Bondmärkte

„Wir bevorzugen Anleihen mit höherer Bonität“

Attraktive Renditen gibt es derzeit am europäischen Unternehmensanleihemarkt bei Investment-Grade-Bonds und High-Yieldern. Bastian Gries gibt einen Einblick in die Aussichten des Marktes.

„Wir bevorzugen Anleihen mit höherer Bonität“

IM INTERVIEW: BASTIAN GRIES

„Wir bevorzugen Anleihen mit höherer Bonität“

Anleiheexperte von Oddo BHF sieht konjunkturell schwierige Zeit in der Eurozone – Zinserhöhungen der EZB vielleicht schon zu weit gegangen

An den Unternehmensanleihemärkten lassen sich im Investment-Grade- und High-Yield-Segment attraktive Renditen einstreichen. Bastian Gries, Anleiheexperte von Oddo BHF, ordnet im Interview der Börsen-Zeitung die Aussichten an den Bondmärkten ein.

Herr Gries, wie ist die Stimmung unter den Investoren am Sekundärmarkt der Corporate Bonds derzeit nach der Serie von Zinserhöhungen seitens der Zentralbanken, die wir in den vergangenen Monaten gesehen haben?

Die Stimmung in den vergangenen Wochen hat sich erstaunlich fest entwickelt in den Credit-Märkten trotz der jüngsten Zentralbankmaßnahmen. Wir haben auch nach der Sommerpause wieder saisonal einen stark anziehenden Primärmarkt erlebt. Die Gründe für dieses positive Sentiment sind sicherlich darin zu suchen, dass bis zuletzt die Unternehmensergebnisse aus Sicht von Anleiheinvestoren recht zufriedenstellend ausgefallen sind. Dazu gehören auch die Ausfallprognosen. Zuletzt gab es auch Anzeichen, dass sich die US-Konjunktur wieder etwas verbessern konnte. In diesem Zusammenhang sind die Spreads seit August wieder hereingelaufen, und wir sind seit Jahresanfang ca. 20 Basispunkte tiefer im Risikoaufschlag für die mit Investment Grade benoteten Corporate-Anleihen.

Und das High-Yield-Segment?

Auch der High-Yield-Markt hat sich positiv entwickelt mit einer Spread-Einengung von 80 Basispunkten auf 450 Basispunkte im Durchschnitt. Das Zinsniveau ist natürlich erhöht, was auch insbesondere im Investment-Grade-Markt zu stetigen Zuflüssen geführt hat, der damit natürlich technisch auch gut unterstützt bleibt. Eine leichte Eintrübung der Stimmung haben wir zuletzt jedoch durch die Stimmungsverschlechterung am Aktienmarkt miterlebt.

Wie beurteilen Sie den Investorenappetit auf neues Material am Primärmarkt aktuell auch mit Blick auf die Überzeichnungen?

Der Primärmarkt ist dieses Jahr sehr rege, und der Appetit fiel in Summe sehr solide aus. Für den Corporate-Markt sprechen wir von etwa 360 Mrd. Euro an Emissionsvolumen seit Jahresanfang. Man muss wirklich feststellen, dass trotz eines doch schwierigen Umfelds, was auf die Geldpolitik zurückzuführen ist, der Markt sehr gut dasteht. Das sieht man zum einen daran, dass die Bücher im Durchschnitt mit circa dreimal recht gut überzeichnet waren. Und es gab auch gute Neuemissionsprämien zwischen 15 und 20 Basispunkten im Durchschnitt. Und viele dieser Neuemissionen haben dann im Sekundärmarkt gut performt. Das ist auch ganz wichtig für das Marktsentiment, dass der Primärmarkt gut aufgenommen wird und im Anschluss der Sekundärmarkt auch gut performt.

Welche Renditen lassen sich im Investment-Grade-Segment Europas derzeit einstreichen über die Bandbreite der einzelnen Ratings hinweg?

Ein ganz wichtiger Faktor für die stetig gute Nachfrage ist derzeit die Rendite. Die Marktrendite für die Investment-Grade-Papiere liegt derzeit bei 4,5%. Das ist die höchste Rendite seit der Finanzkrise, also seit 15 Jahren. Die höchste Rendite findet sich im Dreifach-B-Segment mit 4,6%. Das stellt auch den größten Anteil der Emittenten dar. Im A-Bereich beläuft sich die Rendite dann immer noch auf 4%, im Doppel-A-Bereich sind es 3,7%.

Und welche Renditen können Investoren im europäischen High-Yield-Bereich mitnehmen?

Auch hier sind die Renditen deutlich erhöht. Wir liegen bei 7,6% Rendite und bei Doppel-B-Emittenten sind es dann 6,4%. Das ist das größte Segment im europäischen High-Yield-Markt. Knapp 8% für Single-B, und Renditen für Dreifach-C-Titel belaufen sich auf 18%, das vermeintlich kleinste Segment. Das zeigt auch die zunehmende Dispersion, das heißt, der Markt unterscheidet hier sehr deutlich zwischen den schwächsten Emittenten und den relativ betrachtet etwas besseren Emittenten. Das bedeutet: Bei den Emittenten in diesem Dreifach-C-Segment sind die Renditen deutlich erhöht.

Wie sieht es mit der Laufzeitenstruktur aus? Welches Laufzeitensegment läuft derzeit besser, und welche Fristigkeiten werden emissionsseitig eher gemieden von den Emittenten?

Grundsätzlich werden viele verschiedene Laufzeiten derzeit angeboten. Es ist aber auffällig, dass sehr wenige Emissionen im Bereich von länger als zehn Jahren emittiert werden. Der Fokus liegt doch sehr stark auf dem Bereich fünf bis sieben Jahre. Ich denke, das hat auch damit zu tun, dass hier die Nachfrage am stärksten ist, und zwar von individuell vereinbarten Mandaten, aber auch von Publikumsfonds.

Wo stehen wir aktuell im Zinszyklus der Notenbanken? Ist das Ende der Fahnenstange bei den Zinsanhebungen der Fed, EZB und BoE nun erreicht?

Wir sehen eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass dies der Fall ist. Die Zentralbanken sollten nun den Höhepunkt erreicht haben. Wir sprechen jetzt letztendlich über eine sehr harsche Straffung in den vergangenen zwölf bis 18 Monaten, in der die Zinsen um rund 500 Basispunkte angehoben wurden. Es ist immer auch wichtig zu berücksichtigen, dass diese Leitzinserhöhungen ja mit einer deutlichen Verzögerung wirken. Das heißt, der Großteil der geldpolitischen Transmission steht uns noch bevor und wird sich dann in den nächsten Monaten bzw. Quartalen weiter entfalten. Häufig ist es so, dass das Erreichen des Höhepunkts in einem Zinserhöhungszyklus ein recht gutes Umfeld darstellt für länger laufende Anleihen, also insbesondere auch zehn Jahre. Gerade Langläufer haben historisch betrachtet am besten performt, wenn die Zentralbanken das Ende des Zinserhöhungszyklus erreicht haben. Ob das jetzt dieses Mal wieder der Fall ist, bleibt abzuwarten. Die Gemengelage ist dann doch etwas komplexer. Denn wir haben ja gleichzeitig immer noch erhöhte Inflationszahlen zu verkraften, die erst im Fallen begriffen sind. Wir gehen aber schon davon aus, dass die Zinsrally irgendwann einsetzen sollte, auch wenn das etwas länger dauern könnte, als aus der Geschichte bekannt ist.

Wie hoch stufen Sie die Gefahr eines Policy Mistakes ein?

Eine sehr relevante Frage, denn die Zentralbanken haben natürlich aufgrund der erhöhten Inflation sehr massiv die Zinsen erhöht und haben dies auch getan in einer Phase des konjunkturellen Abschwungs bzw. der Wachstumsverlangsamung. Für die EZB besteht nun eher das Risiko, dass die Zinserhöhungen vielleicht schon zu weit gegangen sind. Und das wird sich in den nächsten Quartalen herausstellen, ob wir da schon über das Ziel hinausgeschossen sind. Im Vergleich zu den USA scheinen die Zinsschritte in der Eurozone früher zu greifen, und es kann durchaus sein, dass die Bremsspuren dann auch auf der Konjunkturseite größer ausfallen als erwünscht.

Rechnen Sie mit einem Abschwung oder gar einer Rezession in den USA bzw. auch der Eurozone?

Es ist ganz klar, dass das zweite Halbjahr konjunkturell schwierig ausfallen wird in der Eurozone. Wir erwarten also leicht rückläufige Wachstumszahlen im dritten und vierten Quartal. Natürlich stark getrieben auch durch die Entwicklung in Deutschland. Wir glauben aber zudem auch, dass in den USA nach einem weiterhin sehr starken dritten Quartal eine Wachstumsverlangsamung einsetzen wird im vierten Quartal. Die Dynamik sollte da auch deutlich nachlassen. Dieser Trend dürfte sich auch im ersten Quartal 2024 weiter fortsetzen. Etwas negativer gestimmt sind wir für die Eurozone.

Raten Sie Investoren vor diesem Hintergrund nun noch zum Einstieg in den Investment-Grade- oder High-Yield-Markt? Und in welchen Segmenten?

Wir bevorzugen momentan Anleihen mit höherer Bonität im Vergleich zu den risikobehafteteren Segmenten, das heißt wir gewichten Investment-Grade-Anleihen über und sehen eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass die vermeintlich defensiveren Segmente in den nächsten Monaten und Quartalen besser performen sollten. Die Renditen zwischen 3,8% und 4,6% in diesem Segment sind durchaus erklecklich und bieten auch dann noch Performancepotenzial, wenn die Risikoaufschläge sich ausweiten und die Zinsseite gleichzeitig dann doch mal wieder ein Stück weit nachgeben sollte. Doppel-B-Bonds mit kürzeren Laufzeiten bieten auch aus historischer Sicht derzeit einen recht guten Puffer.

Sind Hybride in diesem Umfeld derzeit noch ratsam? Die haben ja doch ganz attraktive Renditen in diesem Jahr erreicht.

In der Tat ist der Bereich weiterhin interessant. Die Renditen liegen bei etwa 6% für Investment-Grade-Hybride. Das heißt: Es gibt eine sehr starke unterliegende Kreditqualität, keine Ausfallrisiken, und auch die Zinssensitivität ist hier reduziert. Man muss sich aber darüber bewusst sein, dass diese Hybride ja Nachrangpapiere darstellen und hierdurch grundsätzlich auch eine etwas höhere Sensitivität zu generellen Marktschwankungen aufweisen. Hier muss man etwas mehr Volatilität aushalten können in schwächeren Marktphasen. Wir fokussieren uns in dem Segment derzeit insbesondere auf Hybridanleihen mit kürzeren Laufzeiten. Das heißt also früheren Kündigungsterminen, weil man hier zum einen auch sehr attraktive Renditen einstreichen kann und zum anderen die inhärente Schwankungsbreite kleiner ausfällt als bei länger laufenden Pendants.

Bastian Gries ist Bond­experte im Hause von Oddo BHF.

Das Interview führte Kai Johannsen.

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