Technische AnalyseDax

Kommt noch die Herbstrally?

Die Hoffnung auf einen goldenen Oktober und eine Aufwärtsbewegung am deutschen Aktienmarkt bis Jahresultimo ist zuletzt geschwunden. An Störfaktoren mangelt es wahrlich nicht. Und die Liste wird immer länger.

Kommt noch die Herbstrally?

Technische Analyse

Kommt noch die Herbstrally des Dax?

Von Christian Henke *)

Diese Frage dürften sich im Augenblick vielen Anleger hierzulande stellen. Die Hoffnung auf einen goldenen Oktober und eine Aufwärtsbewegung bis zum Jahresultimo ist zuletzt geschwunden. An Störfaktoren mangelt es wahrlich nicht. Und die Liste wird immer länger. Über allem schwebt die Angst vor einer langen Zeit mit hohen Zinsen. Die Renditen US-amerikanischer Staatsanleihen sind zuletzt förmlich explodiert und machen es den Marktakteuren auch nicht einfacher. Aber auch der aufgeschobenen Shutdown in den Vereinigten Staaten und nun die sich zuspitzende Konfrontation im Nahen Osten runden den Schlechte-Laune-Mix ab.

Hoffnungsschimmer Saisonalität

Fangen wir zuerst mit einem positiven Argument für eine mögliche Herbstrally an, der Saisonalität. Hierbei wird der historische Kursverlauf nach saisonalen Muster durchleuchtet. Und eine solche statistisch relevante Phase steht dem deutschen Leitindex unmittelbar bevor. Diese an der Börse als Herbstrally bekannte Phase beginnt, gemeinsam mit der Wall Street, am 13. Oktober und dauert bis zum 25. November. In den vergangenen zehn Jahren konnte der Dax in 90% der Fälle um durchschnittlich 6% zulegen. Grundsätzlich gilt das Schlussquartal als sehr lukrativ für den Anleger. In der Vergangenheit konnte das heimische Börsenbarometer in dem genannten Zeitraum im Mittel um etwa 5% an Wert gewinnen. Allerdings könnten die eingangs erwähnten Belastungsfaktoren der Saisonalität einen gehörigen Strich durch die Rechnung machen.

Verständlicherweise hält sich zurzeit die Kaufbereitschaft der Anleger weltweit in Grenzen. Anders formuliert, die Angst geht umher. Und dies lässt sich auf mehreren Arten belegen. Die Volatilität, auch als Angstbarometer bekannt, zieht wieder an. Dargestellt kann die Vola durch die Volatilitätsindikatoren VIX oder VDax New. Und der VIX weist eine sehr hohe inverse Korrelation mit den weltweiten Indizes auf. Mit anderen Worten, steigt die Volatilität, fallen die Aktienkurse weltweit und umgekehrt.

Unter den Marktteilnehmern beliebt ist der Fear and Greed Index von CNN. Der Stimmungsindikator misst anhand verschiedener Kennzahlen die derzeitige Angst und Gier. Momentan überwiegt die Angst. Der besagte Index steht unmittelbar davor, in die Zone „Extreme Angst“ vorzustoßen. Allerdings könnte dann bereits das Schlimmste an den Börsen überstanden sein. Historisch betrachtet dauert es dann nicht mehr lange, bis die Anleger wieder zugreifen.

Ebenfalls ist ein Blick auf den Sentiment-Indikator AAII interessant. Hier werden Investoren in den USA nach deren Einschätzung für die kommenden sechs Monaten befragt. Und im Augenblick dürfte es nicht überraschen, dass die Mehrheit der Teilnehmer äußerst pessimistisch gestimmt ist. Aber auch dies kann positiv ausgelegt werden. Ist nämlich der Anteil der Pessimisten sehr hoch, könnte es im Fall einer Trendwende auch wieder rasch aufwärts gehen.

US-Rendite im Fokus

Erst kürzlich hatten die wieder steigenden Energiepreise die Sorgen wegen einer wieder anziehenden Inflation geschürt. Weitaus größer ist die Verunsicherung hinsichtlich der Renditen am US-amerikanischen Anleihemarkt. Die Aussicht auf eine lange Zeit mit hohen Zinsen hat das Interesse an festverzinslichen Wertpapieren geweckt. Staatsanleihen werden zunehmend interessanter. Die Rendite zehnjähriger US-Bonds steigen in Richtung 5%.. Und dies belastet die Aktienmärkte. Die Angst vor einem Kapitalabfluss lässt ebenfalls die Kaufbereitschaft gen Null tendieren. Charttechnisch hat die genannte Rendite ein neues Kaufsignal generiert. Im Umkehrschluss sind bei den meisten Börsenindizes Verkaufssignale zu beobachten. Zurzeit weist beispielsweise der Dax eine sehr hohe inverse Korrelation zur US-Rendite auf.

Die erwähnten Belastungsfaktoren haben sich im Chartbild des deutschen Leitindex bemerkbar gemacht und dies nicht unbedingt im positiven Sinne. Wir werfen einen prüfenden Blick auf den Wochenchart. Und im Augenblick gibt es wenige gute Gründe, deutsche Standardaktien zu kaufen. Von Mitte Mai bis Ende Juli dieses Jahres hatte der Dax mehrmals versucht, die Obergrenzen der übergeordneten Handelsspanne zu bezwingen. Ein dauerhafter und somit signifikanter Ausbruch nach oben fand nicht stand. Wenig überraschend warfen die Anleger Ende Juli die Flinte ins Korn. Seit dem befindet sich der deutsche Leitindex im Abwärtstrend. Aber es gibt noch zwei weitere Verkaufsargumente. Zum einen wurde Ende September das 23,6%-Fibonacci-Retracement bei 15.414 Punkten unterschritten. Zum gleichen Zeitpunkt schloss der Dax unterhalb des unteren Keltner-Kanalbandes. Es handelt es sich hierbei um einen beliebten Trendfolgeindikator.  

Aber wie geht es weiter? Momentan sieht es nach einem Test der unteren Begrenzung der erwähnten Handelsspanne bei 14.800 Punkten aus. Und dort sollte das heimische Börsenbarometer seine Talfahrt beenden. So bereits geschehen im März dieses Jahres. Die genannte Chartmarke, in Kombination mit dem 38,2%-Fibonacci-Level bei 14.725, stellen eine solide Unterstützungszone dar. Ein Rutsch darunter sollte aber vermieden werden. Ansonsten drohen weitere Verluste bis zum Tief bei 14.450 Punkten von Ende März 2023.

*) Christian Henke ist Senior Market Analyst bei IG Europe.

*) Christian Henke ist Senior Market Analyst bei IG Europe.

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