LEG hat noch reichlich Luft nach oben
Von Annette Becker, DüsseldorfSeit gestern ist der Kurszettel an der Frankfurter Börse um einen Immobilientitel reicher, die Deutsche Annington. Hatten die Bochumer vor Wochenfrist den Börsengang zunächst abgeblasen, drückten sie eine Woche später mit verringertem Angebot und niedrigerem Preis den Reset-Knopf. Das negative Sentiment, das von der Absage des IPO ausgegangen war, lastete jedoch nur vorübergehend auf den bereits börsennotierten Wohnimmobilienkonzernen Deutsche Wohnen, Gagfah, GSW Immobilien und LEG Immobilien, die allesamt im MDax notieren. Denn schon am Folgetag sorgte EZB-Präsident Mario Draghi für Auftrieb. Unterstützung von DraghiDie Botschaft, die Draghi für die Kapitalmärkte parat hatte – niedrige Zinsen auf absehbare Zeit -, kommt den Immobilienunternehmen in besonderer Weise zupass. Denn diese haben den Fremdkapitalhebel für gewöhnlich recht weit nach oben gezogen, so dass anziehende Zinsen wegen der dann steigenden Finanzierungskosten Gift sind. Es ist wohl kaum ein Zufall, dass der Mitte/Ende Mai einsetzende Kursverfall der Immobilienaktien zusammenfiel mit ersten Spekulationen über das bevorstehende Ende der Anleihekäufe durch die US-Notenbank.Die Aktie de LEG Immobilien – die Düsseldorfer eröffneten hierzulande am 1. Februar erfolgreich das IPO-Jahr – bildet dabei keine Ausnahme. Den Erstzeichnern, die 44 Euro zahlten, hat der Titel bislang einen Kursverlust von über 10 % beschert und das, obwohl die Aktie Ende Juni in den Auswahlindex MDax aufgenommen wurde und sich Investoren im Vorfeld entsprechend positioniert hatten. Vier Tage vor der Indexaufnahme, am 20. Mai, erreichten LEG mit 46,27 Euro ihr bisheriges Kurshoch. Dann setzten die Spekulationen über das Ende der Politik des billigen Geldes ein und die Kursgewinne lösten sich recht schnell in Wohlgefallen auf. Am Mittwoch dieser Woche ging das Papier mit 38,60 Euro aus dem Handel, der bislang niedrigste Schlusskurs.Unter den im MDax notierten Immobilienwerten – die TAG Immobilien bleibt in dieser Betrachtung aufgrund der Größenunterschiede außen vor – weist die LEG für den Zeitraum 1. Februar bis 10. Juli zusammen mit Deutsche Wohnen die schwächste Entwicklung auf. Dabei liegt die Verschuldung des Düsseldorfer Unternehmens – gemessen an den Finanzschulden in Relation zum Verkehrswert der Immobilien (Loan-to-Value, LTV) – mit 48 % auf einem im Branchenvergleich moderaten Niveau. Die von der LEG als Peer Group herangezogenen Deutsche Wohnen und GSW weisen beim LTV Werte von 55 bzw. 53 % auf.Die Gagfah – der mit 145 000 Wohneinheiten zweitgrößte Wohnimmobilienkonzern – zeigt sogar einen LTV von 64 %, schneidet im Betrachtungszeitraum mit einem Kursverlust von 4,4 % gleichwohl nicht schlecht ab. Hierfür sind allerdings unternehmensspezifische Gründe verantwortlich. Denn seit Mitte April weht bei den Luxemburgern unter CEO Thomas Zinnöcker ein neuer Wind. Nach einer milliardenschweren Refinanzierung im Juni ergänzte Gagfah erst am Mittwoch ihre bilanziellen Reparaturen mit einer Kapitalerhöhung. Höchste DividendenrenditePunkten kann die LEG aber noch in einer anderen Hinsicht, bietet sie im Sektor mit 4 % doch die höchste Dividendenrendite. Grundsätzlich sollen 65 % des operativen Ergebnisses (Funds From Operations, FFO) ausgeschüttet werden, wobei der Finanzchef des Unternehmens beim FFO allein aufgrund der jährlich avisierten Mietsteigerungen Wachstumsraten von 8 % p.a. in Aussicht stellt. Mit dem Ausschüttungssatz bewegen sich die Düsseldorfer auf Augenhöhe mit der ebenfalls aus dem Portfolio von Goldman Sachs stammenden GSW. Die Deutsche Wohnen schüttet dagegen nur 50 % des FFO aus.Hauptgrund für das im Branchenvergleich schwache Abschneiden der LEG ist, dass die Altaktionäre den Preis beim Börsengang weitgehend ausreizten. Denn der Ausgabepreis von 44 Euro lag nur unwesentlich unter dem damaligen Net Asset Value (NAV) von 45,50 Euro je Aktie. Das bekam nicht zuletzt Deutsche Annington zu spüren, bei der die Konsortialführer Morgan Stanley und J.P.Morgan im ersten Anlauf zum geforderten Preis von 18 bis 21 Euro bei einem NAV von gut 19 Euro nicht genügend Nachfrage generieren konnten.Zwar halten einige Immobilienexperten diese Kennziffer für ein hypothetisches Konstrukt, gleichwohl ist die Größe in der Branche durchaus gebräuchlich. Zieht man den zum Ende des ersten Quartals ausgewiesenen Nettovermögenswert der MDax-Wohnungskonzerne zu Rate, ergibt sich folgendes Bild: Während Deutsche Wohnen und GSW in etwa auf Höhe ihrer NAV von 12,77 Euro bzw. 30,59 Euro gehandelt werden, sehen sich LEG und Gagfah mit Abschlägen von 15 % respektive 34 % konfrontiert.Folgerichtig steht die LEG bei den Analysten recht hoch im Kurs: Sieben Kaufempfehlungen steht nur eine Verkaufsempfehlung gegenüber. Drei Analysten stufen den Wohnimmobilienwert mit Halten ein. Das durchschnittliche Kursziel auf Sicht der nächsten zwölf Monate liegt bei 47 Euro – es ist also noch reichlich Luft nach oben vorhanden. Die KursbremsenKurzfristig sehen Analysten aufgrund der bevorstehenden Bundestagswahl das Kurspotenzial für Wohnimmobilienaktien jedoch grundsätzlich als begrenzt an, haben sich die großen Parteien doch die “Mietpreisbremse” auf die Fahnen geschrieben. Zwar dürfte sich damit das Angebot an Mietraum weiter verknappen bei tendenziell steigender Nachfrage, doch ist die Furcht vor künftig langsamer steigenden Mieteinnahmen so schnell nicht aus der Welt zu schaffen.Darüber hinaus hängt der hohe Festbesitz der Altaktionäre – Goldman Sachs und Perry Capital halten zusammen noch knapp die Mehrheit an dem Wohnungsunternehmen – wie ein Damoklesschwert über dem Kurs, zumal der zum Börsengang vereinbarte Lock-up zum 1. August ausläuft. Zwar ist angesichts der wenig erbaulichen Kursentwicklung seit dem Börsengang nicht mit einer schnellen Abgabe zu rechnen, kursbremsend wirkt der Altbesitz jedoch allemal.