TECHNISCHE ANALYSE

Kursaufspaltung an Europas Aktienmärkten

Von Achim Matzke *) Börsen-Zeitung, 26.8.2020 Die Kursentwicklung der wichtigen europäischen Aktienindizes im Jahr 2020 ist u. a. durch eine von der Corona-Pandemie ausgelöste Kursaufspaltung und Konturschärfe geprägt, wie sie seit Jahren nicht...

Kursaufspaltung an Europas Aktienmärkten

Von Achim Matzke *)Die Kursentwicklung der wichtigen europäischen Aktienindizes im Jahr 2020 ist u. a. durch eine von der Corona-Pandemie ausgelöste Kursaufspaltung und Konturschärfe geprägt, wie sie seit Jahren nicht mehr aufgetreten ist. Die relative Stärke bzw. relative Schwäche der verschiedenen länderspezifischen Aktienindizes ist zuerst auf das allgemeine Krisenmanagement in den Ländern zurückzuführen. Hauptverantwortlich ist aber die Repräsentanz von “Coronakrisen-Gewinner- bzw. Verlierersektoren” in den jeweiligen Indizes. Beispiele für eine technisch attraktive Gesamtlage sind der dänische OMX Copenhagen 20 (OMX C20) und der Schweizer SMI. Im technischen Mittelfeld im europäischen Vergleich findet sich der französische CAC 40. Mit einer ausgeprägten relativen Schwäche derzeit wenig attraktiv sind die britischen Blue Chips sowie der spanische Ibex 35. Auf technischer RekordfahrtDer OMX C20 enthält die 20 größten und liquidesten Kopenhagener Aktien. Es handelt sich um einen Kursindex, der am 3. Juli 1989 als KFX (Kobenhavns Fondsbors Index) mit einem Basiswert von 100,0 startete. Im Januar 2005 wurde der Index in OMX Copenhagen 20 umbenannt, als die skandinavische Gemeinschaftsbörse OMX die Börse Kopenhagen übernahm.Ab September 2011 etablierte der Index – ausgehend von etwa 386 Punkten – eine technische Hausse, die im Sommer 2015 bis auf 1 045 Punkte führte. Angesichts der überkauften Lage bewegte er sich unterhalb der Resistance-Zone (1 045 bis 1 062) in eine Seitwärtsbewegung, die in den Folgejahren zu einem charttechnischen Aufwärtsdreieck wurde. Da es sich um eine trendbestätigende Formation (nach oben) handelte, überrascht es nicht, dass sich der Index zum Jahreswechsel 2020 mit einem Investment-Kaufsignal nach oben abgesetzt hat. Auch der kurzfristige Kursrutsch im Zuge der Corona-Baisse (Februar/März 2020) hat das positive technische Gesamtbild nicht gedreht. In den letzten Wochen hat der Index mit weiteren Kaufsignalen nachgelegt und ist auf neue All-Time Highs gestiegen. Die technische Gesamtlage und die intakte relative Stärke im europäischen Vergleich signalisieren dabei für den Rest des Jahres ein weiteres technisches Kurspotenzial bis in den Bereich um 1 450 Punkte.Der französische CAC 40 umfasst die nach Free-Float-Marktkapitalisierung 40 größten und liquidesten an der Euronext in Paris notierten Aktien. Dieser Kursindex weist aktuell eine (Brutto-)Jahresdividendenrendite von leicht über 2 % auf. Der CAC 40 befand sich – ausgehend von einem Level um 2 465 (März 2009) – in einem moderaten technischen Hausse-Zyklus, wobei er bis zum Februar 2020 auf 6 111 Punkte und damit bis in die langfristige Resistance-Zone von 6 100 bis 6 200 (stammt aus 2006/2007) gestiegen war. Durch die Corona-Baisse hat der Index den technischen Hausse-Zyklus zur Seite verlassen, so dass dieser aus übergeordneter Sicht eine Pause macht.Die Corona-Baisse sorgte im Index für einen technischen Sell-off, wobei der CAC 40 – nicht zuletzt aufgrund seines hohen Anteils an Öl- und Gas- bzw. Finanzaktien – zunächst eine relative Schwäche im europäischen Vergleich aufwies. In den letzten Wochen ist es auch im CAC 40 zu einem Recovery gekommen, wobei der Index aktuell in einer Konsolidierung (moderates Aufwärtsdreieck) unterhalb der leicht fallenden 200-Tage-Linie (aktuell bei ca. 5 190) festhängt. Die technische Gesamtlage signalisiert für das zweite Halbjahr 2020, dass dem CAC 40 eine Kursetablierung oberhalb der 200-Tage-Linie gelingen sollte.Der spanische Ibex 35, ein Kursindex, ist nach Free-Float-Marktkapitalisierung gewichtet und umfasst die 35 liquidesten Titel der dortigen Aktienbörse. Trotz der vielen Facetten im Index ist der Ibex 35 besonders vom spanischen (Groß-)Bankensektor mitgeprägt. Deshalb darf die seit einigen Jahren bestehende relative Schwäche im europäischen Indexvergleich nicht überraschen. Der Index befindet sich seit April 2015 – im Gegensatz zu vielen anderen Aktienindizes in Europa – ausgehend von 11 885 Punkten in einer Baisse-Bewegung (zentrale Baisse-Trendlinie aktuell erst bei 10 000). Innerhalb dieser Bewegung ist es bisher zu einem Wechselspiel von Verkaufssignalen, Abwärtstrends und Zwischenerholungen gekommen. Das Kursniveau um 10 000 Punkte (Februar 2020) markierte im Index – begleitet von mehreren Verkaufssignalen – den Start in die beschleunigte Corona-Baisse, die erst in einem technischen Ausverkauf bei 5 814 Punkten im Bereich der seit 2002/2003 bestehenden langfristigen Support-Zone (5 300 bis 5 900) endete. Die seitdem laufende moderate Erholung ist weiterhin von einer relativen Schwäche im europäischen Vergleich geprägt. Beim Ibex 35 sollte eine tragfähige Bodenformation abgewartet werden, bevor es zu einer neuen technischen Einschätzung kommt. *) Achim Matzke ist bei der Commerzbank im Bereich Technische Analyse & Index Research tätig.