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Marktakteure trauen der Fed zu wenig zu

Von Dirk Chlench *) Börsen-Zeitung, 7.11.2017 Der Euro zeigte über weite Strecken des laufenden Jahres Stärke gegenüber dem US-Dollar. Der Kurs der Gemeinschaftswährung zog von 1,05 US-Dollar am Jahresende 2016 in der Spitze bis auf 1,20 US-Dollar...

Marktakteure trauen der Fed zu wenig zu

Von Dirk Chlench *)Der Euro zeigte über weite Strecken des laufenden Jahres Stärke gegenüber dem US-Dollar. Der Kurs der Gemeinschaftswährung zog von 1,05 US-Dollar am Jahresende 2016 in der Spitze bis auf 1,20 US-Dollar in der ersten Septemberhälfte 2017 an. Da der Euro im genannten Zeitraum nicht nur gegenüber dem Greenback, sondern auch – mit Ausnahme des mexikanischen Peso und der schwedischen Krone – gegenüber allen anderen wichtigen Währungen fest war, ist zu vermuten, dass die Gründe für die beschriebene Stärke des Euro gegenüber dem US-Dollar vornehmlich im Euroraum zu suchen sind. Ein Grund ist mit den positiv überraschenden Konjunkturnachrichten aus dem Euroraum schnell gefunden. Dort kletterte das Wirtschaftsvertrauen im Oktober 2017 auf seinen höchsten Stand seit Januar 2001. Ein weiterer Grund dürfte sein, dass auch die EZB-Offiziellen die gute Wirtschaftslage des Euroraums konstatierten und dementsprechend angekündigt hatten, den Expansionsgrad ihrer Geldpolitik zumindest um Nuancen zu verringern. Die Stimmung unter den Marktteilnehmern drehte angesichts dessen eindeutig in Richtung pro Euro. Allein die Nichterwähnung des Themas Euro in Reden von EZB-Ratsmitgliedern reichte verschiedentlich aus, einen Kurssprung der Gemeinschaftswährung auszulösen. Darüber hinaus kam bei Betrachtung des Währungspaars Euro/US-Dollar hinzu, dass die beschriebene Eurostärke hier auf eine allgemeine Schwäche des US-Dollars traf. Letztere ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass in den Vereinigten Staaten die nach dem Wahlsieg Donald Trumps aufgekommenen Hoffnungen auf eine Stimulierung des US-Wachstums abgeebbt waren. US-Wachstum zieht anIn den letzten Wochen schienen die Marktteilnehmer jedoch zu der Überzeugung zu gelangen, dass die Konjunkturperspektiven für die Vereinigten Staaten bislang zu verhalten eingeschätzt wurden. Auch auf der anderen Seite des Atlantiks schnellten die Stimmungsindikatoren nach oben, ob nun trotz oder wegen der Politik des US-Präsidenten sei dahingestellt. Im dritten Quartal 2017 legte die US-Wirtschaftsleistung mit einer auf das Jahr hochgerechneten Rate von 3,0 % zu. Die US-Wirtschaft ist damit auf Kurs, unsere Wachstumsprognose in Höhe von 2,2 % für das Jahr 2017 zu erreichen. Im nächsten Jahr wird sich das Expansionstempo der US-Wirtschaft nach unserer Prognose auf eine Rate von 2,4 % erhöhen. Das Expansionstempo der US-Wirtschaft sollte damit im nächsten Jahr den Euroraum knapp hinter sich lassen. Sollte es Donald Trump zudem in Bälde gelingen, seine Vorschläge zur Reform der Einkommens- und Unternehmensbesteuerung, welche unter anderem die Reduzierung des Unternehmensteuersatzes von derzeit 35 % auf 20 % beinhaltet, durch den US-Kongress zu bringen, dürften bei unserer Wachstumsprognose für das Jahr 2018 sogar die Aufwärtsrisiken leicht überwiegen. Hinter den AnkündigungenDie Teilnehmer an den Sitzungen des Offenmarktausschusses der Federal Reserve geben seit geraumer Zeit viermal pro Jahr Projektionen für den Tagesgeldsatz ab. In der jüngeren Vergangenheit blieb das tatsächliche Ausmaß der Leitzinserhöhungen der US-Notenbank jedoch hinter ihren eigenen Projektionen deutlich zurück. Dies illustriert beispielsweise die Entwicklung des von der Federal Reserve für Ende 2016 in Aussicht gestellten Leitzinsniveaus. Nun erhöhte die Federal Reserve im Juni 2017 jedoch ihr Leitzinsband und kündigte im September 2017 das schrittweise Abschmelzen ihres Wertpapierportefeuilles an, obgleich sich während dieser Zeit die Inflationsrate von dem Fed-Zielwert in Höhe von 2 % nach unten entfernte. Der Fed wurde somit eine Ausrede für eine Beibehaltung ihres bisherigen Kurses auf dem Silbertablett serviert. Da die US-Währungshüter trotzdem ihren Fuß vom Gaspedal genommen haben, steht zu vermuten, dass ihnen daran gelegen ist, ihre Glaubwürdigkeit wiederzuerlangen. Demnach dürfte die US-Notenbank bestrebt sein, den Tagesgeldsatz möglichst entsprechend den eigenen Projektionen emporzuschleusen. Diese signalisieren für das Jahr 2018 drei Leitzinserhöhungen. Nach unserer Prognose wird die Fed im nächsten Jahr ihr Zielband für den Tagesgeldsatz zwar nur zweimal anheben. Dies ist aber noch allemal mehr als das, was von anderen Marktteilnehmern erwartet wird.Tritt unsere Erwartung für die Zinspolitik der US-Notenbank ein, sollte daher der US-Dollar gegenüber dem Euro merklich aufwerten. Dies gilt umso mehr, da die Spekulanten seit einiger Zeit einseitig auf eine Stärke des Euro setzen. Einseitige Positionierungen der Spekulanten erachten wir als Kontra-Indikator. Nach unserer Prognose wird der Euro auf 1,13 US-Dollar per Ende 2017 abwerten. Dass der Eurokurs in den vergangenen Wochen jedoch aus anderen Gründen – hier sind der jüngste EZB-Entscheid und die Katalonien-Krise zu nennen – schon eine große Bewegung in Richtung unseres Kursziels vollzogen hat, ist für uns nicht mehr als ein Schönheitsfehler.—-*) Dirk Chlench ist Senior Economist bei der LBBW.