Politisches Kräftemessen
Ölmarkt
Politisches Kräftemessen
Von Dieter Kuckelkorn
Am globalen Ölmarkt sind die Preisreaktionen derzeit ungewöhnlich. Saudi-Arabien hat eine umfangreiche Kürzung der eigenen Produktion um 1 Mill. Barrel pro Tag (bpd) angekündigt. Angesichts der durchaus vorhandenen physikalischen Knappheit am Ölmarkt müsste der Preis des Energieträgers eigentlich deutlich nach oben gehen, was aber nicht der Fall ist. Aktuell beobachtet werden kann eine erstaunliche Divergenz des Marktes für physikalische Öl und des Marktes für „Papier-Öl“, also die an den Finanzmärkten gehandelten Terminkontrakte.
Wie Ehsan Khoman, Leiter des Rohstoff-Research von MUFG, anmerkt, ist der Versuch der Saudis, den Markt zu erschrecken und eine deutliche Preisreaktion nach oben auszulösen, vorerst gescheitert. Dies liegt daran, dass trotz aller physikalischen Knappheit am Markt für Papier-Öl auf die schwache Konjunkturentwicklung in weiten Teilen der Welt gewettet wird, was an der Positionierung der Shortseller (vgl. Grafik) sichtbar ist.
Dass die Saudis den Ölpreis unbedingt nach oben hieven wollen, hat übrigens auch eine politische Dimension. Wie die „Washington Post“ berichtet, hat US-Präsident Joe Biden den saudischen Kronprinz Mohammed bin-Salman in einem Interview gewarnt, es werde Konsequenzen geben, wenn sich dieser mit Russland auf eine Förderkürzung einigt. Bin-Salman soll darauf mit schwerwiegenden ökonomischen Schäden für die US-Wirtschaft gedroht haben.
Die Ereignisse zeigen, dass am Ölmarkt die Geopolitik stets eine zentrale Rolle spielt. Dabei sollte nicht übersehen werden, dass sich global die Gewichte an den Rohstoffmärkten verschieben. Waren für viele Jahrzehnte die westlichen Verbraucherländer wirtschaftlich, politisch und notfalls auch militärisch dominierend, werden nun die Produzentenländer selbstbewusster.
Selbst wenn es den Saudis diesmal nicht gelingen sollte, den Ölpreis nach oben zu treiben: Längerfristig sitzen Länder wie Saudi-Arabien am längeren Hebel, da der Westen auf die Rohstoffe wie Öl angewiesen bleibt.