Technische AnalyseAktienmarkt

Ist das schon das Sommerloch, oder kann das weg?

Die Saisonalität spricht derzeit für einen weiterhin freundlichen Markt. Dies kann aber auch dazu führen, dass der Dax lediglich einen neuen zaghaften Versuch eines Ausbruchs macht und dann der Spätsommerblues mit Kursrückgängen zuschlägt.

Ist das schon das Sommerloch, oder kann das weg?

Technische Analyse

Ist das schon das Sommerloch, oder kann das weg?

Von Christoph Geyer*)

Es ist in den letzten Jahren viel über das berühmte Sommerloch oder einfach nur den Börsenspruch „sell in may and go away“ geschrieben, gesprochen und auch diskutiert worden. Die unterschiedlichen Meinungen dazu sind meist berechtigt und jeder kann seine Argumente bestens vertreten. Statistiken sowie neutrale Auswertungen haben gezeigt, dass ein Verkauf des Dax-Index Anfang Mai nur für die darauffolgenden drei Wochen tendenziell sinnvoll war. Dies hat sich allerdings nur auf sehr lange Frist bewahrheitet. In den letzten zehn Jahren wurde nämlich in diesem Zeitraum in acht Jahren ein Gewinn generiert.

Hätte man allerdings die Position von Anfang Mai bis Mitte August gehalten, wäre die andere, gerne zitierte Börsenregel zum Tragen gekommen: „Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, ändert sich die Börse oder sie bleibt wie sie ist.“ Damit soll gesagt sein, dass die positiven Jahre in dieser Phase sich die Waage mit den negativen Jahren halten. Die viel wichtigere Zeit im Jahr stellt sich von Mitte August bis Ende September dar. Hier ist der deutsche Aktienmarkt nämlich in 41 der letzten 63 Jahre zum Teil empfindlich gefallen.

Von einem Sommerloch, kann also, wenn überhaupt, erst ab dem Spätsommer die Rede sein. Natürlich werden Kritiker nun zu Recht sagen, dass ein Sommerloch auch dann gegeben ist, wenn sich die Märkte mit geringen Umsätzen nicht von der Stelle bewegen. Genau dieses Verhalten ist beim Dax nun schon seit Anfang April zu beobachten. Auch wenn sich eine kleine Aufwärtstendenz entwickelt hat, kann diese unter technischen Aspekten nicht als übergeordneter Aufwärtstrend bezeichnet werden.

Treten auf der Stelle

Es ist technisch betrachtet ein Treten auf der Stelle und es ist deutlich spürbar, dass die Anleger zwischen zwei Gefühlswelten hin- und hergerissen sind. Zum einen herrscht die Angst vor, der Markt könnte durch externe Ereignisse in die Knie gehen, was bei einem Rekordniveau, auf dem wir uns nach wie vor bewegen, nicht unwahrscheinlich ist. Zum anderen wollen viele Händler auch dabei sein, wenn es doch einen Ausbruch nach oben gibt. Diesen Zug zu verpassen, ist für manche ähnlich schmerzhaft, wie einen Verlust zu erleiden.

Auch das Thema Indikatoren wird immer wieder diskutiert. Die einen behaupten, wer mit Indikatoren arbeitet, sei ein Anfänger und habe keine Ahnung von der Börse. Andere stellen richtigerweise fest, dass Indikatoren Ableitungen aus den Kursverläufen sind, die bei richtiger Anwendung und Interpretation hilfreiche Ratgeber sein können. Wenn man Indikatoren falsch anwendet, kommt sehr schnell die erste Aussage zum Tragen, da man zwangsläufig von den Ergebnissen enttäuscht sein muss. Die Indikatorenlage beim Dax stellt sich derzeit so dar, dass hier kaum eine Hilfe für die Aussage zum Markt zu erwarten ist, da viele dieser Werkzeuge derzeit im neutralen Bereich notieren.

Seit Oktober im Aufwärtstrend

Seit Oktober 2022 befindet sich der Dax nun in einem Aufwärtstrend, der von Monat zu Monat an Dynamik verloren hat. Dies ist ein anderes Bild, als es derzeit die US-Märkte zeigen. Hier hat die Aufwärtsdynamik zuletzt zugenommen und es wurden auch einige Widerstände überwunden. Nun kann man den Dax nicht ohne Weiteres mit den US-Märkten vergleichen, handelt es sich bei dem Index doch um einen Perfomance-Index. Hier werden die Dividenden der einzelnen Indexkomponenten rechnerisch in die Aktien reinvestiert, was zu einem stetigen Zufluss an Geldern führt. Bei den US-Indizes, wie dem Dow Jones, ist dies nicht der Fall. Hier werden die Dividenden abgeschlagen und müssen daher durch Kursgewinne wieder aufgeholt werden, da es kein Reinvestment gibt. Entsprechend sind die US-Indizes noch ein ganzes Stück von den Rekordhochs entfernt. Während beim Dax das letzte Rekordhoch, wenn auch nur intraday, vor wenigen Wochen erreicht wurde, muss man in den USA bis Anfang 2022 zurückblicken, um ein Rekordhoch zu finden. Was ist nun also konkret vom Dax in den kommenden Wochen zu erwarten? Die Saison der Dividendenzahlungen neigt sich dem Ende zu und eine Outperformance gegenüber den US-Märkten dürfte zumindest aus diesem Grund nicht mehr gegeben sein. Der Bereich um 16.000 Punkte hat sich inzwischen als eine nicht zu unterschätzende Widerstandszone erwiesen. Der kurze Ausflug auf das neue Rekordhoch hat das oben beschriebene Spannungsfeld der Marktteilnehmer deutlich gemacht.

Man wollte zwar dabei sein, wenn nachhaltig neue Rekorde generiert werden, war aber auch sehr schnell bereit, Gewinn mitzunehmen, als es wieder nach unten ging. So hat sich der Dax jetzt um die 16.000er-Marke eingerichtet und wartet auf neue Impulse, in welche Richtung es denn gehen könnte. Die schon angesprochene Saisonalität spricht derzeit für einen weiterhin freundlichen Markt. Dies kann aber auch dazu führen, dass lediglich ein neuer zaghafter Versuch eines Ausbruchs gemacht wird und dann der Spätsommerblues mit Kursrückgängen zuschlägt.

*) Christoph Geyer ist freier technischer Analyst der VTAD e.V.

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