"Jeder spricht über Green Finance"
Die Europäische Investitionsbank (EIB) wird 2020 über die Bondmärkte rund 60 Mrd. Euro beschaffen. Damit setzt sich die Normalisierung der vorigen Jahre laut Funding-Chefin Eila Kreivi weiter fort. Vorangetrieben werden auch die Engagements mit grünen und nachhaltigen Anleihen. Der Einstieg in den lokalen Renminbi-Markt beansprucht etwas mehr Zeit. Frau Kreivi, welches Funding-Volumen planen Sie für die EIB in diesem Jahr, und wie vergleicht sich das mit dem Refinanzierungsvolumen von 2019?2019 hatten wir ein Funding-Volumen von 50 Mrd. Euro. Das war das geringste über die Kapitalmärkte aufgenommene Volumen seit dem Jahr 2008. In der EIB ist das Kreditvolumen etwas zurückgegangen, weshalb wir auch weniger Mittel beschaffen müssen. In diesem Jahr wird das Volumen bei rund 60 Mrd. Euro liegen. Sollte es zu leichten Veränderungen kommen, wird das Volumen eher geringer als höher sein. Vor gut einem Jahr haben Sie gesagt, dass das Funding-Volumen der EIB nun auf “normale” Niveaus zurückkommt verglichen mit dem Kapitalbedarf der Krisenjahre. War 2019 damit eine Fortsetzung dieser Normalisierung?Das ist in der Tat so. In den Jahren der Finanzmarktkrise und der Staatsschuldenkrise der Eurozone war die EIB aufgrund ihres Mandats dazu verpflichtet, an verschiedenen Stellen unterstützend einzugreifen. Zu berücksichtigen ist zudem der Juncker-Plan. In der Konsequenz musste auch mehr Kapital aufgenommen werden. Momentan haben wir solche besonderen Aufgaben nicht zu erfüllen. Deshalb liegen wir bei den Volumina in der Größenordnung von 50 bis 60 Mrd. Euro. Ich denke, das wird auch in den kommenden zwei Jahren so sein. Wie hoch ist das ausstehende Bondvolumen der EIB zurzeit? Wie sieht es mit der Aufteilung auf die Hauptemissionswährungen Euro, Dollar und Pfund Sterling aus, und können sich Investoren darauf einstellen, dass diese Aufteilung auch in diesem Jahr so bleiben wird?Per Ende 2019 hatten wir Bonds im Volumen von gut 440 Mrd. Euro ausstehen. Darin sind die Geldmarktpapiere, also Commercial Papers, nicht enthalten. Das ist also nur das längerfristige Funding. Auf den Euro entfielen beim Funding 45 %, im Dollar waren es knapp 30 %, und im Pfund waren es in etwa 12 %, der Rest verteilt sich auf diverse andere Währungen. Das ist eine typische Verteilung für die EIB über ein Jahr hinweg betrachtet. Diese Verteilung wird mehr oder weniger auch für 2020 gelten. Wir haben aber keine Vorabfixierung auf bestimmte Währungsverteilungen. Das hängt auch immer von den Laufzeiten ab, in die wir an den Märkten gehen. Und auch die Nachfrage am Markt spielt dabei eine Rolle. Beim Euro-Funding ist natürlich auch das Negativrenditeumfeld zu berücksichtigen, auch das beeinflusst den Euro-Anteil des Fundings. Wir müssen sehen, wie viele Bonds man bei welchen Renditelevels im Minus noch emittieren kann. Die EIB hat angekündigt, in den lokalen Renminbi-Bondmarkt einzusteigen, aber der Dokumentationsprozess hat mehr Zeit beansprucht als zunächst vorgesehen. Wie ist der aktuelle Stand, sind Sie bereits im lokalen Renminbi-Markt aktiv?Im lokalen Renminbi-Markt sind wir noch nicht mit Emissionen aktiv. Im Offshore-Market gab es kleinere Aktivitäten, das heißt geringe Volumina. Wir arbeiten derzeit noch daran, um in den lokalen Markt einsteigen zu können. Mit der Aufsicht und anderen regulierenden staatlichen Stellen sind noch einige Fragen zu klären. Dabei geht es in erster Linie um die Verwendung der Anleiheerlöse. Außerdem haben sich in dem vergangenen Jahr die Funding-Bedingungen im Renminbi verändert, und sie sind nicht mehr ganz so attraktiv aus unserer Sicht, wie sie es vor einem Jahr waren. Die Dringlichkeit ist demzufolge nicht mehr ganz so hoch, wie sie war. Aber zunächst einmal müssen wir die Fragen bezüglich der Verwendung der Anleiheerlöse klären. Das steht zuerst an. Können Sie das etwas spezifizieren?Die regulierenden Stellen wie die Aufsicht wollen, dass Anleiheerlöse, die über lokal begebene Anleihen erzielt wurden, auch wiederum lokal angelegt werden, also nicht im Ausland. Wir vergeben natürlich Kredite an China. Aber wir vergeben Kredite nicht in Renminbi, sondern in Euro oder in Dollar. Und genau dieser Punkt ist Gegenstand von Verhandlungen. Wollen Sie andere neue Bondmärkte mit Emissionen angehen?Wir haben dafür keine konkreten Pläne zurzeit. Wir sind in rund 25 einzelnen Märkten aktiv. Vor diesem Hintergrund wird es also schon schwieriger, neue Märkte zu finden. In lokale Bondmärkte neu einzusteigen, ist zudem sehr arbeitsintensiv. Und es gibt auch nur wenige Märkte, in denen die Funding-Kosten zugleich dann auch noch attraktiv für einen Emittenten sind. Wir gehen selektiv vor und sehen uns immer wieder neue Märkte an und ob es möglich ist, in diese einzusteigen. Es gibt aber keine Kampagne des Hauses, dass nun neue Märkte angegangen werden. Wo stand die EIB mit ihren Climate Awareness Bonds (CABs) per Ende 2019? Welches ausstehende Volumen dieser Green Bonds haben Sie?2019 ist ein gutes Jahr für Klimaschutz- und Umweltanleihen gewesen. Denn das Thema ist überall auf der Agenda, ob nun im Finanzbereich oder auf der politischen Bühne und auch im Bereich der Bevölkerung. Jeder spricht über Klima- und Umweltschutz und damit über Green Finance. Und wir sind bei der EIB über diese Entwicklung ausgesprochen glücklich. 2019 haben wir CABs für umgerechnet 3,4 Mrd. Euro emittiert. Das waren acht Bondtransaktionen. Das gesamte ausstehende Volumen von derartigen Green Bonds liegt bei 21,7 Mrd. Euro. Und was sind Ihre Emissionspläne für 2020?Seitdem wir im Jahr 2007 damit begonnen haben, diese Anleihen zu emittieren, haben wir die Anleiheerlöse in die Bereiche erneuerbare Energien und Energieeffizienz investiert. Nun wollen wir die Investitionsbereiche ausweiten zum Beispiel in den Transportbereich. Das ist der größte Bereich, den wir noch nicht angegangen sind. Deshalb werden wir 2020 wohl etwas mehr Volumen bei den Green Bonds sehen. Wir sprechen nicht von einer Verdoppelung des Volumens, aber von einer substanziellen Steigerung. Da sind aber auch noch interne Aspekte zu berücksichtigen. Denn wir müssen bei neuen Bereichen auch Investitionskriterien definieren und das Impact Reporting festlegen. Das sind technische Arbeiten, die vorab durchgeführt werden müssen. Das ist alles sehr umfangreich. Wir hoffen, dass wir bei den CABs 2020 etwas mehr machen können. 2018 hat die EIB den ersten Sustainability Awareness Bond (SAB) emittiert. Im Herbst 2019 haben Sie den Bond der Laufzeit 2026 um 250 Mill. Euro aufgestockt und einen neuen Bond mit der Fälligkeit 2026 in der schwedischen Krone aufgelegt im Volumen von 2 Mrd. skr. Im November gab es dann noch eine weitere Bondaufstockung. Warum haben Sie die schwedische Währung gewählt für den zweiten SAB und nicht den Euro?Die SABs sind genau wie die CABs ein Multi-Währungsprodukt. Die erste Transaktion war im Euro und wurde dann volumenmäßig noch mal erhöht. Wir wollten nun noch eine weitere Währung angehen. Die schwedische Krone wurde wegen der dort bestehenden Nachfrage gewählt, das heißt, die Entscheidung war klar nachfragegetrieben. Die Banken sind auf uns zugekommen und haben uns mitgeteilt, dass es in der Schwedenkrone Investoren gibt, die an einer solchen Emission interessiert sind. Schwedische Investoren stehen zudem den Themenkomplexen Green und Sustainable sehr aufgeschlossen gegenüber. Und auch die Banken gehören in Schweden zu den ältesten Playern in diesem Bereich. Wir wollen bei den SABs auch noch mehr Währungen angehen. Was sind denn Ihre konkreten Pläne für den SAB-Markt 2020? Können Investoren weitere Bonds in der Schwedenkrone erwarten, kommen noch andere Währungen hinzu, und wird auch etwas im Euro wieder gemacht?Wir werden sehr wahrscheinlich etwas im Euro emittieren, aber wohl in einer anderen Laufzeit, denn wir wollen bei den SABs über die Zeit hinweg eine Kurve aufbauen. Wir wollen definitiv auch in neue Währungen gehen. Welche Währungen das sind, werden wir aber nicht vorab festlegen, denn das hängt von der Nachfrage ab. SABs sind verglichen mit den CABs doch ein anderes Produkt. Die CABs adressieren einen global vorhandenen Sachverhalt, denn jeder ist in den Klimaaspekt involviert. Bei den SABs haben wir es mit Investoren mit einem ESG- oder SRI-Fokus zu tun und werden diesbezüglich mit unseren Emissionen auf die an uns herangetragene Nachfrage reagieren. Angesichts der Ziele, die wir alle in Sachen Nachhaltigkeit haben, sind zwei SABs pro Jahr nicht gerade sehr viel. Wollen Sie die Emissionstätigkeit verstärken?Wir wollen das, und wir können das auch. Was wir 2018 und 2019 emittiert haben, steht natürlich auch in einem klaren Bezug zu unseren entsprechenden Kreditprogrammen in diesen Bereichen. Wir müssen immer sehen, welche Projekte wir im Haus für einen Horizont von einem Jahr haben und dann entsprechend emittieren. Wir wollen nicht umgekehrt agieren und zunächst hohe Kapitalvolumina aufnehmen und dann sehen, wie wir diese Gelder in einzelne Projekte investiert bekommen. Wir haben die Gelder aus der ersten SAB-Emission von 500 Mill. Euro in etwa über einen Zeitraum von einem Jahr hinweg in Projekte investiert. In welche Bereiche wollen Sie die Anleiheerlöse der SABs investieren, und wollen Sie das ausweiten?Der erste SAB wurde ausschließlich für den Bereich Wasser verwandt. Später haben wir das ausgeweitet auf die Bereiche Gesundheit und Bildung. Das zeigt auch den dualen Charakter des Bonds, also grün und sozial. Wasser ist klar grün zuzurechnen, Gesundheit und Bildung ist klar dem Aspekt sozial zuzuordnen. Ein CAB ist klar nur grün, SABs sind grün und sozial. In der Marktsprache und nach den Definitionen der ICMA bedeutet Nachhaltigkeit die Kombination der Aspekte grün und sozial. Damit wurde dann auch klar, dass es sich nicht um einen Wasserbond handelt. Das war uns wichtig. Wenn wir bei Wasserprojekten von 500 Mill. Euro im Jahr sprechen, gehe ich davon aus, dass Health & Education noch mal für 500 Mill. Euro pro Jahr an Projekten gut sind. Ich hoffe, dass wir diese Volumina auf absehbare Zeit – vielleicht schon 2020 – verdoppeln können. Und wir wollen die Investitionsbereiche solcher Gelder ausweiten. Aber Priorität im Hause hat nun die Ausweitung der Investitionsbereiche für die CABs. Die lang erwartete EU-Taxonomie für Green und Sustainable Finance wurde 2019 veröffentlicht. Was sind die wesentlichen Eckpunkte dieser Taxonomie?Hiermit wird wirklich ein Meilenstein gesetzt. Die Frage, die in den vergangenen Jahren im Zusammenhang mit Green und Sustainable gestellt wurde, lautete: “Was ist denn jetzt wirklich grün?”, und damit im Zusammenhang stand auch die Frage, wer das definiert. Nun haben wir eine Institution, die definiert, was grün ist, und zwar sehr detailliert, sehr granular und in allen möglichen Facetten. Es handelt sich um eine EU-Initiative, auf die allerdings die gesamte Welt schaut. Es gibt ein sehr großes Interesse daran aus dem asiatischen Raum, den USA und anderen Teilen der Welt. Die Taxonomie hat zwei wichtige Elemente, und zwar die Architektur der Taxonomie und dann ihren jeweiligen Inhalt. Der Inhalt ist klar europäisch ausgelegt. Die Architektur kann aber überall von jedem genutzt werden und dann mit eigenem Inhalt gefüllt werden. Das wird hoffentlich dazu führen, dass wir in der Zukunft vergleichbare Taxonomien auf der Welt bekommen werden. Das wird auf globaler Ebene bei diesem Thema zu mehr Klarheit führen. So klar, wie es jetzt definiert wurde, hatte das bisher nicht vorgelegen. Und die Architektur kann global Verwendung finden. Und wenn Sie “grün” und “nachhaltig” ganz kurz definieren müssten, wie sähe diese Definition aus?Wenn man es sehr kurz fasst, dann würde ich sagen: Es muss einen substanziellen positiven Beitrag für die Umwelt leisten, und es darf zur gleichen Zeit keine schädlichen Einflüsse auf andere Umweltbereiche oder soziale Bereiche haben. Dann ist es grün und nachhaltig. Wie ist der aktuelle Stand bei den ECoop Bonds, und was sind Ihre Pläne für 2020?Wir stehen bei den ECoop-Bonds gut da, und wir werden dieses Instrument auch künftig weiter einsetzen. Anders als bei den Benchmark-Instrumenten setzen wir dieses Instrument nachfragegetrieben ein. Die EZB-Bondkäufe zeigen hier einen klaren Einfluss. 2018 haben wir von diesen Bonds ein Volumen von 8,7 Mrd. Euro emittiert. 2019 waren es dann noch 4,5 Mrd. Euro. Dieses Produkt ist wahrscheinlich in den Zentralbankensektor übergegangen, aber wir haben dazu keine Details. Es ist ein wichtiges Instrument für uns, insbesondere für Investoren, die nach Rendite im längeren Laufzeitenbereich Ausschau halten. In langen Laufzeiten sind große Transaktionen nicht so leicht auszuführen, es gibt ein Ausführungsrisiko. Und meistens gibt es dort auch nicht so einen großen Appetit auf solche Deals. Wir brauchen auch nicht so einen großen Anteil im 20- oder 30-jährigen Funding. Wir können da kleinere Teile des Refinanzierungsbedarfs realisieren. Das Produkt ist gut für uns und für die Investoren. Die EZB hat die Bondneukäufe im November wieder aufgenommen und wird sie bis zur ersten Zinsanhebung beibehalten. Das kann einige Jahre dauern. Eine abnehmende Liquidität in den Bondmärkten wird uns deshalb weiter begleiten. Ist eine geringer werdende Liquidität ein Aspekt, um den Sie sich bei den EIB-Bonds Sorgen machen, weil auch die Volatilität steigen könnte?Dieser Faktor kann, aber auch zusammen mit anderen Aspekten, zu einer geringeren Liquidität am Sekundärmarkt führen und Käufer in diesem Segment benachteiligen. Problematisch für Verkäufer ist es weniger. Zu berücksichtigen ist aber auch, dass Banken in den vergangenen Jahren eine geringere Kapitalunterlegung für das Trading vorgenommen haben. Das ist ein wichtiger Punkt in Sachen geringerer Liquidität. Das gilt natürlich nicht nur für EIB-Bonds, sondern auch für alle anderen Bondgattungen wie Staaten, Corporates et cetera. Die Liquiditätssituation ist heute eine andere als vor zehn Jahren. Aber jeder im Markt weiß das und hat sich auch ein Stück weit daran gewöhnt. Der Bondmarkt wird heute auch im Wesentlichen durch den Primärmarkt bestimmt und weniger durch die Aktivitäten am Sekundärmarkt. Sind Ihre Investoren nach wie vor mit der Liquiditätssituation der EIB-Bonds zufrieden? Werden solche Liquiditätsängste Ihnen gegenüber kommuniziert?Das wird jetzt nicht in großem Umfang thematisiert. Die Investoren kennen die Liquiditätssituation am Markt. Das Interview führte Kai Johannsen.