LBBW steht zum Vollsortiment
Dem Kosten- und Wettbewerbsdruck sowie den Herausforderungen durch die Digitalisierung begegnet die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) im Research mit einem eigenen Ansatz: Das Haus hat sich bereits 2015 auf die veränderten Rahmenbedingungen eingestellt und eine neue Struktur eingeführt.Von Isabel Gomez, StuttgartSeit der Finanz- und Schuldenkrise hat sich die Research-Landschaft verändert. Einst große Abteilungen, etwa die der WestLB, sind vom Markt verschwunden. Der Trend zu Passivinvestments sowie die Finanzmarktregulierung führten zur Konsolidierung der Branche. In dieser Zeit machten sich auch bei der LBBW die Verantwortlichen Gedanken darüber, wie das eigene Research diesen Wandel überstehen kann. Uwe Burkert, seit 2013 LBBW-Chefvolkswirt und Leiter der Abteilung Research, verpasste seinem Bereich zum Jahresbeginn 2015 daher eine neue Struktur.Ziel der Neuaufstellung war es, den politischen Herausforderungen besser begegnen zu können, schneller auf Trends reagieren zu können und Kapazitäten effizienter einzusetzen. Seither steht die volkswirtschaftliche Abteilung an der Spitze des Research und gibt die makroökonomische Marschrichtung vor. Darunter sind die Abteilungen Corporates und Sovereigns/Financials angesiedelt. Die 60 Analysten der Bank müssen sich dabei in der Aktienanalyse ebenso wohlfühlen wie in der Analyse von Anleihen.Die Hauptkunden sind Versicherungen und Sparkassen. Dabei wird bei den Sparkassen zwischen dem Retail-Geschäft – also Research, das die Sparkassen in der Beratung nutzen – und dem Research, das sie für die Eigenanlagen nutzen, das Depot-A-Geschäft, unterschieden. Auf diese beiden Blöcke entfällt jeweils ein Drittel des Geschäfts von LBBW Research, für das letzte Drittel stehen Versicherungen, Pensionskassen und Fondsgesellschaften. Beide Seiten im BlickDiese Kunden öffnen sich Burkert zufolge durch den nach unten zeigenden Zinstrend zunehmend für die jeweils andere Anlageklasse. “Dem haben wir mit unserer Aufstellung Rechnung getragen”, so Burkert. Im Idealfall betreue ein Analyst ein Unternehmen und betrachte dabei beide Seiten. “Diese Flexibilität hat uns in die Lage versetzt, Anleiheemissionen oder Emissionen von Schuldscheindarlehen sehr gut zu bewältigen und gleichzeitig mehr als 250 Unternehmen auf der Aktienseite zu covern”, so Burkert. Besonders sinnvoll sei die Einteilung bei der Analyse von Finanzdienstleistern. Bei ihnen sei der Blick auf das große Ganze durch die Regulierung, die Kosten des Eigenkapitals oder die Gläubigermithaftung und deren Auswirkungen besonders wichtig. Skepsis bei InvestorenDie Vermischung von Aktien- und Anleihen-Research rief Burkert zufolge anfangs durchaus Skepsis bei den Investoren hervor. “Aber wir machen das jetzt seit eineinhalb Jahren und bekommen positives Feedback”, sagt er. Er glaubt sogar, dass der Weg der LBBW ein Vorbild sein kann: “Ich würde mich nicht wundern, wenn es andere Häuser gibt, die sich in eine ähnliche Richtung entwickeln.” Der Wunsch, durch die Aufstellung neue Trends schnell aufnehmen zu können, habe sich erfüllt. Die LBBW arbeitet etwa eng mit Versicherungen in der Analyse von Bonitätsrisiken zusammen. Diese investieren wegen des niedrigen Zinsniveaus verstärkt in Unternehmensanleihen, dürfen sich dabei aus regulatorischen Gründen aber bei der Bewertung nicht mehr allein auf Ratingagenturen verlassen. “Wir helfen mit speziellem Research, aber auch mit Watchlists und einer Art Frühwarnsystem. Diese Dienstleistungen werden dann der Bank vergütet”, so Burkert. Seine Abteilung sei zwar “kein Profit-Center, aber wir tragen unseren Teil bei”. Die 2015 geschaffene Struktur mache durch die höhere Auslastung der Analysten auch betriebswirtschaftlich Sinn. Detaillierte Zahlen gibt die LBBW nicht preis. Chancen durch Big DataDie überarbeitete europäische Finanzmarktrichtlinie Mifid II soll Anfang 2018 in Kraft treten und besagt unter anderem, dass Assetmanager von Brokern keine Zuwendungen, darunter Aktien-Research, mehr annehmen dürfen. “Wir sind mit Blick auf Mifid II durch unsere Kundenstruktur nicht so stark betroffen wie andere Häuser, da wir im Vergleich zu unserer Gesamtkundenzahl wenige Gesellschaften beliefern, die Drittgelder verwalten und die Mifid II unmittelbar trifft”, so Burkert. Zwar wolle auch die eine oder andere Sparkasse im Eigengeschäft wissen, was das Research kostet. Es bestehe aber anders als bei Vermögensverwaltern oder Fondsgesellschaften kein Zwang, es separat zu bezahlen. “Wir werden das aber auch spüren; welche Auswirkungen sich daraus für uns ableiten, untersuchen wir gerade”, so Burkert.Für die Zukunft setzt Burkert darauf, dass die Digitalisierung von Prozessen auch im Aktien-Research einen Mehrwert bringt. “Digitalisierung und Big Data bedeuten für uns vor allem eine ganz andere Informationsversorgung. Das gilt für alle Bereiche, auch für Statistiken”, so Burkert. Er nennt als Beispiel die Inflationsrate, die, einmal vom Statistischen Bundesamt erhoben, für einen Monat gilt. Dabei könnte sie durch einen Preisabgleich aller Produkte auf Amazon oder ähnlichen Portalen in Echtzeit berechnet werden – und wäre in dieser Form eine präzisere Grundlage für tagesaktuelle Analysen. Seine Abteilung arbeite mit Big Data daran, Informationen besser vorzufiltern, damit sich der Analyst auf das Wesentliche konzentrieren könne. Junge Trainees mit hoher IT-Affinität, die in die Abteilung integriert wurden, sollen dafür sorgen, dass neue Technologien auch schnell angewandt werden.Dass eines Tages kein Mensch mehr benötigt wird, um Aktien oder Anleihen zu analysieren und die Ergebnisse zu vertreiben, glaubt Burkert nicht. Bei der LBBW sei auch die direkte Kommunikation mit Investoren Aufgabe der Analysten. Der Anteil des Geschäfts, der mit Publikationen gemacht werde, liege derzeit bei 52 %, sagt Burkert. Der Anteil zusätzlicher Dienstleistungen bei 48 %. “Der Anteil der Services wie Vorträge oder Kundengespräche bei Investoren und Unternehmen ist gestiegen und wird weiter zunehmen”, ist Burkert sicher.—-Zuletzt erschienen: – Commerzbank fokussiert sich auf inländische Aktien (9. August)- Ansichtssache Ralf Frank, DVFA: Es ist an der Zeit, Research neu zu denken (12. August)- Bankhaus Metzler: “Wir wollen stets tief graben” (16. August)