TECHNISCHE ANALYSE

Krisengeschüttelter Dax

Von Christian Henke *) Börsen-Zeitung, 27.8.2014 Seit einigen Wochen und Monaten prasselt ein ganzes Füllhorn an schlechten Nachrichten auf die internationalen Finanzmärkte herab. Vor allem die derzeitigen geopolitischen Konflikte in der...

Krisengeschüttelter Dax

Von Christian Henke *)Seit einigen Wochen und Monaten prasselt ein ganzes Füllhorn an schlechten Nachrichten auf die internationalen Finanzmärkte herab. Vor allem die derzeitigen geopolitischen Konflikte in der Ostukraine, dem Nahen Osten und im Irak haben bei den Anlegern die Stimmung gehörig gedrückt. Kein Wunder, dass die genannten Störfaktoren auch Schaden in dem einen oder anderen Chartbild hinterlassen haben. Im Gegensatz zu den Indizes in den USA, wo die charttechnische Welt noch in Ordnung ist, mussten beim deutschen Leitindex Dax den Bären wichtige Unterstützungen überlassen werden. Zwar ist das heimische Börsenbarometer angeschlagen, jedoch noch nicht gänzlich am Boden. Hausse unterbrochenBis Mitte Juni dieses Jahres wiegten sich die Investoren hierzulande in Sicherheit. Zu diesem Zeitpunkt markierte der Dax mit 10 048 Punkten auf Intraday-Basis eine neue historische Bestmarke. Alles sah danach aus, als könnte die nächste psychologisch wichtige Marke bei 11 000 Zählern in Angriff genommen werden. Doch ein Blick auf den Wochenchart verrät es bereits, es sollte alles anders kommen. Infolge der eingangs erwähnten Krisenherde wurde der Vormarsch gen Norden unterbrochen. Fast schon panikartig verkauften die Marktteilnehmer ihre deutschen Aktien. Sowohl die Oberseite der recht breiten Seitwärtsphase bei 9 795/9 794 Zählern als auch die untere Trendlinie des mittelfristigen Aufwärtstrendkanals konnten dem Abgabedruck nicht standhalten. Trauriger Tiefpunkt des Kursdesasters war das Zwischentief bei 8 904 Punkten von Anfang August. Dieses Niveau wurde bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr erreicht. Mitte März, wenige Tage vor dem Referendum auf der Halbinsel Krim, ging es bis 8 910 Zähler abwärts. Unterstützung verteidigtDass auch diese Verteidigungslinie der Bullen nicht überrannt wurde, ist im Wesentlichen einer Unterstützungszone zu verdanken. Bereits im März musste sich die horizontale Schiebezone bei 8 952/8 982 Punkten einem Test unterziehen. Auch erst kürzlich ging es kurzzeitig unter diese Preisspanne. In beiden Fällen konnte die Talfahrt jedoch aufgehalten werden. Ein ähnliches Bild liegt auch bei anderen Chartdarstellungen des deutschen Leitindex vor. Eine solche Unterstützung ist beim klassischen Point & Figure-Chart sowie beim japanischen Renko-Chart zu beobachten. Im hier verwendeten Kerzenchart (Candlestick-Chart) konnte sich der Dax von dem genannten Niveau mittlerweile deutlich nach oben entfernen. Indikatoren in BedrängnisEs dürfte nicht allzu sehr überraschen, dass angesichts der seit Juli andauernden Abwärtsbewegung auch einige Indikatoren die Seite gewechselt haben. Im Wochenchart sind die bekannten Bollinger-Bänder mit der Einstellung 40 Handelstage und eine Standardabweichung als Handelssystem zu sehen. Ein Kaufsignal liegt vor, wenn die Notierungen am Ende einer Woche über dem oberen Band schließen. Umgekehrt springt die technische Ampel auf Rot. Ende Juli wurde ein Verkaufssignal generiert. Auch der gewichtete 40-Wochen-Durchschnitt mahnt derzeit zur Vorsicht. Die Glättungslinie wurde nicht nur unterschritten, sie hat zudem nach unten gedreht. Allerdings kann noch kein Ausstiegssignal bestätigt werden. Erst wenn die Durchschnittlinie nachhaltig gen Süden dreht, wäre die Hausse vorbei. In der jüngsten Vergangenheit lag der Dax über Wochen unter diesem Trendfolgeindikator. Dieser hat den deutschen Leitindex jedoch letztendlich wieder nach oben gezogen. Eine Pattsituation liegt momentan auch bei den Indikatoren auf Monatsbasis vor. Wir verwenden einen Mix aus den vier Indikatoren bzw. Oszillatoren aus Moving Average Convergence/Divergence (MACD), Momentum, Relative-Stärke-Index (RSI) und Williams %R. Zwei von vier der beschriebenen befinden sich aktuell im negativen Terrain. Ist dies auch am Ende dieses Monats der Fall, liegt ein Unentschieden vor. Mit anderen Worten: Es besteht noch kein Handlungsbedarf. Erst wenn drei Indikatoren ein Verkaufssignal liefern, gilt der mittelfristige Aufwärtstrend als beendet. Ampel auf GelbNeben den geopolitischen und konjunkturellen Negativschlagzeilen spielt auch die Saisonalität den Bären derzeit in die Karten. Statistisch betrachtet gehören die Monate Juli bis September zu den schwächsten eines Börsenjahres. Bislang trifft diese Aussage zu. Erst ab Ende September verbessert sich dann die Lage. Sehr häufig kommt es dann ab dem 19. Dezember bis zum 6. Januar zu der sogenannten und allzeit beliebten Jahresendrally. Der Dax hält sich im Augenblick in einer Seitwärtsbewegung auf, die nach unten durch die erwähnte Unterstützungszone bei 8 952/8 982 Punkten begrenzt wird. Nach oben versperrt der Widerstand bei rund 9 800 Zählern den Weg. Erst wenn diese Hürde sowie die unterschrittene Trendkanallinie bei aktuell 9 870 Punkten überwunden werden, könnten die Anleger hierzulande wieder zur Normalität zurückkehren. Bis dieses Szenario eintritt, steht die technische Ampel auf Gelb.—-*) Christian Henke ist Senior-Marktanalyst beim Handelshaus IG und Mitglied in der Vereinigung Technischer Analysten Deutschlands (VTAD).