Krise im Energiesektor zieht Kreise

Steigende Ausfälle im US-High-Yield-Markt erwartet - In Europa ist Repsol im Fokus - Zu viel Pessimismus?

Krise im Energiesektor zieht Kreise

Von Dietegen Müller, FrankfurtSinkende Ölpreise sind ein Segen für die meisten Länder – gerade für die europäischen, die nicht auf Einnahmen aus dem Öl- und Gassektor angewiesen sind. Für den Energiesektor selbst sind die Folgen gravierend. Die Risikowahrnehmung am Markt geht angesichts des ungebremsten Preisverfalls davon aus, dass nicht nur hochverzinsliche Anleihen, sondern auch qualitativ bessere Segmente des Kapitalmarkts ins Schleudern geraten könnten. Hinein mischen sich Sorgen um eine starke Abkühlung der Konjunktur in China, was aber kaum einen Zusammenhang mit dem Ölpreis hat, wie der Chairman des Vermögensverwalters Oaktree, Howard Marks, im jüngsten Memo an seine Kunden betont.Der US-High-Yield-Markt erreicht etwa 1,5 Bill. Dollar Volumen, der europäische etwa einen Viertel davon. Laut Michalis Ditsas, High-Yield-Portfoliomanager bei J. P. Morgan, macht der Energie- und Rohstoffsektor in den USA davon rund 17 % aus. Zuletzt hatte der US-Schieferölboom zu einem Emissionsboom unter Fracking-Unternehmen geführt. 2015 zeigten sich hier erste Risse. Das Problem vieler Schuldner ist, mit einem Ölpreis unter 40 Dollar je Barrel nicht mehr profitabel zu sein. Strategisches Kalkül von Saudi-Arabien spielt hier hinein, das als Förderland hinter die USA und Russland zurückgefallen ist. Gerard Reid vom Research-Haus Alexa Capital meint, der Wüstenstaat versuche Marktanteile zurückzugewinnen, indem er den Preis drücke und die Kapitalkosten erhöhe. Bisher sei die Strategie fehlgeschlagen, weil sich viele Produzenten abgesichert hätten. Nun würden aber Hedges auslaufen, es komme zu Cash-flow-Problemen und Kreditausfällen – eine Gelegenheit für die Saudis, günstig Assets bei Wettbewerbern einzusammeln. Die Aktie des Energiekonzerns Saudi Aramco könnte dabei als Tauschwährung eingesetzt werden, glaubt Reid. Trifft dieses Szenario ein, dürfte der Energiesektor Investoren noch länger Verluste bringen.Dabei weist der High-Yield-Bereich momentan eigentlich außergewöhnlich tiefe Ausfallraten aus, der Niedrigzinspolitik der Notenbanken sei Dank. Nur Energie- und Rohstoffsegment stechen negativ heraus. Im vierten Quartal 2015 haben laut der Ratingagentur Moody’s die Ausfälle im Öl- und Gassektor 30 % zugelegt, was stark zum Anstieg der Insolvenzrate insgesamt im spekulativen Segment auf 3,4 % mit 108 Ausfällen geführt hat. Moody’s erwartet für 2016 einen weiteren Anstieg auf 3,6 % weltweit, in den USA bis auf 4,4 % und in Europa von 3 %.Auch der Kreditspezialist Credit Sights rät im US-Öl- und Gassektor zu größter Zurückhaltung und erwartet im High-Grade-Bereich Abstufungen sowie im High-Yield-Segment Restrukturierungen. Mit einem Ölpreis unter 35 Dollar sieht Credit Sights auch Druck auf die Ratings europäischer Branchenvertreter. Die Analysten glauben aber, dass das größte Sorgenkind, Repsol, das Investment-Grade-Rating halten kann. Folgen für US-BankenDie Frage ist, ob nun der ganze High-Yield-Markt und weitere Anlageklassen angesteckt werden. So prognostiziert J. P. Morgan 2016 weiter Positionsbereinigungen von Staatsfonds, was Aktien- und Rentenmärkte belasten dürfte. Auch im Bankensektor nehmen die Anspannungen zu. Laut Reuters ist Wells Fargo unter den US-Adressen vor Bank of America Corp, Citigroup, Comerica und BB & T am stärksten im Energiesektor engagiert.Für Howard Marks könnte der Markt die negativen Folgen des Ölpreisverfalls überbewerten, wobei offen sei, ob es zur Abwärtsspirale komme. Doch ruft Marks eine “etwas aggressivere”, also risikofreudigere Haltung aus – eine Wiederholung von 2008 sei nicht zu erwarten, trotz vieler Risiken wie etwa China.