Hong Kong Exchanges

IPO-Misere macht Börse zur verwelkten Schönheit

Der Finanzplatz Hongkong büßt zusehends an Zugkraft ein. Der Börsenbetreiber HKEX leidet unter schwachem Handelsaufkommen und einem Austrocknen des Geschäfts mit Initial Public Offering (IPO). Man hofft auf bessere Zeiten, die allerdings nur von Entwicklungen auf dem Festland eingeleitet werden können.

IPO-Misere macht Börse zur verwelkten Schönheit

Serie – Börsenbetreiber im Beauty Contest: Hong Kong Exchanges (Teil 5)

IPO-Misere macht Börse zur verwelkten Schönheit

Hongkong sucht verzweifelt Anschluss an glorreiche Zeiten – Dauerbaisse lähmt das Sentiment – Pekinger Schützenhilfe als Hoffnungswert

Der Finanzplatz Hongkong büßt zusehends an Zugkraft ein. Der Börsenbetreiber HKEX leidet unter schwachem Handelsaufkommen und einem Austrocknen des Geschäfts mit Initial Public Offerings (IPO). Man hofft auf bessere Zeiten, die allerdings nur von Entwicklungen auf dem Festland eingeleitet werden können.

Von Norbert Hellmann, Schanghai

Zuletzt erschienen: Wie die Euronext-Börsen Wachstumswerte umgarnen (8. August) New Yorks Börsen ringen mit neuer Konkurrenz (1. August)

Am Finanzplatz Hongkong herrschen magere Zeiten und das nicht erst seit diesem Jahr. Neben der Pandemie haben beträchtliche politischen Umwälzungen, mit denen Peking die Freiheiten und Besonderheiten der chinesischen Sonderverwaltungszone zusehends erstickt, der für Offenheit gerühmte Hongkonger Finanzszene schwer zugesetzt. Einen deutlichen Niederschlag findet das im seit 2021 zusehends erlahmten Aktienkapitalmarktgeschäft. Damit droht der Börsenbetreiber Hong Kong Exchanges & Clearing (HKEX) seine Sonderstellung als IPO-Magnet zu verlieren.

Warten auf die Renaissance

Für den Top-Job bei der HKEX braucht es die Fähigkeit zum zweckoptimistischen Balanceakt mit der geeigneten Mischung von tapferen Durchhalteparolen und Hoffnungswerten. Dazu gehört die Grundannahme, dass die Renaissance im IPO-Geschäft trotz Chinas schleppender Konjunktur und schwachem Börsenklima unausweichlich ist und nicht mehr lange auf sich warten lässt. Eher vage Hoffnungen knüpfen an eine „erweiterte Partizipation an der Internationalisierung des Yuan“ und eine „Stärkung des globalen Profils“ durch Kooperationen mit Finanzplätzen in den Golfstaaten. Hinzu kommt eine stark gehypte aber trostlos angelaufene Initiative, um Hongkong als asiatisches Drehkreuz für seriösen Handel mit Krypto-Produkten zu etablieren.

Daueroptimismus

Bonnie Chang ist als Nachfolgerin des Investmentbankers Nicolas Aguzin Anfang März im Frühjahr in die Rolle der Vorzeigeoptimistin gerückt. Sie tingelt von einem Investor-Forum zum nächsten mit der Botschaft, dass ein neuer Schwapp von Listing-Anträgen chinesischer Börsenanwärter großes bevorstehen lässt. Auch sollen Lockerungen des Regelwerks, wie die Zulassung von noch umsatzlosen Tech-Firmen zum Börsengang, Wirkung zeigen.

Pralle Pipeline nützt nicht

Die Message von der stets prallvollen IPO-Pipeline hat man auch in den Aguzin-Jahren stets vernehmen können, ohne dass daraus zählbare Erfolge entstanden sind. Es gibt eine erhebliche Diskrepanz zwischen Listing-Ankündigungen und tatsächlichen Börsenauftritten chinesischer Firmen. Bis auf weiteres gilt, dass der Aktienkapitalmarkt als Herzstück der Hongkonger Finanzmarktaktivität von einer Zurückhaltung geprägt ist, wie man sie jenseits von Finanzkrisen noch nie erlebt hat.

Erstmals hinter Indien

Im vergangen Jahr stellte sich das IPO-Geschäft trotz der Hoffnungen, die man sich nach Chinas Ausstieg aus der Null-Covid-Politik machen durfte, besonders lethargisch dar. Bei einer Kapitalaufnahme von 6 Mrd. Dollar, die aus überwiegend kleinen Transaktionen zusammengekratzt wurde, landete man gerade noch unter den ersten zehn Handelszentren im globalen IPO-Ranking. Erstmals aber wurde man von Indien überholt, aus chinesischer Sicht eine tiefe Schmach.

Glorreiche Vergangenheit

Für die erste Jahreshälfte 2024 fällt die Bilanz noch unbarmherziger aus. Man verzeichnet 1,5 Mrd. Dollar, eine Schrumpfung von einem Drittel zur bereits denkbar schwachen Vorjahresperiode. Das bedeutet einen weiteren Abstieg auf gegenwärtig Rang 13. Früher war man indes Top-Plätze in der Hitparade gewöhnt. Zwischen 2010 und 2019 lag die HKEX im vielbeachteten globalen IPO-Ranking siebenmal auf dem Spitzenrang und teilweise weit vor New York Stocke Exchange und Nasdaq. Zuletzt war dies noch 2018 und 2019 der Fall. Auch 2020 kam man trotz des Pandemieausbruchs in China auf den zweiten Platz. Seitdem scheint der Stecker irgendwie gezogen.

Getrübtes Sentiment

Der Hongkonger Aktienmarkt ist wie auch die Börsen in Schanghai und Shenzhen von 2021 an in eine langgestreckte Baisse mit negativer Performance in drei aufeinanderfolgenden Jahren übergegangen. Konjunktursorgen und Enttäuschung über Pekings wirtschaftspolitische Weichenstellungen prägen das Sentiment. Wohl und Wehe an der HKEX sind aber nicht nur von China-Konjunktur, sondern auch von den Dispositionen der Regulatoren auf dem Festland wesentlich mitbestimmt. In diesem Jahr wurde Sand ins Getriebe gestreut, weil eine massive Stützungsoffensive für die Festlandbörsen Nebenwirkungen erzeugt, die Hongkongs Hoffnungen auf eine Renaissance des IPO-Geschäfts weiter verdüstern.

Emissionsbremse

Die im Februar lancierte Kampagne geht nicht nur mit Restriktionen für Short-Selling und Programmhandel, sondern auch mit einer Quasi-Sperre für IPO einher. Letzteres gilt auf dem Festland als probates Mittel, um die Sekundärmarktliquidität zu schonen. Experten vermuten, dass die Emissionsbremse noch über zwei Jahre hinweg anhalten könnte. Schwache Aussichten für einen Börsen-Exit bedeuten einen weiteren Dämpfer für die bereits stark verkümmerte Venture-Capital-Szene und Private-Equity-Aktivitäten in China. Damit übertragen sich die regulatorischen Eingriffe auch auf das Hongkonger Geschäft, das vom Zulauf chinesischer Firmen abhängt.

Botox-Spritze

Zur Aprilmitte gab es ein großes Hurra, als Chinas Wertpapieraufsicht plötzlich wissen ließ, dass man den IPO-Markt in Hongkong künftig „unterstützen“ wolle. Wie genau ist allerdings nicht bekannt. Zunächst sah man eine Jubelreaktion, die den Leitindex Hang Seng Index um 9% anspringen ließ und zum kräftigsten Wochengewinn seit 2011 verhalf. Parallel dazu raste der Aktienkurs der HKEX um 17% in die Höhe. Die Begeisterung ist längst verflogen. Der Hang Seng liegt wieder 14% unter seinem Jahreshoch und die HKEX-Aktie hat sich fast 25% vom Kursgipfel entfernt. Die Anleger scheinen von der Wirkungskraft einer Pekinger Schützenhilfe bis auf weiteres noch nicht sonderlich überzeugt zu sein.

Von Norbert Hellmann, Shanghai
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