung des Climate Disclosure Standards Board (CDSB) im Januar, dass solche Standards den gegenteiligen Effekt haben und Innovationen bremsen könnten. Eine Initiative des United Nations Environment Programme (Unep) schlägt etwa Offenlegungsstandards vor, die nach Assetklassen differenziert sind.Eine treibende Rolle spielen auch die Börsenbetreiber, die sich der Sustainable Stock Exchanges Initiative (SSE) angeschlossen haben. In Singapur verpflichtet die Börse in Kooperation mit dem Climate Disclosure Standards Board die an ihr gelisteten Unternehmen, Treibhausemissionen transparent zu machen. Zur SSE gehören auch verschiedene andere Börsenbetreiber, wie Deutsche Börse, Euronext, Nasdaq Nordic, New York Stock Exchange oder London Stock Exchange, bis hin zu exotischeren Marktplätzen wie Kairo, Nairobi oder Jamaica.—-Bisher erschienen:- Neue treuhänderische Pflichten (18. März)