KREDITWÜRDIG

Italien testet Geduld der Investoren und der EU

Von Michael Klawitter *) Börsen-Zeitung, 11.10.2018 Auch wenn die italienische Regierung angesichts der heftigen Marktreaktionen erste Zeichen des Einlenkens aussendet und die Planung für die Haushaltsdefizite ab 2020 von ursprünglich 2,4 % des...

Italien testet Geduld der Investoren und der EU

Von Michael Klawitter *)Auch wenn die italienische Regierung angesichts der heftigen Marktreaktionen erste Zeichen des Einlenkens aussendet und die Planung für die Haushaltsdefizite ab 2020 von ursprünglich 2,4 % des Bruttoinlandsproduktes (BIP) etwas reduziert hat (2020: 2,1 %, 2021: 1,8 %), bleibt die Skepsis im Markt hoch. Mit um die 3,5 % handeln zehnjährige italienische Staatsanleihen auf den höchsten Renditeniveaus seit Februar 2014, und der Spread von BTPs über deutschen Staatsanleihen stieg auf zeitweilig über 300 Basispunkte (BP) (Hoch seit 2013). Innerhalb der Eurozone werden italienische Renditen und Spreads nur noch von griechischen Staatsanleihen übertroffen. Die beim Kreditrating um bis zu zwei Stellen schlechter eingestuften portugiesischen Staatsanleihen handeln dagegen im Zehnjahresbereich um etwa 160 BP unter den italienischen, nachdem sie Anfang Mai noch fast gleichauf notiert hatten. Die 50-jährige italienische Staatsanleihe (Fälligkeit März 2067) fiel in diesem Zeitraum im Preis um etwa 17 Punkte auf zuletzt 80 %.Dabei dürften die Marktteilnehmer nicht so sehr Anstoß an der absoluten Höhe des Haushaltsdefizits nehmen, denn auch in Frankreich sind die Zahlen kaum besser. Stattdessen sorgen sich Marktteilnehmer, dass das Zurückdrehen von Strukturreformen früherer Regierungen die italienische Haushaltssituation bei der nächsten Wachstumsabschwächung vollkommen aus dem Ruder laufen lässt. Fehlendes VertrauenWichtiger für den Anstieg der Risikoprämien bei italienischen Anlagen dürften aber das fehlende Vertrauen in die italienische Regierung sowie der sich abzeichnende politische Konflikt mit der EU-Kommission sein. Eine vergleichbare Situation gab es in der Geschichte der Währungsunion bisher nur im Fall Griechenlands.Selbst wenn die italienische Regierung in den kommenden Tagen und Wochen die Defizitzahlen angesichts der gestiegenen Finanzierungskosten noch etwas weiter korrigiert, ist eine grundlegende Überarbeitung unwahrscheinlich. Denn ein Bruch der Wahlversprechen würde Unterstützung in der Bevölkerung kosten und könnte den Bestand der Regierungskoalition gefährden. Damit dürfte die Regierung zunächst noch an ihrem fiskalpolitischen Kurs festhalten und darauf setzen, dass Italien aus Sicht der Eurozone “too big to fail” ist und damit am Ende mit einem Einlenken der EU zu rechnen sei. Es erscheint aber fraglich, dass diese Wette aufgehen wird, denn die EU-Kommission kann sich einen solch offensichtlichen Bruch ihrer Regeln kaum erlauben. Zudem hat Finanzminister Tria mit seiner gemäßigten fiskalpolitischen Linie ebenfalls viel Vertrauen verspielt. Eine Zurückweisung des Haushalts durch die EU sollte damit recht zeitnah nach dem 15. Oktober, wenn die italienische Regierung ihren Haushalt zur Prüfung bei der EU-Kommission einreicht, erfolgen.Die Kommission wird zudem Forderungen nach einer Anpassung des Haushaltsplans einreichen, wobei die italienische Regierung dann bis zum 30. Oktober Zeit hat, diese vorzunehmen. Sollte dies ausbleiben, würde die EU-Kommission den Haushalt am 30. Oktober endgültig zurückweisen und ein Defizitverfahren gegen Italien spätestens bis zum 30. November einleiten. Angesichts dieses Zeitplans bieten sich vielfältige Gelegenheiten für eine verbale Eskalation des Streits zwischen der EU-Kommission aber auch der Europäischen Zentralbank (EZB) mit der italienischen Regierung. In deren Folge könnten Forderungen nach einem Austritt aus der Währungsunion zunehmen. Auch wenn dies kaum ein realistisches Szenario ist, könnten Marktsorgen zunehmen, dass das politische Momentum unkontrollierbar wird. Hohe Risikoprämien bei italienischen Anlagen werden damit auf absehbare Zeit die Folge sein.In dieser Situation ist eine Herabstufung des italienischen Kreditratings durch Moody’s um eine Stufe am 26. Oktober auf “Baa 3” sehr wahrscheinlich. S & P dürfte an diesem Tag zumindest den Ratingausblick von “BBB” stabil auf “negativ” absenken. Angesichts des Konfrontationskurses der italienischen Regierung wird aber auch eine Reduzierung des Ratings auf “BBB-” zunehmend wahrscheinlicher. Sollten die Ratingagenturen nach einer Herabstufung den Ausblick zudem weiter auf “negativ” halten, dürfte dies im Markt die Sorgen vor einer erneuten Herabstufung auf Ramschniveau zunehmen lassen. Da dieses Segment für viele Investoren außerhalb des Investitionshorizontes liegt, dürften Verkäufe von italienischen Anleihen schon im Vorfeld einsetzen. Risiken für RatingsDie Reduzierung des Ratings italienischer Staatsanleihen würde auch auf der Einstufung italienischer Unternehmen lasten. Während Nichtbanken mit maßgeblichen Umsätzen im Ausland ein bis zwei Stufen über dem Landesrating eingestuft werden können, ist das Risiko von Herabstufungen im Bankensektor höher. Allein seit Mitte Mai reduzierte sich die Marktkapitalisierung der beiden größten italienischen Banken Intesa Sanpaolo und Unicredit um 30 % bzw. mehr als 30 Mrd. Euro, was ein Ausdruck des nachlassenden Marktvertrauens ist.Angesichts all dieser Unsicherheiten bleibt die Nervosität hoch und damit sollte die Nachfrage für italienische Staatsanleihen fragil bleiben. Das Risiko, dass das Land angesichts monatlicher Emissionen in Höhe von mindestens 10 bis 15 Mrd. Euro (ohne Geldmarktpapiere) Emissionen nicht mehr platzieren kann, nimmt zu. Während ausländische Investoren als Käufer schon seit längerem ausgeblieben sind, kann auch die Nachfrage inländischer Investoren nicht mehr als sicher angenommen werden. Denn italienische Banken haben nicht nur in diesem Jahr den Bestand an Staatsanleihen um etwa 45 Mrd. Euro aufgestockt, sondern halten mit 11,5 % der Bilanz schon äußerst hohe Bestände. Eine weitere deutliche Steigerung wäre aus regulatorischer Sicht kaum zu tolerieren, wenn in Deutschland und Frankreich die Vergleichszahlen nur bei 3,5 % bzw. 2,8 % liegen. Weniger Käufe durch EZBAuch von Seiten der EZB reduziert sich die Unterstützung für italienische Staatsanleihen. Im Vergleich zu 2017 dürften die Käufe der EZB im kommenden Jahr um etwa 75 % auf etwa 30 Mrd. Euro zurückgehen. Hoffnungen der italienischen Regierung, dass EZB-Chef Draghi angesichts der Spread-Volatilität Italien zur Hilfe eilt und die Anleihekäufe wieder hochfährt, sind eine Illusion. Denn dies wäre nur im Zusammenhang mit einem Anpassungsprogramm und dann schmerzhaften Einschnitten bei den Ausgaben möglich.In dieser Gemengelage ist es schwer abzusehen, wie es bald zu einer anhaltenden Stimmungsverbesserung bei italienischen Staatsanleihen kommen kann. Sowohl die EU als auch die EZB dürften darauf setzen, dass steigende Refinanzierungskosten am Ende zu einem Einlenken der Regierung führen werden, hoffentlich bevor es zur Ansteckung in anderen Marktsegmenten gekommen ist.—-*) Michael Klawitter ist im Makro-Research der DekaBank tätig.