Italexit bereitet Bondakteuren Sorgen

DZ Bank: Kollaps hätte verheerende Auswirkungen - Anleiherenditen spürbar gestiegen - Banken im Blick

Italexit bereitet Bondakteuren Sorgen

Italien hält die Märkte auf Trab. Die Renditen der Italien-Bonds sind deutlich angestiegen. Marktakteure befürchten ein erneutes Aufflammen der Euro-Schuldenkrise. Analyst Daniel Lenz von der DZ Bank zeigt auf, was ein Italexit für Folgen haben könnte.kjo Frankfurt – Angesichts der hohen politischen Unsicherheit in Italien kehren Investoren in Scharen italienischen Staatsanleihen den Rücken. Nach dem Motto “Rette sich, wer kann” stieg die zweijährige italienische Staatsanleiherendite schon innerhalb eines Handelstages um bis zu 150 Basispunkte. Der starke Renditeanstieg, der mit einer zunehmenden Verflachung der Renditestrukturkurve einherging, gilt am Markt als klares Indiz einer sich verschärfenden Marktkrise. “Das steigende Renditeniveau führt zwar zu höheren Refinanzierungskosten für Italien, angesichts einer Duration des gesamten Staatsanleiheportfolios von etwa 6,7 Jahren halten sich die Mehrkosten kurzfristig jedoch in Grenzen. Das jährliche Refinanzierungsvolumen italienischer Bonds liegt bei etwa 235 Mrd. Euro. Steigen die Risikoaufschläge über die gesamte Kurve um 100 Basispunkte, betragen die jährlichen Mehrkosten zunächst 2,4 Mrd. Euro oder 0,1 % des Bruttoinlandsproduktes pro Jahr”, sagt Daniel Lenz, Staatsanleiheanalyst bei der DZ Bank, der Börsen-Zeitung. Nur wenn die Renditen stark und über einen langen Zeitraum (mehrere Jahre) auf dem hohen Niveau verbleiben, seien die fiskalischen Negativfolgen beträchtlich und damit für die Schuldentragfähigkeit des Landes entscheidend. Liquiditätsverknappung drohtWährend das Problem steigender Renditen aus Sicht des italienischen Staates kurzfristig weniger schlagend sei, dürfte sich die größte Sorge der Investoren auf die anstehenden Bondemissionen richten. “Sind Anleger ab einem gewissen Punkt nicht mehr bereit, selbst bei extrem hohen Renditen Anleihen zu zeichnen, fehlen Einnahmen aus diesen Auktionen, um die auslaufenden Bonds gegenzufinanzieren. Das Ergebnis ist eine drohende Liquiditätsverknappung, die im ungünstigsten Fall in eine Zahlungsunfähigkeit münden kann. Da Anleger um diesen Mechanismus wissen, ist die Gefahr erst recht hoch, dass die Käufer am Primärmarkt in einen Streik treten”, führt der Experte aus. Allerdings sei die Gruppe der Käufer italienischer Staatsanleihen (BTP) alles andere als homogen, und mit EZB gebe es am Sekundärmarkt einen festen Nachfrager. Das Refinanzierungsvolumen auslaufender Bonds betrage bis Jahresende etwa 136,1 Mrd. Euro. EZB und Banca d’Italia seien zwar nicht direkt am Primärmarkt aktiv, faktisch würden sie aber das Nachfrageverhalten auch am Primärmarkt beeinflussen, weil Investoren wissen, dass sie die Bonds in kurzer zeitlicher Folge zur Auktion an EZB/Banca d’Italia weiterverkaufen können. Das erwartete Kaufvolumen der beiden Notenbanken im Rahmen des Anleihekaufprogramms betrage bis Jahresende unter der Annahme, dass das Programm mit reduziertem Volumen bis Ende 2018 fortgesetzt werde, etwa 31,1 Mrd. Euro, wobei 18,4 Mrd. Euro auf die Bond-Neukäufe und rund 12,7 Mrd. Euro auf die Wiederanlage auslaufender Bond-Engagements entfallen. Zwar könnten EZB/Banca d’Italia auch andere Bonds am Sekundärmarkt kaufen, in einer verschärften Krise dürften die Notenbanken ihre Nachfrage aber vor allem auf Neuemissionen konzentrieren wollen, um einer Eskalation der Lage entgegenzuwirken, so die Ansicht von Lenz.Eine weitere vermutlich eher treue Käuferschaft von BTPs dürften laut Lenz die inländischen Geschäftsbanken sein. Der Anteil an BTP, den die inländischen Banken halten, betrage auf Basis aktueller Zahlen 17,4 %. “Legen wir den Anteil für Geschäftsbanken auch bei den BTP-Auktionen zugrunde, könnten die Banken bis Ende 2018 Bonds mit einem Volumen von 23,7 Mrd. Euro abnehmen. Ziehen wir die Käufe von Noten- und inländischen Geschäftsbanken ab, summiert sich der restliche Finanzierungsbedarf auslaufender Bonds auf 81,4 Mrd. Euro in nur sieben Monaten. Andere Käufer wie Versicherungen, Fondsgesellschaften und ausländische Anleger dürften sich in einer verschärften Krise hingegen in Zurückhaltung üben. Sollten sogar die inländischen Geschäftsbanken als Käufer der Bonds ausfallen, womit zunächst nicht zu rechnen wäre, läge die Finanzierungslücke bis zum Jahresende sogar bei 105,1 Mrd. Euro”, rechnet Lenz vor.Es stelle sich die Frage, welche Optionen Italien hätte, diese Liquiditätslücke zu überbrücken? “Ein naheliegender Versuch könnte darin bestehen, mehr Geldmarktpapiere zu begeben. Diese würden vor allem von inländischen Banken gezeichnet, die fällige Geldmarkttitel jeweils in einen neuen Kontrakt rollen. Die Mechanismen seien andere als am Anleihemarkt. Das Beispiel Griechenland zeige, dass ein Bill-Markt auch im Fall eines Zahlungsausfalls der Anleihen in der Regel weiter funktioniert und von einem solchen Zahlungsausfall nicht betroffen sei. Damit haben Banken im Zweifel ein höheres Vertrauen in die Sicherheit von Bills als von Anleihen. Gibt es mehr Bills?”Da der Anteil der Bills am gesamten Portfolio der Verbindlichkeiten von über 10 % im Jahr 2008 auf zuletzt unter 6 % gefallen ist, könnte Italien versuchen, hier zusätzliche Einnahmen zu generieren. Eine Erhöhung des Bill-Volumens, das derzeit 112,9 Mrd. Euro beträgt, um 10 % würde dem Staat zusätzliche Einnahmen von 11,3 Mrd. Euro bescheren. Fraglich ist allerdings, ob die italienischen Banken, vor allem die privatwirtschaftlichen, zu diesem Schritt bereit wären”, sagt Lenz. Da sich das Bill-Volumen auch nicht beliebig erhöhen ließe, dürfte dieser Ansatz zu kurz greifen, wenn der Liquiditätsengpass länger andauern würde. Außerdem helfe er nicht, das Vertrauen in Italien als Finanzmarktteilnehmer wiederherzustellen. Während eine Erhöhung des Bill-Volumens vor allem innenpolitisch unproblematisch wäre, dürften die Alternativen, die Italien selbst in der Hand hält, weitaus kontroverser diskutiert werden. Eine Möglichkeit, kurzfristig an Geld zu kommen, könnte darin liegen, Staatsbeteiligungen an gelisteten Aktiengesellschaften zu verkaufen. Der Vorteil läge darin, dass sich dies relativ schnell bewerkstelligen und ein fairer Wert ermitteln ließe. Derzeit halte Italien Anteile an sechs gelisteten Aktiengesellschaften. Der aktuelle Marktwert dieses Portfolios liege nur bei etwa 20,5 Mrd. Euro. Außerdem sei fraglich, ob Italien sein Tafelsilber nicht mit hohem Abschlag verkaufen müsste, so dass der Erlös einem Tropfen auf den heißen Stein gleichkäme. Politisch könnte ein solches Vorgehen der Regierung Conte an den eigenen Reihen scheitern, die einen “Ausverkauf” Italiens zugunsten von Kapitalanlegern voraussichtlich anprangern würden.Kann Italien sich selbst finanziell nicht mehr helfen, bleibt nur der Weg, externe Hilfe anzufordern. Hier bestehen grundsätzlich zwei Möglichkeiten. Entweder fragt Italien den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) um Hilfe, oder das Land nimmt eine Kombination von Hilfsprogrammen von ESM und Internationalem Währungsfonds (IWF) in Anspruch. “Nimmt Italien an einem ESM-Hilfsprogramm, womöglich in Verbindung mit dem IWF, teil, könnte auch die EZB mittels OMT aktiv werden und italienische Staatsanleihen am Sekundärmarkt kaufen. Da das OMT-Volumen nicht beschränkt ist, würde sich die Summe der Feuerkraft aller Programme nochmals erhöhen”, sagt Lenz.Zudem habe die EZB mit dem noch laufenden Bondkaufprogramm ein weiteres Programm an der Hand, ihren Handlungsrahmen hinreichend groß und flexibel zu gestalten. Die Märkte würden die Belastbarkeit der Hilfsmaßnahmen voraussichtlich weniger in Zweifel ziehen oder sogar testen, als es beim ESM-Hilfsabkommen allein der Fall wäre. Trotz hoher finanzieller Risiken für die EWU-Staaten ließe sich die Krise auf diese Weise zumindest finanziell unter Kontrolle bekommen. Die politischen Folgen, vor allem der zu erwartende Zulauf für populistische Kräfte, könnten allerdings drastisch sein. Der Rückhalt für den Euro könnte in vielen Staaten weiter erodieren. Auf den ESM angewiesen”Lehnt Italien die Bedingungen von Hilfsleistungen ab oder verweigern einzelne EWU-Staaten den finanziellen Beistand, droht im Fall einer sich verschärfenden Liquiditätsknappheit der Zahlungsausfall italienischer Staatsanleihen. Die Folgen eines Zahlungsausfalls des größten Schuldners der Eurozone für Italien selbst und ganz Europa wären unabsehbar”, so Lenz. Eine Staatspleite Italiens dürfte unmittelbar auch eine Bankenkrise in Italien und womöglich in ganz Europa nach sich ziehen. Vielen eher schwach kapitalisierten Banken Italiens drohe ebenfalls die Pleite, was der Wirtschaft des Landes und des Währungsraums stark zusetzen würde. “Um die italienischen Banken entweder vor dem Kollaps zu retten oder im Fall der Insolvenz zu rekapitalisieren, wäre ein Finanzaufwand notwendig, den der insolvente Staat voraussichtlich nicht selbst bewerkstelligen könnte. Spätestens an diesem Punkt wäre Italien auf ESM-Hilfsgelder angewiesen, um das Finanzsystem zu stabilisieren und den Euro-Austritt abzuwenden”, so Lenz. Sollte es zu einem Zahlungsausfall des Staates kommen, hätten die Anleihegläubiger im Ausland Verluste von mehr als 700 Mrd. Euro zu befürchten. Besonders hart dürfte es laut Lenz die Banken der Eurozone treffen. Ihr Gesamtengagement in Italien, was Anleihen und Kredite aller italienischen Schuldner einschließt, belaufe sich auf 438 Mrd. Euro, französische Banken (266 Mrd. Euro) und deutsche Banken (77 Mrd. Euro) würden den Löwenanteil tragen.