Konjunktursorgen belasten Ölpreis
Trotz eines am Dienstag steigenden Ölpreises sieht es nach Ansicht der meisten Rohstoffanalysten nach einer schwächeren Entwicklung oder bestenfalls Seitwärtsbewegung der Notierungen des wichtigsten Energieträgers aus.Von Dieter Kuckelkorn, FrankfurtErstmals seit drei Handelstagen ist der Ölpreis am Dienstag wieder gestiegen. Die führende Nordseesorte Brent Crude verteuerte sich um 2,1 % auf 114,17 Dollar je Barrel, US-Leichtöl der Sorte West Texas Intermediate (WTI) legte gar um 3,1 % auf 92,10 Dollar je Barrel zu. Händler verwiesen auf geopolitische Ängste mit Blick auf die Konfrontation zwischen Israel und dem Iran sowie auf die zunehmenden Spannungen zwischen der Türkei und Syrien. Zudem hieß es, dass eine Reihe von Ölplattformen in den Nordsee nach Wartungsarbeiten später die Produktion wieder aufnehmen als erwartet.Die meisten Analysten gehen allerdings nicht davon aus, dass nach der jüngsten Seitwärtsbewegung bei Brent Crude und dem Preisrückgang bei WTI eine Trendwende hin zu höheren Notierungen in Sicht ist. Sie begründen dies mit den Konjunkturängsten der Investoren. So hat erst am Montag die Weltbank neue Hinweise auf eine Abschwächung der Konjunktur in Asien gegeben. Die Weltbank erwartet für China im laufenden Jahr nur noch ein Wachstum von 7,7 % nach 9,3 % im Vorjahr. Für die gesamte Region Asien-Pazifik wird für 2012 von 7,2 % ausgegangen. Und in den USA schwindet die Hoffnung, dass es im Rahmen des neuesten Stützungsprogramms der US-Notenbank (“Quantitative Easing 3”, “QE 3”) zu umfangreichen Bondkäufen durch die Fed kommen wird. Gemäß den zuletzt besser als erwartet ausgefallenen Arbeitsmarktdaten bestehe kaum noch eine Notwendigkeit dafür, heißt es am Markt. Zudem droht noch eine viel größere Gefahr: Die USA steuern auf die sogenannte “Fiskalklippe” zu. Darunter versteht man eine Kombination von automatischen Ausgabenkürzungen der US-Regierung und Steuererhöhungen, die Anfang 2013 drohen, wenn sich Demokraten und Republikaner im Kongress nicht auf einen Haushalt sowie die Verlängerung von Steuervergünstigungen einigen. Die Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen würden sich auf 665 Mrd. Euro summieren, dies sind 4,4 % des amerikanischen Bruttoinlandsprodukts (BIP). Gefahr aus den USADie Ratingagentur Fitch schätzt, dass das US-Wirtschaftswachstum für den Fall, dass sich die beiden politischen Parteien nicht einigen, im kommenden Jahr anstatt 2,3 % nur noch 0,3 % betragen würde. Für die Weltwirtschaft bedeute dies einen Anstieg des globalen BIP von nur 1,3 % statt 2,6 %. Preisdrückend wirken auch die umfangreichen freien Förderkapazitäten. Sie betragen nach Berechnung von Unicredit 5,2 Mill. Barrel pro Tag (bpd).Spekulative Anleger haben auf diese Konstellation bereits reagiert. In der Woche zum 2. Oktober haben sie die Netto-Zahl der Long-Kontrakte, mit denen sie auf einen steigenden Ölpreis setzen, um weitere 12 800 auf ein Siebenwochentief von 141 300 Kontrakten reduziert.Aussicht auf einen steigenden Ölpreis besteht nach Ansicht von Marktteilnehmern nur dann, wenn sich die geopolitischen Spannungen verschärfen. Dies liege mit Blick auf die schwelende Konfrontation zwischen Israel und dem Iran im Bereich der Möglichkeiten. So sind nach Daten der Internationalen Energieagentur IEA die Exporte des Irans in seine wichtigsten Abnehmerländer von 1,74 Mill. bpd im Sommer auf aktuell 1 Mill. bpd gefallen. Die größten Risiken drohten aber bei einem Krieg zwischen der Türkei und Syrien. Zwar produzieren beide Länder kein Öl, durch die Region laufen allerdings mehrere wichtige Ölpipelines, mit denen Europa versorgt wird.Diese Sorgen erklären neben den außer Betrieb genommenen Kapazitäten in der Nordsee auch, weshalb der Spread zwischen WTI und Brent mit mehr als 20 Dollar pro Barrel den höchsten Stand seit einem Jahr erreicht hat. Als ein weiterer Faktor spielt eine Rolle, dass sich der US-Markt in der Phase zwischen Sommerferien und Heizperiode befindet, in die Ölnachfrage niedriger ist.