Anleger fürchten neue Bankenkrise
Finanzmärkte
Anleger fürchten neue Bankenkrise
Kreditvergabe wird restriktiver – Rezessionsrisiko steigt
Kai Johannsen, Frankfurt
kjo Frankfurt
An den Finanzmärkten wird derzeit angesichts der Schieflagen von Credit Suisse sowie der Verwerfungen bei den US-Banken davon ausgegangen, dass es zu weiteren Turbulenzen kommen könnte. Anleger halten es durchaus für wahrscheinlich, dass es zu einer erneuten Bankenkrise kommen könnte, meinen die Experten von Edmond de Rothschild Asset Management (AM). Der Investmentmanager erwartet künftig eine restriktivere Kreditvergabe und ein daraus resultierendes erhöhtes Rezessionsrisiko sowie weitere Zuflüsse bei den Geldmarktfonds.
„Es wird zu der Verschärfung der Kreditbedingungen kommen, die die Geschäftsbanken bereits vor der Krise angekündigt hatten. Entweder, weil die Konkurrenz der Geldmarktfonds in einem Umfeld höherer Zinsen die Flucht aus Einlagen beschleunigt, oder weil die aktuellen Verwerfungen, deren Folgen noch nicht abzusehen sind, eine vorsichtigere Kreditvergabepolitik erfordern“, sagt Benjamin Melman, Global Chief Investment Officer von Edmond de Rothschild AM.
Einlagen bei Banken gehen zurück
In den USA seien die Einlagen bei Banken seit einem Jahr um fast 4% zurückgegangen, also um die 700 Mrd. Dollar. Das komme vor allem den Geldmarktfonds zugute – die würden Zuflüsse von 557 Mrd. Dollar verzeichnen. Denn sie würden höhere Renditen bieten als Einlagen bei gleichzeitig sehr hoher Liquidität und Sicherheit. „Wir gehen davon aus, dass sich diese Entwicklung fortsetzen wird angesichts des jüngsten Anstiegs der Geldmarktzinsen und der geringen Bereitschaft der Großbanken, deutlich höhere Einlagenzinsen zu zahlen. Zumal sie von dem Abfluss von Einlagen von kleinen Banken profitieren“, führt Melman aus.
Sowohl die Fed als auch die EZB neigen nach Ansicht von Melman weiterhin zur Straffung der Geldpolitik. Sie würden sich nach ihren jüngsten geldpolitischen Sitzungen jedoch die Möglichkeit vorbehalten abzuwarten. Eine Lockerung der Geldpolitik komme für sie insbesondere angesichts des nach wie vor hohen Inflationsdrucks nicht in Frage. Dennoch rechne der Markt damit, dass die Fed die Leitzinsen von Juni 2023 bis Januar 2024 um 80 Basispunkte senken wird. „Die Anleger halten eine Ausbreitung der Bankenkrise für wahrscheinlich. Die Volatilität der Zinsen, die in den vorigen Wochen stark angestiegen waren, dürfte also weiterhin hoch bleiben. Denn die prognostizierte Zinsentwicklung ist angesichts der anhaltend hohen Inflation nicht plausibel“ so Melman.
Höheres Zinsniveau sorgt für Schutz
Der starke Zinsrückgang während der Bankenkrise habe die negativen Auswirkungen auf die Ausweitung der Credit Spreads vollständig oder teilweise ausgeglichen. Die Rückkehr auf ein höheres Zinsniveau sorge somit erneut für Schutz. „Sollten wir in eine Bankenkrise geraten, würde die damit verbundene Kreditklemme wahrscheinlich innerhalb weniger Monate das Problem der kurzfristig zu hohen Inflation lösen. Wir bevorzugen daher weiterhin Carry-Anlagen bei unseren Allokationen. Wir würden unsere Einschätzung revidieren, wenn es zu einer weiteren Ausbreitung der Bankenkrise oder einer zu drastischen Rationierung des Bankkredits kommen sollte.“
Auch wenn sich die Bankenkrise nicht weiter ausbreite, erhöhe die Verschärfung der Kreditvergabepolitik, die trotzdem folgen dürfte, das Rezessionsrisiko. „Gegenüber Aktien ziehen wir es daher vor, etwas vorsichtiger zu sein. Innerhalb dieser Anlageklasse bevorzugen wir China, das trotz einer unerwartet schwachen Konjunkturerholung und eines nach wie vor instabilen geopolitischen Umfelds von der Unterstützung der Behörden und dem fehlenden Inflationsdruck profitiert. Gleichzeitig favorisieren wir den Gesundheitssektor, der von den aktuellen Problemen nicht betroffen ist und von attraktiven Bewertungen und günstigen Aussichten profitiert.“