Lira für Anleger wieder interessant
Von Ronald Schneider *) Lange Zeit war die Türkei für Währungsanlegerinnen und -anleger ein Markt, von dem man sich besser ferngehalten hat. Zu groß waren die politischen und wirtschaftlichen Risiken und zu unorthodox die Maßnahmen, mit der die türkische Notenbank dem dadurch entstandenen Währungsverfall entgegenwirkte. Im November letzten Jahres kam es mit der Neubesetzung an der Spitze der Zentralbank und dem Rücktritt des Finanzministers – des Schwiegersohns Erdogans – zu einer Neuausrichtung bei der türkischen Geldpolitik und damit wieder zu einer Stabilisierung der Lira.Was ist passiert? Die Türkei hat in den letzten Jahren vor allem außenpolitisch viel verbrannte Erde hinterlassen. Viele Beziehungen zu strategisch wichtigen Partnern und Staaten sind durch Erdogans Machtpolitik stark in Mitleidenschaft gezogen worden oder überhaupt zerbrochen: Russland, Syrien, Libyen, Griechenland, die EU und auch die USA waren im Laufe der letzten Jahre die Kontrahenten in unterschiedlichsten Konflikten. Zuletzt war die Tatsache, dass die Türkei als Nato-Staat ein russisches Luftabwehrsystem nutzt, für die Amerikaner ein Schlag ins Gesicht, den sie im Dezember (wieder einmal) mit Sanktionen erwiderten. Für Investoren waren diese Risiken, verbunden mit einer schwachen Wirtschaft, hohen Covid-19-Infektionszahlen und vor allem einer Währung, die 2020 historische Tiefs erreichte, gänzlich unattraktives Terrain.Zwar hat die türkische Notenbank lange Zeit versucht, mit unorthodoxen geldpolitischen Maßnahmen gegenzusteuern, doch blieben diese Bemühungen ohne Erfolg und die Realzinsen über weite Strecken negativ. Die Devisenreserven des Landes schmolzen regelrecht ab, während in den Banken die Einlagen in Dollar massiv anstiegen – ebenso wie die Inflation, die noch im November/Dezember Spitzen von bis zu 14,6 % erreichte. Es war absehbar, dass diese Entwicklung nicht mehr lange gut gehen konnte. Auch innerhalb der eigenen Reihen der AKP soll es deshalb zu massiver Kritik am türkischen Präsidenten gekommen sein. Verstärkt wurde der innenpolitische Druck auch durch Erdogans frühere Mitstreiter in der Partei Ahmet Davutoglu, den früheren Ministerpräsidenten, und Ali Babacan, ehemaliger Wirtschaftsminister, die sich mit der Gründung eigener Parteien in Stellung brachten. Anfang November – nachdem die türkische Lira ein Rekordtief zum Dollar von 8,50 erreichte – hat Erdogan reagiert: Kurzerhand entließ er den Notenbank-Chef Murat Uysal und bestimmte den früheren Finanzminister Naci Agbal zu dessen Nachfolger. Nur wenige Tage später trat sein Schwiegersohn – Berat Albayrak – überraschend als Finanzminister zurück. Mit dem Wechsel an der Spitze der Notenbank erfolgte auch eine Neuausrichtung und Simplifizierung der Geldpolitik und ihrer Instrumente. Es wurde wieder ein einzelner Referenzzinssatz eingeführt und Maßnahmen, um das Wachstum der Kreditvergabe einzudämmen und die fortschreitende Dollarisierung der Spareinlagen zu revidieren. Vor allem aber wurde der Leitzins deutlich erhöht. Bereits in November hatte der neue Notenbank-Chef den Leitzins um 4,75 Prozentpunkte auf 15 % angehoben. Am 24. Dezember erhöhte das Institut den Leitzins erneut um zwei Prozentpunkte auf 17 %, um damit auf die anhaltend hohe Inflation und den Kursverfall der Währung zu reagieren. Gleichzeitig konnte man damit ein positives Realzinsniveau aufrechterhalten. Die Notenbank teile mit, dass sie die straffe Geldpolitik weiter beibehalten wolle, bis starke Indikatoren auf einen anhaltenden Rückgang der Inflation hindeuten würden. Mit diesen Schritten gelang es der Notenbank, wieder an Glaubwürdigkeit zu gewinnen und die Negativspirale, in der sich die türkische Lira befand, zu stoppen.Durch diese Entwicklung wird der Markt für Währungsinvestoren wieder interessant, denn die Türkei ist wie kaum ein anderer Emerging Market abverkauft. Es gibt – sowohl aktien- als auch anleiheseitig – nur sehr wenige Investitionen aus dem Ausland. Auch im Vergleich mit anderen Schwellenländern ist dieser Wert außerordentlich niedrig. Es ist zwar nicht davon auszugehen, dass die historisch hohen Niveaus von früher erreicht werden, weil hinsichtlich der Liquidität am Staatsanleihenmarkt Vorsicht geboten ist, doch besteht die Chance auf attraktive Erträge. Hinzu kommt, dass große Teile der Bevölkerung ihre Ersparnisse in Fremdwährung – größtenteils Dollar – getauscht haben und als Währungseinlagen im Bankensystem und auch zuhause halten. Wenn all diese Menschen diese Ersparnisse wieder in Lira zurückwechseln, weil sie wieder Vertrauen in eine stabilere Währung und die Banken haben, dann kann das der Währung einen positiven Impuls geben. Zugang intaktAuch der Zugang der Türkei zum internationalen Kapitalmarkt ist intakt. Vor kurzem hat das Land Eurobonds begeben, was unter den derzeitigen Entwicklungen nicht selbstverständlich ist. Allerdings hat die Ratingentwicklung stark gelitten. Das “B”-Rating reflektiert die schwachen Fundamentaldaten und ist gleichzeitig ein Warnsignal, eine umsichtige Wirtschaftspolitik zu verfolgen. Aktuell wird nicht daran gezweifelt, dass das Land seinen Schuldendienst nicht leisten kann, doch fußt diese Einschätzung auf der Erwartung, dass in Zukunft eine nachhaltigere Geld- und Wirtschaftspolitik verfolgt wird.Zuletzt hat sich ein Investment in die Lira für Anleger gelohnt, denn die Währung hat stark aufgewertet und liegt jetzt bei rund 7,45 zum Dollar. Sollte der Euro gegenüber dem Dollar weiter steigen, könnte es für Euro-Investoren Gegenwind geben. Aber grundsätzlich ist für ein Investment in die türkische Lira noch Fantasie vorhanden – speziell, wenn der Anlagehorizont längerfristig ausgerichtet ist. *) Ronald Schneider ist Leiter Anleihen, CEE & Global Emerging Markets bei Raiffeisen Capital Management.