Systemgastronomie

McDonald’s leidet kaum unter Russland-Ausstieg

Der Ausstieg von McDonald’s aus dem russischen Markt macht dem Konzern ertragsmäßig kaum zu schaffen, wohl aber die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs und der Sanktionen auf die weltweite Konjunktur.

McDonald’s leidet kaum unter Russland-Ausstieg

Dieter Kuckelkorn, Frankfurt

Der 31. Januar 1990 war für den amerikanischen Fast-Food-Riesen McDonald’s ein denkwürdiger Tag. Am Puschkinplatz in Moskau wurde das erste Schnellrestaurant des Konzerns in der zum damaligen Zeitpunkt noch rund ein Jahr existierenden Sowjetunion gegründet. Mehr als 30000 Moskauer standen Schlange, um die standardisierten Frikadellenbrötchen und anderen Produkte aus dem Westen zu probieren, und zwar oft mehr als sechs Stunden, bis sie an der Reihe waren.

Der 8. März 2022 ist für den Konzern ebenfalls ein denkwürdiger Tag, kündigte er doch an diesem Tag den vollständigen Rückzug aus Russland an, womit 850 Restaurants und rund 62000 Mitarbeiter aufgegeben wurden. McDonald’s spricht zwar von einem temporären Rückzug und einer „Pause“ seiner Aktivitäten in dem flächenmäßig größten Land der Erde und auch davon, die Gehälter zunächst weiterbezahlen zu wollen.

Allerdings gehen die meisten Beobachter davon aus, dass der Bruch zwischen Ost und West ähnlich tiefgreifend und langfristig ist wie der nach dem Zweiten Weltkrieg am Beginn des ersten Kalten Kriegs. Und in den USA haben die nun schon seit 60 Jahren existierenden Sanktionen gegen Kuba gezeigt, dass sich derartige Maßnahmen in der Praxis kaum wieder aufheben lassen. Zwar ist Russland ein Land mit rund 140 Millionen Einwohnern, die Kaufkraft seiner Konsumenten bleibt aber noch deutlich hinter den USA und Westeuropa zurück, so dass sich die Auswirkungen auf die Ertragslage des Konzerns in Grenzen halten. Chief Financial Officer Kevin Ozan bezifferte die mit dem Schritt verbundenen Belastungen für den Konzern mit 50 Mill. Dollar pro Monat bzw. 5 bis 6 Cent je Aktie, wobei Analyst James Anderson von Northcoast Research von 8 Cent je Aktie pro Quartal ausgeht. Im vergangenen Jahr brachten McDonald’s die Aktivitäten in Russland und der Ukraine einen operativen Gewinn von 300 Mill. Dollar ein, während die beiden Länder für 9% der Erlöse standen. Damit ist McDonald’s gemeinsam mit Yum Brands (KFC, Pizza Hut, Taco Bell) aus der Branche der US-Systemgastronomie am stärksten in Russland und der Ukraine vertreten.

Wert von 2019 übertroffen

Dies vergleicht sich allerdings mit den gesamten Konzernerlösen im vergangenen Jahr von 23,2 Mrd Dollar, die aufgrund der Erholung von der Pandemie um 20,9% stiegen und auch den letzten Wert von vor der Pandemie von 21,4 Mrd Dollar deutlich übertreffen. Der Nettogewinn betrug stolze 7,6 Mrd. Dollar bzw. 10,04 Dollar je Aktie. Selbst wenn der Konzern sämtliche Aktiva in Russland irgendwann komplett abschreiben muss, wovon auszugehen ist, wird dies keine tiefgreifenden Spuren in der Ertragsrechnung hinterlassen.

Anders mag es da schon hinsichtlich der indirekten Auswirkungen des Ukraine-Kriegs aussehen. Die stark steigenden Energie- und Lebensmittelpreise setzen der Kaufkraft in allen Ländern stark zu, so dass sich die Aussichten für die gesamte Branche eintrüben. Dies ist auch am Aktienkurs abzulesen, der binnen eines Monats um fast 7% nachgab, während der S&P500 im gleichen Zeitraum nur rund 0,7% einbüßte. Noch sind die Analysten freilich gegenüber der Aktie sehr positiv eingestellt. Von 37 Analysehäusern und Banken raten nicht weniger als 23 zum Kauf, während drei Analysten die Aktie mit „Overweight“ einstufen. Elf Institute raten, die Aktien im Portfolio zu behalten. Verkaufsempfehlungen gibt es keine. Mit einem durchschnittlichen Kursziel von 282,94 Dollar auf Sicht von zwölf Monaten veranschlagen die Analysten ein Kurspotenzial von 20%.

Auch wenn Gourmets und Freunde der gesunden Ernährung das Unternehmen für den Inbegriff des Bösen halten, es gibt zumindest aus Investorensicht vieles, das für die Aktie spricht – insbesondere nach dem Kursrückgang von fast 16% im laufenden Jahr (S&P500: –12,4%). McDonald’s bietet stabile Einnahmen, wobei der Kapitaleinsatz des Unternehmens aufgrund des Franchise-Modells, das den Franchise-Nehmern erhebliche Investitionen auferlegt, begrenzt ist. In der Pandemie hat sich auch ausgezahlt, dass McDonald’s rechtzeitig auf das digitale Bestellen über das Internet gesetzt hat, was zusammen mit dem Lieferdienst und den Ausgabefenstern für Drive-in-Kunden dem Konzern geholfen hat, die staatlich angeordneten Lockdown-Maßnahmen gut zu überstehen.

Die Dividendenrendite kann sich mit 2,5% sehen lassen, wobei mit einer steigenden Ausschüttung zu rechnen ist, da in den vergangenen zwölf Monaten lediglich 3,9 Mrd. Dollar des freien Cashflows von 7,1 Mrd. Dollar ausgeschüttet worden sind. Im vergangenen Jahr wurde die Dividende bereits um 7% angehoben. Der Konsens der Analysten geht davon aus, dass der Konzern in den kommenden fünf Jahren sein Ergebnis je Aktie um durchschnittlich 13% pro Jahr erhöhen wird. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auf Basis der Ergebnisse der vergangenen zwölf Monate liegt mit 22,5 noch unter der vor der Pandemie üblichen Spanne von 24 bis 30.

Allerdings könnten die gegenwärtigen Turbulenzen an den Rohstoffmärkten für Abstriche sorgen. Bereits im vierten Quartal hatte der Konzern mit einem Ergebnis von 2,33 Dollar je Aktie die Konsensschätzung von 2,34 Dollar leicht unterboten, Ähnliches galt für die Erlöse von 6,01 Mrd. Dollar gegenüber der Erwartung von 6,03 Mrd. Dollar. Für 2022 hat das Management angekündigt, dass „das operative Ergebnis kurzfristig von der signifikanten Inflation bei Rohstoffen und Arbeitskosten“ belastet werde. Diese Hinweise dürften Anleger zunächst zur Zurückhaltung gegenüber der Aktie bewegen, bis sich die Visibilität hinsichtlich des konjunkturellen Umfelds verbessert hat.

Viel Fett, Zucker und Salz

Während McDonald’s kurz und mittelfristig gut aufgestellt ist, gibt es längerfristig eine Herausforderung, die die Anleger im Auge behalten sollten. Der von den Regierungen vieler Staaten geförderte Trend zu einer gesünderen Ernährung könnte sich zu einem Problem für den Konzern entwickeln, weil die industriell gefertigten Produkte der Systemgastronomie oft nur unter Verwendung von viel Fett, Zucker und Salz geschmacklich attraktiv herzustellen sind. Sollte McDonald’s der schwierige Wandel nicht gelingen, könnte langfristig dasselbe Schicksal drohen wie dasjenige, das den Ölkonzernen vorausgesagt wird.

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