Machtwechsel in Spanien käme Banken und Energieversorgern zugute
Machtwechsel käme Banken und Versorgern zugute
Ein Sieg der Konservativen bei den Parlamentswahlen in Spanien am Sonntag würde ein Ende der Sonderabgaben bedeuten
Obwohl sich die spanische Wirtschaft unter der Linksregierung von Pedro Sánchez besser schlägt als viele europäische Nachbarn, stehen die Zeichen auf einen Wechsel. Der Ibex 35 hat seit Jahresbeginn um 15% zugelegt. Vor allem die Tourismuswerte ziehen nach dem Ende der Pandemie stark an.
ths Madrid
Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen in Spanien am Sonntag deutet sich den Umfragen zufolge ein Regierungswechsel an. Das bereitet den Anlegern generell keine Kopfschmerzen, denn die beiden führenden Parteien mit Machtoption fühlen sich der Markwirtschaft, einer soliden Haushaltspolitik und Europa verpflichtet. Doch ein Sieg der konservativen Volkspartei PP und ein Ende der bisherigen Koalitionsregierung aus Sozialisten und Linken hätte Auswirkungen auf die Wirtschaft. Vor allem die Aktionäre der Banken und der großen Energieversorger würden von einem Machtwechsel profitieren.
Schlappe der Sozialisten
Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez überraschte nach der Schlappe seiner Sozialisten bei den Regionalwahlen Ende Mai mit der Vorverlegung der Parlamentswahlen um ein halbes Jahr auf den 23. Juli. Die Regierung vertraut offenbar auf die im europäischen Vergleich gute konjunkturelle Entwicklung des Landes. Das Bruttoinlandprodukt wuchs im ersten Quartal im Jahresvergleich um 4,2%, die Inflation ist auf 1,9% gefallen und der Arbeitsmarkt wächst, auch wenn die Erwerbslosenquote von 13,3% weiterhin einen Spitzenwert in Europa darstellt. Die meisten Volkswirte gehen von einem langsameren, aber anhaltend robusten Wirtschaftswachstum in diesem und im nächsten Jahr aus.
Die Erholung spiegelt sich auch an der Börse wider. Der Schwergewichtsindex Ibex 35 hat seit Anfang des Jahres gut 15% zugelegt. Anfang Juli erreichte der Index mit 9658 Punkten den höchsten Stand in zwölf Monaten. Seitdem ist der Ibex wieder auf 9645 Punkte am Mittwoch gefallen. Ein Sieg der Konservativen wären „marginal positiv für die Aktienmärkte“, sagt Emmanuel Cau, Head of European Equity Strategy bei Barclays. „Ich würde aber keine größere Bewegung erwarten, da der Markt dies wahrscheinlich schon zumindest teilweise eingepreist hat“. Auch ein Sieg der Sozialisten würde allenfalls eine leichte Abwärtsbewegung auslösen, meint Cau.
Sprudelnde Zinseinnahmen
Insbesondere die Banken und Versorger blicken mit Interesse auf den Wahlsonntag. Ein Ende der Linksregierung dürfte auch ein Ende der Sondersteuern auf die „Übergewinne“ der Unternehmen in den beiden Branchen bedeuten, welche 2023 und 2024 rund 7 Mrd. Euro in die Staatskasse spülen sollen. Im Falle der Banken argumentiert die Regierung, dass die Kreditinstitute vom raschen Anstieg der Leitzinsen in Europa profitieren. Daher wurde eine Abgabe von 4,8% auf Zinsüberschuss und Provisionen eingeführt, also eine Besteuerung des Umsatz statt des Gewinns. Die sprudelnden Einnahmen durch die gestiegenen Zinsen haben an der Börse die negativen Folgen der Sondersteuer ausgestochen. Spaniens Banken sind im Aufwind.
Die PP und ihr Spitzenkandidat Alberto Núñez Feijóo lehnen die Abgabe für Banken und Energieversorger grundsätzlich ab. Ob sie deren geplante Laufzeit von zwei Jahren sogar verkürzen, bleibt jedoch offen. „Jegliche Entscheidung für eine frühere Aussetzung der Steuer hätte eine erhebliche positive Auswirkung auf die Kursentwicklung der Banken, da die Abgabe etwa 13-25% unseres Ausblicks für 2024 erodiert“, schreiben die Analysten von UBS in einer Studie.
Sollten Sánchez und die Linken den Umfragen zum Trotz an der Regierung bleiben, ist eine Verlängerung der Sonderabgaben in der ein oder anderen Form denkbar, denn die Linken brauchen Einnahmen für ihr sozialen Programme. Sollten Sánchez und die Linken den Umfragen zum Trotz an der Regierung bleiben, ist eine Verlängerung der Sonderabgaben in der ein oder anderen Form wahrscheinlich, denn die Linken brauchen Einnahmen für ihr sozialen Programme.
Ebenfalls Hoffnungen auf einen Regierungswechsel machen sich die großen Energieversorger, nicht aber kleine und mittlere Unternehmen im Bereich der erneuerbaren Energien. Die Sonderabgabe besteuert den Umsatz mit 1,2%. Das Argument ist, dass die Strom- und Gasversorger von den massiv gestiegenen Energiepreisen profitieren. Wie bei den Banken hat die positive Gewinnentwicklung die Belastung durch die Steuer am Markt ausgestochen. Spaniens größter Energiekonzern Iberdrola legte im Jahr um mehr als 7% zu, Endesa liegt mehr als 18% im Plus und Naturgy um gut 10%. Die Konservativen hatten zwar gegen die Sonderabgabe gestimmt, sie könnten die Steuer aber in abgeänderter Form beibehalten, wird vermutet.
Die PP hat eine Verlängerung der Atomkraftwerke ins Spiel gebracht, welche die Linksregierung ab 2027 nach und nach abschalten will. Das würde vor allem Endesa und Iberdrola betreffen. Die Unternehmen haben sich nicht zu der Idee einer Laufzeitverlängerung geäußert, denn es kommt darauf an, wie die Kosten verteilt würden. Beim Ausbau der erneuerbaren Energien könnte sich ein Regierungswechsel bemerkbar machen. Die Konservativen verfolgen zwar die Klimaziele. Doch im Wahlprogramm und öffentlichen Aussagen ist eher wenig Enthusiasmus für einen schnelleren Ausbau von Solar- und Windenergie zu spüren. Der potenzielle Koalitionspartner, die rechtsextreme Vox, gehört sogar zu den Leugnern des Klimawandels und verlangt, dass Spanien aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigt.
Schließlich will die PP ein Ende der spanischen Ausnahme vom europäischen Preisfindungsmechanismus an den Strommärkten, die eine Entkopplung der Gaspreise vorsieht. Diese Regelung hat nach Angaben der Regierung die Stromrechnung der Verbraucher um rund 5 Mrd. Euro entlastet, auf Kosten der Konzerne. Eine Koalition aus PP und Vox würde nach Einschätzung der Experten von Morgan Stanley „weniger interventionistische Maßnahmen im Strommarkt“ mit sich bringen, aber „im Vergleich zur aktuellen Regierung weniger für erneuerbare Energien tun“.
Besucherrekorde
Im Urlaubsland Spanien überrascht es nicht, dass alle Parteien die Tourismusbranche fördern wollen. Der Sektor hat sich nach dem harten Einschlag durch die Pandemie zuletzt wieder stark erholt und strebt neue Besucherrekorde an. Das zeigt sich auch an der Bolsa de Madrid, wo die Werte aus der Reisebranche 2023 zu den Spitzenreitern zählen, wie der Flughafenbetreiber Aena, der Reise-IT-Konzern Amadeus, die Hotelgruppe Meliá oder IAG, die Mutter von Iberia und British Airways. Die Frage ist, ob die Erholung der Kurse nun abgeschlossen ist. Angesichts steigender Zinsen und der konjunkturellen Flaute in wichtigen Märkten wie Deutschland sehen Experten, wie UBS, Risiken für die Aktien der Tourismusbranche.
Der Gewinner im bisherigen Jahresverlauf ist, neben Meliá, der Textilkonzern Inditex mit einem Plus von gut 40%. Der weltweit führende Modekonzern hat die Pandemie überwunden und ist allen Unkenrufen zum Trotz auf Rekordkurs. Nach flauen Jahren ist Inditex wieder mehr als 100 Mrd. Euro wert und mit einer Kapitalisierung von nun 107 Mrd. Euro der teuerste Wert im Ibex.
Zurückhaltung geübt
Im Unternehmerlager und an der Börse hält man sich mit politischen Kommentaren vor der Wahl zurück. Klar ist aber, dass man mit der wirtschaftlichen Entwicklung und bestimmten Maßnahmen der Linksregierung nicht ganz unzufrieden ist. Doch gab es Sorgen wegen diverser namentlicher Attacken von Regierungsmitgliedern, einschließlich Sánchez, auf Vorstände und Konzernchefs. Das galt besonders für den Baukonzern Ferrovial, der seinen Stammsitz in die Niederlande verlegt hat, weil er dort bessere Finanzierungsmöglichkeiten sähe. Bislang ist dem Ibex-Konzern jedoch niemand gefolgt.