Kreditwürdig

Markt für Corporate Bonds kehrt zur Normalität zurück

Am Markt für Unternehmensanleihen vollzieht sich derzeit eine Rückkehr zur Normalität. Für Emittenten und Anleger heißt das, sich an das neue Umfeld anzupassen und Gewohnheiten aus der Ära der Liquiditätsschwemme abzulegen.

Markt für Corporate Bonds kehrt zur Normalität zurück

Kreditwürdig

Markt für Corporate Bonds kehrt zur Normalität zurück

Von Thomas Weber *)

Am Markt für Unternehmensanleihen vollzieht sich derzeit eine Rückkehr zur Normalität. Für Emittenten und Anleger heißt das, sich an das neue Umfeld anzupassen und Gewohnheiten aus der Ära der Liquiditätsschwemme abzulegen. Zunächst muss der Markt lernen, wieder ohne die Unterstützung durch die Anleihekaufprogramme der EZB auszukommen. Noch bis Mitte vergangenen Jahres kaufte die Notenbank Unternehmensanleihen im Wert von bis zu 10 Mrd. Euro pro Monat. Seit Juli dieses Jahres werden nicht einmal mehr die Fälligkeiten aus dem Portfolio des regulären Kaufprogramms reinvestiert. Lediglich die freiwerdende Liquidität aus auslaufenden Anleihen aus dem Pandemieprogramm fließt in Form von Reinvestitionen zurück in den Markt. Für Corporate Bonds sind die Volumina hieraus aber vernachlässigbar gering. Damit hat sich der größte Bond-Investor der vergangenen Jahre de facto aus dem Markt verabschiedet. Neben den spread-unterstützenden Käufen am Sekundärmarkt fehlen auch die Order der Zentralbanken am Primärmarkt, die teilweise bis zu einem Drittel einer Neuemission zeichneten. Eine Lücke, die private Investoren nun füllen müssen und dabei durchaus wählerischer vorgehen, als die Bundesbank und ihre ausländischen Pendants es taten.

Starker Primärmarkt

Insgesamt wurde das Fehlen der EZB bislang aber erstaunlich gut kompensiert, wie das im Vergleich zu den beiden vergangenen Jahren deutlich höheren Neuemissionsvolumen zeigt. Bislang wurden 2023 rund 276 Mrd. an Euro-Unternehmensanleihen emittiert und damit bereits mehr als im gesamten letzten Jahr, als das Volumen bei 273 Mrd. Euro lag. Ein Grund für die gute Nachfrage ist neben attraktiven Neuemissionsprämien (Spread-Aufschlag neuer Anleihen gegenüber der Sekundärmarktkurve) auch das deutlich gestiegene Renditeniveau, das institutionelle Investoren, aber auch Privatkunden anlockt. Weniger rund läuft es hingegen in den riskanteren Marktsegmenten. Sowohl bei Nachranganleihen als auch bei Emissionen von Unternehmen aus dem High-Yield-Bereich ("BB " oder niedriger) liegt das Neuemissionsvolumen deutlich unterhalb der Vorjahre. Hier zeigt sich dann doch, dass der Liquiditätsabzug und das schwache konjunkturelle Umfeld den Risikoappetit der Anleger bremsen.

Die Vorsicht bei Nachrang- und Hochzinsanleihen hat aber auch mit den Auswirkungen des gestiegenen Zinsniveaus zu tun. Denn nicht nur Angebot und Nachfrage am Kapitalmarkt normalisieren sich, sondern auch die Kapitalstruktur der Unternehmen muss sich nach Jahren des billigen Geldes an das neue Umfeld anpassen. Der Anpassungsbedarf fällt bei hochverschuldeten Firmen deutlich größer aus als bei Adressen aus dem Investment-Grade. Bei allen Unternehmen lässt sich derzeit ein deutlicher Anstieg der Zinsaufwendungen beobachten.

Mehr Zinsen gezahlt

Über die letzten vier Quartale haben Unternehmen rund 22% mehr an Zinsen gezahlt als in den zwölf Monaten zuvor. Gerade für die unteren Ratingkategorien steigen die Belastungen überproportional an. Als Folge ergibt sich bei der für die Bonitätsbeurteilung wichtigen Kennzahl des Zinsdeckungsgrads eine deutliche Verschlechterung. Lag das Ebitda im Verhältnis zum Zinsaufwand im zweiten und dritten Quartal 2022 noch bei rund dem 10-fachen, so ist der Wert ein Jahr später auf nur das 8-fache gesunken. Selbst wenn die Zentralbanken die Zinsen nicht weiter anheben, ist von einer Fortsetzung dieses Trends auszugehen, da immer nur ein Teil der Verbindlichkeiten zu den nun höheren Kosten refinanziert wird und viele Firmen noch immer von den günstigen Konditionen der vergangenen Jahre profitieren.

Immobilienbranche im Fokus

Dieser Prozess vollzieht sich für Unternehmen mit schwacher Bonität jedoch schneller als für stärkere Adressen, da bei ersteren die Laufzeit der Verbindlichkeiten typischerweise kürzer ist. Besonders im Fokus stehen derzeit die Immobilienunternehmen, die neben dem deutlichen Anstieg ihrer Finanzierungskosten Wertverluste ihrer Portfolien und einen spürbaren Rückgang der Transaktionen zu verkraften haben. So bleibt ihnen häufig nichts anderes übrig, als kräftig an den Investitionen zu sparen, um ihre Liquiditätsposition zu stabilisieren. Auch wenn die Situation für einzelne Branchen und Unternehmen durchaus angespannt ist, handelt es sich derzeit eher um eine Normalisierung der Verhältnisse denn um einen besorgniserregenden Einbruch. Im Zuge der kräftigen wirtschaftlichen Erholung nach der Pandemie konnten viele Unternehmen ihre Margen deutlich ausweiten und sich hierdurch einen finanziellen Puffer aufbauen, den sie nun nutzen können. Abzulesen ist das am aktuellen Rating-Trend, der für europäische Unternehmen, sofern man russische Emittenten ausklammert, noch immer leicht positiv ist. In den USA und auch global überwogen in den vergangenen zwölf Monaten allerdings die negativen Ratingveränderungen bereits die positiven.

Für Corporate Spreads sind die Aussichten derzeit gar nicht so schlecht wie die trüben Meldungen über die europäische und vor allem die deutsche Konjunktur vermuten lassen. Zum einen sind Unternehmensanleihen nicht mehr so teuer wie zu Beginn des Zins- und Renditeanstiegs. Für vorrangige Euro-Unternehmensanleihen liegt der Risikoaufschlag heute mit rund 70 Basispunkten (BP) circa 15 bis 20 BP höher als noch zu Beginn des vergangenen Jahres. Zum anderen sorgen die restriktive Geldpolitik und die hohe Inflation zwar für zuletzt rückläufige Umsätze und Gewinne.

In Summe ist die Situation nach der zuvor erfolgten Margenausweitung und der robusten Konsumnachfrage sowie der geringen Arbeitslosigkeit in den meisten Märkten noch immer solide. Es ist daher zunächst mit eher seitwärts tendieren Spreads zu rechnen, bis die Inflations- und Wachstumsrisiken wieder abnehmen. Anschließend sind auch wieder geringere Risikoaufschläge denkbar, da der Markt sich dann von Spekulationen über erste Zinssenkungen bereits im nächsten Jahr beflügeln lassen dürfte.

*) Thomas Weber ist Leiter Corporate Bond Research bei der DZ Bank.

*) Thomas Weber ist Leiter Corporate Bond Research bei der DZ Bank.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.