GASTBEITRAG

Labels für nachhaltige Geldanlagen: Top oder Flop?

Börsen-Zeitung, 13.2.2020 EU-Aktionsplan, Nachhaltigkeitsbeirat der Bundesregierung - Sustain-able Finance ist im Mainstream angekommen. Neben politischen Initiativen steigen die Anlagesummen nach ESG-Kriterien an. Steckt aber dort, wo...

Labels für nachhaltige Geldanlagen: Top oder Flop?

EU-Aktionsplan, Nachhaltigkeitsbeirat der Bundesregierung – Sustain-able Finance ist im Mainstream angekommen. Neben politischen Initiativen steigen die Anlagesummen nach ESG-Kriterien an. Steckt aber dort, wo Nachhaltigkeit draufsteht, auch wirklich Nachhaltigkeit drin? Zur besseren Kennzeichnung solcher Anlagen wurden Nachhaltigkeitslabels für Finanzprodukte entwickelt. Allerdings stehen diese immer wieder in der Kritik – zu Recht?Zunächst muss man klären, was unter nachhaltigen Geldanlagen verstanden wird. Immer wieder wird behauptet, dass diese, der Nachhaltigkeitsbegriff insgesamt, nicht definiert sind. Das stimmt so nicht. Sowohl Nachhaltigkeit (im Brundtland-Bericht) als auch nachhaltige Geldanlagen (in der Darmstädter Definition) wurden definiert. Richtig ist, dass diese Definitionen eine Vielzahl von Aspekten umfassen und genauere Interpretationen benötigen. Für ESG-Produkte kann dies zum Beispiel der Ausschluss von Kinderarbeit oder die Fokussierung auf erneuerbare Energien sein. Beides steht im Nachhaltigkeitskontext, es sind aber unterschiedliche Facetten. Daher stellt sich die Frage: Was sollten nachhaltige Geldanlagen mindestens umfassen bzw. was sollte auf gar keinen Fall darin enthalten sein? Um hierfür Standards zu setzen, im Idealfall durch einen breiten Stakeholder-Prozess legitimiert, eignen sich Nachhaltigkeitslabels.Als Nächstes gilt es zu definieren, wie viel Nachhaltigkeit in einer ESG-Anlage stecken soll. Wenn man eine 100-prozentige ökologische Geldanlage haben möchte, dürften die Gelder nur so angelegt sein: 100 % erneuerbare Energie und Kreislaufwirtschaft – es dürfte also kein CO2 emittiert werden und alles müsste recycelt werden. Ist dies insbesondere für ein breit aufgestelltes Portfolio realistisch? Sicher nicht. Daher muss man Abstriche machen. Und genau an dieser Stelle muss definiert werden, was nun vertretbar ist bzw. welche Grenzen gesteckt werden. Hierfür bieten sich Nachhaltigkeitslabels ebenfalls an.Damit wird klar, was Nachhaltigkeitslabels leisten können: Transparenz erhöhen und Richtungssicherheit geben. Genauso wie 100 % nachhaltiges Wirtschaften für die allermeisten Sektoren unmöglich ist, sondern es vielmehr darauf ankommt, vielerlei Anstrengungen für eine nachhaltigere Wirtschaft zu unternehmen, so können auch Nachhaltigkeitslabels “nur” Best Practice attestieren. Als Universität Hamburg erfahren wir im Rahmen unserer Auditoren-Rolle für das FNG-Siegel vom Forum Nachhaltige Geldanlagen praxisnahe Einblicke, was dies bedeutet. Solide Governance notwendigDie Funktionsweise eines Siegels beginnt mit den Anforderungen an die Trägerorganisation. Wenn nun ein Gütezeichen aus einer Branche heraus entwickelt wird, kann der Eindruck entstehen, dass die jeweiligen Branchenmitglieder bevorzugt behandelt werden. Dem kann nur mit einer soliden Governance entgegengewirkt werden. Für die Glaubwürdigkeit ist sowohl Pluralität, also die Einbeziehung unterschiedlicher Akteure wie NGOs, Wissenschaft sowie Produktanbieter und -nachfrager als auch die Unabhängigkeit zwischen Auditor und Bewerbern essenziell. Im Falle des FNG-Siegels sind wir als Auditor und das Siegelkomitee mit externen Experten (Vertretung verschiedener Stakeholder) als weitere Beratungs- und Überwachungsinstanz im Siegelvergabeprozess verankert.Im Rahmen einer Negativselektion werden Titel, oft nach Industriezweig oder Geschäftspraktik, aus dem Anlageuniversum eines Finanzprodukts ausgeschlossen. Kontroverse Praktiken werden beispielsweise durch die zehn Prinzipien des UNGC definiert. Allerdings gibt es dafür keine übergeordnete Institution, die Verstöße überwacht, so dass es in der Praxis zu einer individuellen Bewertung kommt, ob ein Verstoß vorliegt. Hier ist eine pragmatische Systematik gefordert, die regelgebunden in einem Investmentprozess verankert sein muss. So können im Zuge des Ausschlusses von Industrien Umsatz- oder Kapazitätstoleranzen definiert sein. Als Beispiel: Unternehmen mit mehr als 5 % Umsatz aus dem Kohlebergbau. Dies führt dann wiederum zu der Kritik, dass weiterhin in Kohle investiert wird. Doch was vernachlässigt wird: In welche Titel kann dann überhaupt noch investiert werden? Wie soll mit “Dual Use”-Fällen umgegangen werden? Daher ist ein pragmatischer Ansatz hier elementar. Direkte Wirkung festzustellen Ein Portfolio ist nicht statisch, es kommt regelmäßig zu einem Umschlag von Portfoliotiteln, so dass der Zeitpunkt der Betrachtung eine erhebliche Rolle spielt. Um eine “Echtzeit-Überwachung” vornehmen zu können, müssten alle Handelsentscheidungen laufend überwacht werden, was operativ aus Datenschutzgründen, IT-Anbindung und Abläufen in den jeweiligen Depotbanken nicht realisierbar ist. Das FNG-Siegel prüft deshalb jährlich die Kriterien, schaut sich rückwirkend Portfolios an und nimmt Stichproben. Dabei werden auch interne Abläufe analysiert und der Bewerber muss belegen, dass er Prozesse eingerichtet hat, um die Ausschlüsse kontinuierlich zu gewährleisten. Auch hat die Tatsache, dass fast kaum ein Bewerber durchfällt, nichts mit der Strenge eines Labels zu tun. Da die Mindestkriterien klar definiert und öffentlich sind, hat ein Anlageprodukt, bevor es sich dem Prüfverfahren stellt, in der Regel bereits seine Pflicht-Hausaufgaben erledigt.Als Auditor für das FNG-Siegel können wir eine direkte Wirkung attestieren: Portfolios werden nachhaltiger gestaltet – Titel werden verkauft, Engagement-Aktivitäten werden ausgebaut und Reportings erweitert. Wir sind davon überzeugt, dass Nachhaltigkeitslabels nachhaltigeres Wirtschaften vorantreiben. Timo Busch, Professor für BWL, insbes. Energie- und Umweltmanagement an der Universität Hamburg und Simone Wagner, Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Hamburg am Lehrstuhl von Prof. Busch