Iran-Sanktionen treiben Ölpreis an

Marke von 80 Dollar für Brent dürfte bald fallen - Preis von mehr als 100 Dollar denkbar

Iran-Sanktionen treiben Ölpreis an

Der Brent-Ölpreis erreichte am Dienstag beinahe ein Niveau von 80 Dollar. Diese Marke dürfte bald erreicht werden, da insbesondere die neuen US-Sanktionen gegen den Iran für eine Verknappung des Ölangebots sorgen werden. Bei den Sanktionen der Jahre 2012 bis 2015 gab es sogar Ölpreise von mehr als 100 Dollar.Von Dieter Kuckelkorn, FrankfurtSeit Mitte August hat der Brent-Ölpreis deutlich zugelegt. Ausgehend von 71 Dollar je Barrel am 15. August erreichte er am Dienstag dieser Woche beinahe die vielbeachtete Marke von 80 Dollar. Bis auf 79,72 Dollar rückte er vor. Für den jüngsten Preisschub ist als sehr kurzfristiger Einflussfaktor auch der Hurrikan “Gordon” verantwortlich zu machen. Zeitweilig war nicht auszuschließen, dass die US-Ölförderung im Golf von Mexiko mit Blick auf den Sturm deutlich zurückgefahren werden müsste. Inzwischen hat sich der Sturm abgeschwächt, und die Auswirkungen für die Ölindustrie sind geringer als befürchtet. Dementsprechend bildete sich der Brent-Ölpreis zeitweilig am Mittwoch bis auf 77,05 Dollar zurück.Allerdings ist davon auszugehen, dass es sich nur um eine kleine Verschnaufpause beim aktuellen Anstieg des Ölpreises handelt. Viele Analysten rechnen damit, dass der Ölpreis die Marke von 80 Dollar bald erreichen und überschreiten wird.Der Grund dafür liegt auf der Angebotsseite. Die Förderung der Opec liegt derzeit, wie das Kartell selbst festgestellt hat, unter den von ihr festgelegten Quoten, denen sich auch befreundete Länder wie Russland unterworfen haben. Ab November könnte sich die Lage noch deutlich verschärfen, wenn die amerikanischen Sanktionen auf iranisches Rohöl in Kraft treten. Derzeit sieht es danach aus, dass die Maßnahmen der US-Regierung, die sich gegen die Abnehmer von iranischem Öl richten, sehr effektiv sein werden. Sie sind auch deutlich härter als die Sanktionen, die zwischen 2012 und 2015 die damalige Obama-Administration verhängt hatte. Damals hatte es Ausnahmegenehmigungen der amerikanischen Seite für Länder wie Indien, Südkorea und Japan gegeben, die traditionelle Abnehmer iranischen Öls sind. Diesmal hat die Trump-Administration es abgelehnt, für diese Länder Ausnahmen zu machen. So fährt Japan beispielsweise den Import iranischen Öls bereits stark zurück, auch aus Indien gibt es entsprechende Signale. Selbst China als ein wichtiger Abnehmer iranischen Öls könnte die Mengen kürzen, um die amerikanische Seite mit Blick auf den Handelsstreit nicht noch stärker zu verärgern. Zwar will sich die Europäische Union den Sanktionen ausdrücklich nicht anschließen. Diese politische Deklaration hat aber praktisch keine Wirkung, da sich die Konzerne, die mit dem Iran Geschäfte gemacht haben, bei Fortsetzung dieser Kontakte drastischen US-Sanktionen ausgesetzt sehen. Dramatische EntwicklungNach Einschätzung von Eugen Weinberg, Rohstoffanalyst der Commerzbank, wird der Rückgang der iranischen Ölexporte bei mindestens 1 bis 1,5 Mill. Barrel pro Tag (bpd) liegen. ” Das ist durchaus dramatisch, weil es so am Markt noch nicht eingepreist ist”, betont er. Derzeit werde am Markt von einem Rückgang der Ölausfuhren des Iran von nur rund 1 Mill. bpd ausgegangen. Jan Edelmann, Rohstoffanalyst der HSH Nordbank, erwartet, dass die Einbußen zeitweilig bis zu 2 Mill. bpd ausmachen werden. Unbeeinflusst von Sanktionen habe der Iran bis zu 2,7 Mill. bpd exportiert. “Während der Sanktionen unter US-Präsident Obama exportierte der Iran zeitweise lediglich 700 000 bpd”, erläutert er.Was dies nun für den Ölpreis bedeute, hänge von mehreren Faktoren ab, so Weinberg. “Unter anderem stellt sich die Frage, ob die Opec bereit ist, für die Rückgänge des Iran einzuspringen und ihre Gesamtproduktion auszuweiten”, erläutert er. Seine Prognose für den Brent-Ölpreis zum Jahresende steht derzeit bei 70 Dollar, wobei er dabei allerdings voraussetzt, dass die Opec ihre Produktion entsprechend steigert. Er weist aber darauf hin, dass der Ölpreis während der Gültigkeit der vorherigen Sanktionen in den Jahren 2012 bis 2015 zeitweilig 100 Dollar und mehr betragen hatte. Edelmann sagt für das vierte Quartal einen durchschnittlichen Ölpreis von 80 Dollar voraus, wobei zwischenzeitlich auch höhere Preise von etwa 85 bis 90 Dollar möglich sein dürften. Für die ersten drei Monate 2019 erwartet er eine leichte Abschwächung auf 77 Dollar.Was die Nachfrageseite des Ölmarkts betrifft, so weist Edelmann auf eine leichte Abschwächung hin – aber ausgehend von einem hohen Niveau. Noch sei nicht klar, ob es sich um eine konjunkturelle Delle handele oder um den Beginn eines Abschwungs. Nach Einschätzung von Weinberg ist die Ölnachfrage weitgehend unabhängig vom Ölpreis. Die USA seien das mit Abstand wichtigste Nachfragerland. Dort hätten sich zuletzt Frühindikatoren wie die Einkaufsmanagerindizes sehr gut entwickelt.Es ist auch nicht zu erwarten, dass der Produktionsanstieg bei US-Schieferöl noch deutlich stärker ausfallen könnte als derzeit. Nach Einschätzung von Edelmann gibt es insbesondere in der Lagerstätte Permian Basin Engpässe bei den Pipeline-Kapazitäten. Er sieht die Obergrenze bei einem jährlichen Anstieg der Schieferölproduktion von 1,3 Mill. bpd.Bleibt noch die Frage der politischen Beeinflussung des Ölpreises. So meldete jetzt die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf Opec-Quellen, Saudi-Arabien als wichtigster Opec-Produzent strebe einen Ölpreis zwischen 70 und 80 Dollar an. Das scheint aber nur zeitweilig zu gelten. Man wolle den Ölpreis bis zu den Wahlen zum US-Kongress deckeln, heißt es. Diese finden aber bereits am 6. November statt, was ziemlich genau mit dem Start der US-Sanktionen am 4. November zusammenfällt. Ob das Versprechen der Mäßigung auch danach noch gilt, lässt sich derzeit nur schwer abschätzen.