McDonald's weckt den Appetit der Anleger
Von Alex Wehnert, FrankfurtTrotz weitreichender Restaurantschließungen steht die Aktie des Fast-Food-Riesen McDonald’s bei den Analysten hoch im Kurs. Keine einzige Verkaufsempfehlung findet sich in der Bloomberg-Datenbank für das Papier; dagegen raten mehr als drei Viertel dazu, bei dem Titel zuzuschlagen. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei 201,27 Dollar. Dabei hat die Aktie seit ihrem am 23. März erreichten Jahrestief von 137,10 Dollar bereits einen Kursspurt von 33,9 % hingelegt – und für das fundamentale Geschäft sieht es nicht eben rosig aus.Nach Konzernangaben mussten weltweit ungefähr 25 % der Filialen infolge der Corona-Pandemie schließen, normaler Restaurantbetrieb herrscht auch in den restlichen Zweigstellen nicht. In der Folge sind die globalen Absätze im März gegenüber dem Vorjahresmonat um 22,2 % eingebrochen – insgesamt betrug das Minus im ersten Quartal 3,4 %. Das drückt auf die Umsätze, die gegenüber den ersten drei Monaten 2019 um 6 % rückläufig waren, und die Gewinne pro Aktie, die um 15 % einbrachen. Den Ausblick für das Gesamtjahr hat McDonald’s wie viele andere Unternehmen auch zusammengestrichen. Allerdings laufen bereits Sparmaßnahmen, unter anderem hat das Unternehmen ein Aktienrückkaufprogramm im Volumen von 15 Mrd. Dollar ausgesetzt. Drive-in-Quote explodiertIn diesem Umfeld ist das Drive-in-Geschäft für den Konzern, der in der vergangenen Woche seinen 80. Geburtstag beging, der Rettungsanker. Gerade in den USA, dem Markt mit dem höchsten Anteil an zumindest teilweise geöffneten Filialen, ist der Beitrag der Drive-in-Absätze zu den Gesamtverkaufszahlen im Verlauf der Coronakrise auf 90 % geklettert. Zuvor hatte er laut der Deutschen Bank bei zwei Dritteln gelegen. Gerade außerhalb der USA reicht das Geschäft an den Autoschaltern allerdings nicht aus, um die Ausfälle im Restaurantbetrieb aufzufangen. Im Segment International Operated Markets, also Märkte, in denen der Konzern seine Filialen selbst betreibt, stehen für McDonald’s nach Meinung der Analysten von J.P. Morgan hohe Investitionen an. Zu diesen Ländern zählen neben Kanada, Großbritannien und Deutschland auch die Coronakrisenherde Italien und Spanien. Um die Verluste dort abzufedern, werde McDonald’s im zweiten Quartal einen negativen freien Cash-flow in Kauf nehmen müssen.Auch im Drive-in-Markt USA ist die Wichtigkeit der Wiederaufnahme des Restaurantbetriebs für McDonald’s nicht zu vernachlässigen. Dazu hat der Fast-Food-Riese ein Konzept erarbeitet, das auch andere Restaurantbetreiber und Analysten ausdrücklich loben. Allerdings ist die Umsetzung der darin enthaltenen Richtlinien äußerst aufwendig und kostenintensiv. Unter anderem müssen häufig benutzte Oberflächen jede Stunde gründlich gereinigt werden, die sanitären Anlagen alle halbe Stunde. Für jeden Mitarbeiter in den 14 000 US-Filialen des Konzerns müssen ausreichend Masken und Handschuhe bereitgestellt werden, viele der Restaurants sollen für ihre Kunden zudem Gesichtsschilder bereithalten. Auf den Toiletten sollen automatische Handtuchspender, Kostenpunkt 310 Dollar pro Stück, und Waschbecken mit Bewegungssensor, die zu 718 Dollar pro Einheit angeboten werden, installiert werden. Zudem müssen die Getränkezapfanlagen zur Selbstbedienung künftig geschlossen oder durch einen Mitarbeiter überwacht werden, die Gäste an den Tischen bedient werden.Kritiker zweifeln bereits an, ob sich der hohe Aufwand lohnt. Ihrer Meinung nach zeichnet sich die typische McDonald’s-Filiale ohnehin nicht durch Sauberkeit aus – ob der Konzern die neuen Regeln dauerhaft landesweit durchsetzen könne, sei daher fraglich.Dass die Aktie des Fast-Food-Konzerns sich dennoch einer hohen Beliebtheit erfreut, lässt sich durch mehrere Punkte erklären. Zwar ist der Konzernumsatz zwischen 2014 und 2019 von 27,44 Mrd. auf 21,08 Mrd. Dollar zurückgegangen, der Gewinn pro Aktie im gleichen Zeitraum aber deutlich gestiegen. Lag der normalisierte Wert im Jahr 2014 noch bei 4,86 Dollar, kletterte er bis Jahresende 2019 auf 7,98 Dollar. Diese Disparität lässt sich darauf zurückführen, dass McDonald’s sein Geschäftsmodell in den USA verändert hat. Im Heimatmarkt betreibt der Fast-Food-Riese weniger Filialen selbst und vergibt mehr Franchise-Lizenzen. Dadurch spart er Löhne und Zusatzleistungen für Mitarbeiter, die Miete für die Filialgebäude und die Instandhaltungskosten ein. Die größten finanziellen Risiken tragen die Franchisenehmer.Auch infolge dieses Strategiewechsels hat sich die Aktie von McDonald’s in den vergangenen Jahren gegen Widerstände behauptet. Einer davon war der Abgang von Konzernchef Steve Easterbrook im November 2019. Der CEO musste seinen Hut nehmen, weil er ein Verhältnis mit einer ihm dienstlich unterstellten Person hatte. Analysten fürchteten damals, Easterbrooks Aus könne dafür sorgen, dass Anleger die Marke McDonald’s negativer wahrnehmen. Denn der Brite galt im Umgang mit Investoren als versiert. Unter Easterbooks Nachfolger Chris Kempczinski stieg der Kurs aber deutlich. An der langfristigen Konzernstrategie änderte sich durch den Chefwechsel ohnehin wenig. Kampf um MarktanteileZudem bietet die Coronakrise für McDonald’s auch Chancen. Laut dem Datendienstleister Morning-star sind 30 % aller US-Restaurants in den kommenden zwölf bis 18 Monaten von permanenten Schließungen bedroht. McDonald’s sei gut gerüstet, um in den Wettbewerb um die frei werdenden Marktanteile zu gehen. Laut J.P. Morgan wird der freie Cash-flow des Konzerns schon im dritten Quartal wieder positiv ausfallen, außerdem sei eine revolvierende Kreditfazilität im Volumen von 10 Mrd. Dollar verfügbar. Zugleich ist die Dividende von McDonald’s laut Morningstar eine der sichersten in der Branche. Selbst bei Kürzungen würden die Ausschüttungen wohl noch immer über dem Sektorschnitt liegen.Trotz der Robustheit der Aktie lauern zwei Gefahren: Einerseits wächst die Konkurrenz durch Ketten wie Chipotle, die gerade in den USA dank ihres Lieferdienstes zu den Profiteuren des Lockdowns gehört. Anderseits geht der Trend zur bewussteren Ernährung – dem Hamburger-Riesen könnten also einschneidende Änderungen auf der Speisekarte bevorstehen.