Knappheit der Lagerplätze belastet WTI-Kontrakte
xaw Frankfurt – Eine Kleinstadt in Oklahoma ist nach dem beispiellosen Preissturz am US-Ölmarkt in aller Munde: Cushing ist der Hauptumschlagplatz für die Sorte West Texas Intermediate (WTI). Nach Schätzungen der Investmentbank Morgan Stanley beträgt die maximale Lagerkapazität in den dortigen Tanks rund 79 Mill. Barrel.Laut dem US-Energieministerium waren am 10. April rund 55 Mill. Barrel in Cushing eingelagert. Infolge der Coronakrise herrscht am Ölmarkt ein gewaltiges Überangebot, weshalb die Lagerbestände wöchentlich scharf ansteigen. Experten glauben, dass die Kapazitäten bereits Mitte Mai vollständig gefüllt sein werden. Verzweifelte VerkäufeFür die Teilnehmer am Ölmarkt ist das ein gewaltiges Problem – denn anders als bei der Nordseesorte Brent wird der WTI-Kontrakt durch physische Lieferungen in Cushing ausgeglichen. Alternativ können Investoren ihre Kontrakte in den neuen Fälligkeitsmonat “rollen”, also den Future für Mai verkaufen und den für Juni kaufen. Aufgrund der niedrigen freien Kapazitäten entschieden sich vor dem gestrigen Ablauftermin des Mai-Kontrakts aber mehr Investoren als sonst gegen eine Auslieferung. Stattdessen versuchten sie verzweifelt, ihre Futures abzustoßen.In der Folge brach der WTI-Preis erstmals in seiner Geschichte ins Negative ein, die Leichtölsorte ging mit -37,63 Dollar pro Barrel aus dem Handel. Wer den Mai-Kontrakt hielt, musste also andere dafür bezahlen, dass sie ihm diesen abnahmen. Zwar bedeutete der Anstieg auf 4,42 Dollar bis gestern Abend den größten Tagesgewinn, den ein aktueller WTI-Terminkontrakt jemals hinlegte. Den Investoren dürfte dies aber nur ein schwacher Trost gewesen sein. “Nur wer die Auslieferungen tatsächlich entgegennehmen kann, schlägt aus der aktuellen Lage auch Profit”, heißt es von Morgan Stanley.Durch den Sturz des Mai-Futures ergibt sich gegenüber den Folgekontrakten eine gewaltige Bewertungsschere, die Analysten als “Super-Contango” bezeichnen. Allerdings schwappten die Verwerfungen des aktuellen Kontrakts gestern bereits auf den Juni-Future über. Dieser rutschte bis zum Abend um 34,6 % auf 13,37 Dollar ab, während der Juli-Kontrakt mit 22,2 Dollar 15,4 % unterhalb des Vortagesniveaus notierte. “Die Folgekontrakte sehen zu hoch bewertet aus, wenn man das Ausmaß des Nachfrageeinbruchs berücksichtigt”, sagt Neil Wilson, Chefanalyst der Handelsplattform Markets.com. Wenn das Umfeld des “Super-Contango” anhalte, seien auch für die längeren Laufzeiten weitere Preisimplosionen möglich.Damit es bei Ablauf des Juni-Kontrakts nicht erneut zu panischen Abverkäufen kommt, müssen wohl Tanks in Cushing frei werden. US-Präsident Donald Trump bekräftigte nach dem Preissturz vom Montag seine Absicht, die staatliche Strategic Petroleum Reserve für überschüssiges Öl zu öffnen, das in kommerziellen Lagern keinen Platz findet. Nach der letzten diesbezüglichen Ankündigung Trumps im März hatte sich der Kongress noch geweigert, staatliche Ölkäufe zu finanzieren. Allerdings deutete die US-Energieinformationsbehörde EIA bereits an, eventuell Kapazitäten vermieten zu wollen.