Marktakteure kritisieren Fed-Entscheid

Zinsschritt lässt laut Ökonomen auf Panik der US-Währungshüter schließen - Geringerer Zulauf für Yen

Marktakteure kritisieren Fed-Entscheid

xaw Frankfurt – Nach der überraschenden Zinssenkung der Fed um 50 Basispunkte zeigen sich Experten bezüglich der Wirkung des Schritts auf die Märkte skeptisch. “Die Reaktion scheint überstürzt zu sein, da zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Klarheit über die Auswirkungen des Coronavirus auf die Inflationsentwicklung und den Arbeitsmarkt in den USA besteht”, kommentiert Silvia Dall’Angelo, Senior Economist beim Assetmanager Federated Hermes. Es sei nicht klar, ob eine Lockerung der Geldpolitik die mit der Lungenseuche verbundene Panik eindämmen könne. “Nutzlos, ja sogar schädlich”Im Gegenteil, der Schritt der Fed könne sogar darauf hindeuten, dass die US-Währungshüter selbst in Panik geraten seien. Zudem werfe er einen Schatten auf die “geschätzte Unabhängigkeit der Notenbank”. Es entstehe der Eindruck, die Fed gebe dem Druck der nach geldpolitischer Unterstützung schreienden Finanzmärkte nach. Es sei enttäuschend, dass sich die Denkweise der Marktteilnehmer nach der Finanzkrise von 2008 nicht geändert habe, so Dall’Angelo. “Interventionen von Zentralbanken sind in dieser Phase nutzlos, ja sogar schädlich”, beurteilt auch Franck Dixmier von Allianz Global Investors den Schritt der US-Notenbank kritisch. Die Finanzmärkte seien gerade aufgrund der Eingriffe der Zentralbanken in den vergangenen Jahren und der reichlich vorhandenen Liquidität anfällig für die Unsicherheit über das Coronavirus gewesen. Denn durch diese Faktoren hätten die Marktteilnehmer in der Vergangenheit Gefahren vergessen; viele Investoren seien ohne Gespür für die Konsequenzen in risikoreiche Anlagen gedrängt worden. Nach den Höchstständen der Aktienmärkte, insbesondere in den USA, sei infolge der Seuche eine Korrektur erfolgt.Dass die Finanzstabilität durch die erhöhte Volatilität an den Märkten in den vergangenen Tagen aber bereits in dem Maß gefährdet gewesen sei, dass eine Intervention der Zentralbanken angebracht gewesen wäre, dürfe bezweifelt werden. Der durch die Unterbrechung der Lieferketten infolge des Virus entstandene Angebotsschock sei durch eine Zinssenkung ohnehin nicht zu beheben. “In der Zwischenzeit verbrennt die Fed Munition, die sie im Falle einer schweren Rezession vielleicht noch benötigt”, kritisiert Dixmier.Gerade eine solche langfristige wirtschaftliche Schwäche befürchtet die US-Notenbank nach Einschätzung von Philippe Waechter, Chefvolkswirt der französischen Fondsgesellschaft Ostrum. Denn der Zinsschritt lasse auf die Erwartung der Fed schließen, dass die Renditen in allen Laufzeiten für einen längeren Zeitraum niedrig bleiben werden. Nehme die allgemeine Unsicherheit unter den Anlegern allerdings nicht ab, könne die Aktion der Währungshüter die Finanzmärkte nur kurzfristig stabilisieren.Am Dienstag hatte die Fed-Ankündigung die Renditen der US-Staatsanleihen auf Tiefststände getrieben. Auch die zehnjährige Bundrendite war in der Folge gefallen und näherte sich am Mittwoch im Verlauf ein Stück weit ihrem Rekordtief an. “Die unmittelbare Reaktion des Marktes war für Anleiheinvestoren sicher ernüchternd”, kommentierte Wolfgang Bauer von M&G Investments. Allerdings werden die niedrigeren Zinssätze laut ihm dazu beitragen, die Refinanzierungskosten für Unternehmen und damit auch die Ausfallraten zu verringern. Gerade bei schwach bewerteten Unternehmen sieht John Vail, Chefstratege bei Nikko Asset Management, aber die gegenteilige Gefahr. Diese dürften es laut ihm schwer haben, am Kreditmarkt Finanzierungen zu finden. Schließlich war der Drang der Investoren nach Sicherheit zuletzt groß. Die Ratingagenturen werden laut Vail zwar darauf achten, nicht zu hart zu urteilen. Dennoch dürften im Unternehmenssegment einige “gefallene Engel” folgen.Für die US-Aktienmärkte blieb selbst eine kurzfristige Wirkung der Zinssenkung am Dienstag aus. Nasdaq, S&P 500 und Dow Jones notierten am Abend deutlich im Minus. Am Mittwoch legten sie im frühen Handel in New York zwar zu, wurden nach Meinung von Marktbeobachtern aber von anderen Faktoren als der Zinssenkung gestützt.Der Yen ist in einem instabilen Marktumfeld häufig als sicherer Hafen gefragt. Laut Vail besteht nach den Zinssenkungen der Fed die Chance auf eine weitere Stärkung der Nippon-Währung. “Aber das Vertrauen in die japanische Wirtschaft ist nicht hoch, auch nicht bei den heimischen Investoren”, relativiert der Stratege. Grund seien insbesondere die mehrfachen Wachstumsschocks in den vergangenen Quartalen. In der Folge werde die typische Flucht in die Sicherheit des Yen daher vermutlich weniger deutlich ausfallen als zuvor. Tatsächlich notierte die japanische Währung gestern Abend schwächer, der Dollar stieg um 0,2 % auf 107,39 Yen.