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Lira fällt nach Herabstufung auf Allzeittief

S & P senkt Bonitätsnote der Türkei auf "BB+" - Investoren fürchten autokratische Regierung

Lira fällt nach Herabstufung auf Allzeittief

sts Frankfurt – In Reaktion auf eine Verschlechterung der Bonitätsnote für die Türkei durch S & P ist die Lira gestern Abend auf ein Rekordtief zum Dollar gefallen. Für 1 Dollar mussten bis zu 3,0830 Lira gezahlt werden. Zugleich mussten bis zu 3,3915 Lira für 1 Euro auf den Tisch gelegt werden, so viel wie seit Oktober 2015 nicht mehr.Die Ratingagentur senkte die Bonitätsnote für Fremdwährungsschulden um eine Stufe auf “BB” und für Lira-Schulden ebenfalls um eine Stufe auf “BB+”. Der Ausblick ist “negativ”, so dass eine weitere Herabstufung droht und die Türkei sich dem “Ramschstatus” annähern würde. “Wir glauben, dass die Polarisierung der politischen Landschaft in der Türkei das System von Checks und Balances weiter erodieren lassen hat”, begründet die Ratingagentur ihren Schritt. “Weiterhin erwarten wir eine Phase erhöhter Unvorhersagbarkeit, was die Kapitalzuflüsse in die extern verschuldete türkische Volkswirtschaft beschränken könnte.” Die Türkei verbuchte zuletzt ein Leistungsbilanzdefizit von 4,1 % der Wirtschaftsleistung.Der negative Ausblick spiegele die Ansicht wider, dass die Wirtschafts-, Finanz- und Schuldendaten sich über die Erwartungen hinaus verschlechtern könnten, falls politische Unsicherheit das Investitionsumfeld schwächt, was potenziell den Druck auf die Leistungsbilanz verstärke.J.P. Morgan sagt voraus, dass internationale Investoren etwa 10 Mrd. Dollar aus türkischen Staats- und Unternehmensanleihen abziehen könnten, sollten diese Papiere das Gütesiegel “Investment Grade” verlieren. Eine Kapitalflucht würde die Talfahrt der Lira wohl verstärken und es für die Türkei immer schwieriger machen, ihr hohes Leistungsbilanzdefizit zu finanzieren.Schon vor Veröffentlichung der Ratingherabstufung stand die Lira gestern unter Druck, weil das Misstrauen vieler Investoren wuchs. Sie fürchten, Staatspräsident Tayyip Erdogan wolle nicht nur Putschisten ausschalten, sondern jegliche Opposition.Die Société Générale empfahl beispielsweise ihren Kunden, die Lira gegen den Dollar zu verkaufen, da eine Bewegung in Richtung Autokratie “erheblichen Schaden am Marktvertrauen anrichten, private Investitionen bremsen und schließlich auf den Wachstumsperspektiven lasten würde”. Draghi als TaubeUnterdessen hielt sich der Euro vor der heutigen Sitzung des EZB-Rates bei Kursen um 1,10 Dollar, nachdem er im Verlauf bis auf 1,0981 Dollar gefallen war. Viele Marktakteure rechnen damit, dass EZB-Boss Mario Draghi erneut als “Taube” während seiner Pressekonferenz auftreten wird. Als “Zinstauben” werden Vertreter einer moderaten Geldpolitik bezeichnet. Draghi, so die Erwartung, werde die sich abzeichnende Wachstumsabschwächung wegen des britischen Anti-EU-Votums aufgreifen und eine weiterhin lockere Geldpolitik in Aussicht stellen. Dies würde den Euro schwächen, der bislang nicht unter dem Brexit leidet.