Liquidität beeinflusst Anlagestrategie

Strukturell sinkende Bondmarktliquidität - Branchenverband ICMA sieht Schwachpunkte in IOSCO-Studie

Liquidität beeinflusst Anlagestrategie

Marktteilnehmer beklagen eine sinkende Liquidität im Sekundärmarkt für Anleihen. Der Branchenverband ICMA bemängelt nun die Schlussfolgerungen einer Studie der International Organization of Securities Commissions (IOSCO), die zum Schluss kam, dass die Liquiditätslage sich nicht verschlechtert habe.Von Dietegen Müller, FrankfurtLiquiditätsprobleme im Sekundärmarkt für Anleihen in Europa sind schon länger ein Thema, allerdings ist ihr Ausmaß je nach Segment oder Marktakteur unterschiedlich ausgeprägt. Die International Organization of Securities Commissions (IOSCO) hat im August (vgl. BZ vom 30. September) in einer Umfrage zum Unternehmensanleihenmarkt festgestellt, dass sich “keine substanzielle Evidenz” gefunden habe, wonach sich die Liquidität im Sekundärmarkt dort deutlich von den historischen Normen in Nichtkrisen-Zeiten verschlechtert habe. Allerdings sei die Datenerfassung “herausfordernd” gewesen wegen Unterschieden in der Sammelmethode, im Umfang, der Qualität und Konsistenz der Daten, so die IOSCO.In einer Antwort darauf hat nun der Branchenverband der Kapitalmarktteilnehmer, die International Capital Markets Association (ICMA), Stellung genommen und empfiehlt angesichts der unbefriedigenden Ausgangslage die Betrachtung spezifischer Märkte. Auch sei die Aussage, wonach verringerte Geld-Brief-Spannen ein Hinweis auf eine verbesserte Liquiditätslage hinwiesen, “so nicht haltbar”. Spannen real größerZwar sei die Geld-Brief-Spanne ein nützlicher Näherungswert für Liquidität im Sinne von Transaktionskosten in einem bestimmten Bond. Doch ICMA-Mitglieder würden darauf hinweisen, dass zu Geld-Brief-Kursen selten auch Transaktionen abgewickelt werden können. So würden Buy-Side-Adressen darauf hinweisen, dass Geld-Brief-Spannen auf europäischen Handelsplattformen “bestenfalls Indikationen” für kleinvolumige Aufträge geben könnten, im schlimmsten Fall aber “völlig bedeutungslos” seien.Auch würden die Daten auf den Handelsplattformen nicht regelmäßig aktualisiert. Es könne, so die Aussage von ICMA-Mitgliedern, nichts daraus abgeleitet werden, weder aus der Anzahl der angebotenen Spannen noch aus der Spannweite selbst.Zweitens seien zwar die nominalen Geld-Brief-Spannen geschrumpft, aber real hätten sie sich ausgeweitet. Denn ein Basispunkt Differenz als Round-Trip-Kosten – also Kosten, die beim Eröffnen und Schließen einer Position insgesamt entstehen – sei bei einer Anleihe mit 1 % Rendite signifikant höher als eine Differenz von 1,5 Basispunkten bei einer Anleihe mit 3 % Rendite. Die ICMA sehe deswegen längere Zeitreihen über verschiedene Jurisdiktionen als das informativere Maß für Liquiditätsentwicklung an. Taktische Strategie leidetEin weiterer von Buy-Side-Häusern aufgebrachter Punkt sei zudem, dass der bessere Liquiditätsindikator nicht so sehr sei, was gehandelt werden konnte, sondern was nicht. So sei es beispielsweise möglich, dass eine Adresse einen Auftrag über 50 Mill. Euro ausführen wollte, aber nur 10 Mill. Euro ohne großen Kurseinfluss gehandelt werden konnten. Nur die 10 Mill. Euro würden aufgezeichnet, eine spätere Analyse würde dann zeigen, dass für diese Transaktion der Markt liquide war. Nicht aber, dass für die verbleibenden 40 Mill. Euro auch zwei Wochen später noch kein Abschluss zustande gekommen sei.Die US-Investmentbank J.P. Morgan hält es für unwahrscheinlich, dass dieser Trend der sich verschlechternden Liquidität in der näheren Zukunft umkehren werde. Sie rät Investoren deshalb, ihren Anlagehorizont “über traditionell genutzte Instrumente hinaus” zu erweitern und komplementäre Anlageklassen in Betracht zu ziehen. “Wir erwarten beispielsweise, dass sich Euro- und Pfund-Investoren verstärkt langlaufenden US-Dollar-Unternehmensanleihen zuwenden”, so Tobias Mansky, Client Portfolio Manager bei J.P. Morgan Asset Management. Darüber hinaus sollte verstärkt mit liquiden Derivaten wie Indexswaps oder Indexoptionen gearbeitet werden; auch sei die Anlagestrategie wegen der geringeren Verfügbarkeit stärker strategisch als taktisch auszurichten.—– Wertberichtigt Seite 6