Kurzfristige Pause im Aufwärtstrend
Von Stefan Salomon*)
Der Deutsche Aktienindex hat Potenzial. Nach Lesart der einfachen Chartanalyse mit Bleistift und Lineal besteht die Chance auf einen Punktestand von rund 17000 Zählern zum Ende 2021. Dieses Ziel lässt sich aus Sicht der Trendanalyse ableiten. So kann ein seit dem Jahr 2016 laufender Aufwärtstrendkanal konstruiert werden. Ein Aufwärtstrendkanal wiederum beruht auf der Annahme, dass sich die Kurse in Richtung und Geschwindigkeit mit einer dem Trendkanal angepassten Schwankungsbreite bewegen. Die maximale Schwankungsbreite wird hierbei von der oberen Begrenzungslinie des Trendkanals definiert. Somit stellt die nach oben maximal ableitbare Schwankungsbreite eben auch das normale Kursziel des Trendkanals dar. Damit offeriert der Trendkanal für den Deutschen Aktienindex ein Ziel von bis zu 17000 Punkten bis Ende dieses Jahres.
Bullishe Gesamtstimmung
Das oben skizzierte maximale Kursziel wird im Deutschen Aktienindex zudem durch stets neue Allzeithochs bislang bestätigt. Denn ein Grundsatz der Chartanalyse lautet: Jedes neue Hoch bestätigt die Aufwärtsbewegung. Da auch ein zweiter Grundsatz für eine Aufwärtsbewegung, ansteigende Tiefpunkte, aktuell im Kursverlauf des Dax gegeben sind, kann somit von einer grundsätzlich bullishen Gesamtstimmung im Markt ausgegangen werden.
Es mehren sich allerdings gegenwärtig die Signale für eine Pause in der Aufwärtsbewegung. Die jüngsten starken weißen, also positiven Wochenkerzen spiegeln das Bild einer ersten, kurzfristigen Euphoriesituation wider. Dies allein wäre aus Sicht der Chartanalyse noch kein Warnsignal. Doch in Verbindung mit den Standardindikatoren sind überkaufte Zustände festzustellen.
Überkaufte Chartsituation
So stieg der RSI auf Wochenbasis auf ein Niveau von 70. Dieser Oszillator ist als Kauf- oder Verkaufssignal zwar für sich allein genommen ungeeignet. Doch als zusätzlicher Mosaikbaustein im Werkzeugkasten des Chartanalysten weist der erreichte Wert des Indikators zumindest auf eine mögliche Pause im Trend hin. Ein weiteres Indiz für eine überkaufte Chartsituation bietet der MACD auf Wochenbasis. Die Werte des MACD, der als Indikator sowohl trendfolgende als auch oszillierende Eigenschaften aufweist, haben seit dem Jahr 2015 keine höheren Werte angenommen.
Ein weiteres Anzeichen für eine zumindest kurzfristig überhitzte Chartsituation kann aus dem Verlauf des Bollinger-Bandes abgeleitet werden. Im Aufwärtstrend ist ein Anstieg über das obere Band dieses Volatilitätsindikators durchaus trendbestätigend. Statistisch betrachtet ist allerdings hier oftmals eine Pause oder gar ein kurzer Rücksetzer zu beobachten. Da das Bollinger-Band den „Normalbereich“ der Kurse darstellt, wäre somit ein weiterer Anstieg des Blue-Chip-Index mit deutlichem Ausbruch aus dem Bollinger-Band nach oben ein unwahrscheinliches Szenario.
Die Hausse treibt die Hausse
Trotz alledem gilt: Der Markt hat immer Recht. Die Hausse treibt die Hausse. Ohne klare Verkaufssignale – die gegenwärtig nicht vorliegen – darf an der grundsätzlich positiven Verfassung des Marktes und des Deutschen Aktienindex festgehalten werden. Die oben erwähnten Standardindikatoren sind zudem nur ein temporäres Zustandsbild des Marktes.
Ein weiterer Indikator, der statistisch treffend deutliche Zustände der Euphorie oder der Depression im Deutschen Aktienindex in der Vergangenheit erkennen konnte, ist noch als neutral zu werten: der prozentuale Abstand zwischen dem Dax-Tagesschlusskurs und der 200-Tage-Linie. Dieser langfristig wirkende gleitende Durchschnitt fungiert hierbei eher als „Anker“ der Masse der Marktteilnehmer für die faire Bewertung des Marktes. Der aktuelle Stand der 200-Tage-Linie bei 13372 Punkten notiert aktuell knapp 14% unter dem Stand des Dax vom Dienstagmittag. Sehr starke Übertreibungen mit deutlicher Aussage hinsichtlich eines Positionsabbaus fanden in den vergangenen Jahrzehnten jedoch meist erst im Bereich von über 18% statt. Demzufolge hätte der Deutsche Aktienindex noch etwas Luft nach oben. Das Gesamtbild der Indikatoren weist hingegen zumindest auf die Möglichkeit einer kurzfristigen Pause im Aufwärtstrend hin.
Rücksetzer Kaufgelegenheit
Als Fazit kann festgehalten werden, dass Rücksetzer aufgrund des insgesamt bullishen Gesamtbildes sowie der Trendanalyse eher als Kaufgelegenheit interpretiert werden dürften. An schwächeren Tagen darf der Anleger daher auf kurzfristige Kaufsignale achten. Eine deutliche Eintrübung der Chartsituation hingegen ergibt sich bei einem Fall des Index unter ein Tief vom 26. März 2021 bei 14422 Punkten. Ein weiteres negatives Signal ergäbe sich bei Break eines Tiefs von Ende Februar 2021 in Verbindung mit einem Bruch eines kurzfristigen Aufwärtstrends bei rund 13660 Punkten per Tagesschlusskurs. Ein Test und Breakversuch der 200-Tage-Linie müsste in diesem gegenwärtig noch unwahrscheinlichen Szenario eingeplant werden.
*) Stefan Salomon ist freiberuflicher Chartanalyst (www.candlestick.de).