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Mehr Nachhaltigkeit im öffentlichen Sektor

Von Christian Lenk*) Börsen-Zeitung, 24.4.2019 Die Niederlande werden am 21. Mai dieses Jahres ihren ersten Sovereign Green Bond emittieren. Die Schatzagentur DSTA schätzt, dass sich im Staatshaushalt Ausgaben in Höhe von 3,5 bis 5 Mrd. Euro...

Mehr Nachhaltigkeit im öffentlichen Sektor

Von Christian Lenk*)Die Niederlande werden am 21. Mai dieses Jahres ihren ersten Sovereign Green Bond emittieren. Die Schatzagentur DSTA schätzt, dass sich im Staatshaushalt Ausgaben in Höhe von 3,5 bis 5 Mrd. Euro jährlich für nachhaltige Zwecke und damit zur Refinanzierung via Green Bonds definieren lassen. Hierzu zählen beispielsweise Ausgaben für die Bereiche Infrastruktur, Energieeffizienz, erneuerbare Energien oder für den “Delta Fond” (Finanzierung des Küsten- und Hochwasserschutzes). Die zu allokierenden Ausgaben sollen zu mindestens 50 % aus dem laufenden Jahr oder späteren Jahren stammen, können aber auch noch aus 2018 resultieren, womit der Additionalitätscharakter des Green Bonds unterstrichen werden soll. Hierunter versteht man die Tatsache, dass die aufgenommenen Mittel für neue zusätzliche und nicht für bereits geplante Projekte und Ausgaben verwendet werden. Bevorzugte ZuteilungAm 8. April hat die DSTA weitere Details zur Emission veröffentlicht. Bei der neuen Anleihe mit einer Laufzeit von 20 Jahren sollen dezidiert nachhaltig orientierte Investoren eine bevorzugte Zuteilung erhalten. Die DSTA fordert hierzu entsprechende Anleger auf, sich vor Öffnung der Bücher mit einem Schreiben als “Eligible Green Investor” zu klassifizieren. Das Emissionsvolumen der Anleihe soll 4 bis 6 Mrd. Euro betragen. Analog zu Plain-Vanilla-Benchmarks soll das ausstehende Volumen in den kommenden Jahren dann auf etwa 10 Mrd. Euro ansteigen. Das Rahmenwerk der Anleihe wurde von der Ratingagentur Sustainalytics durch das Ausstellen einer Second Party Opinion geprüft und befindet sich laut dem Anbieter in Einklang mit den Green Bond Principles. Die Anleihe wurde zudem von der Climate-Bond-Initiative zertifiziert. Höhere BedeutungDie Niederlande reihen sich mit der anstehenden Emission in eine immer länger werdende Liste von Emittenten aus dem staatsnahen Sektor ein, die nachhaltige Anleihen begeben haben. Das Anlegen unter Nachhaltigkeitsaspekten hat in den vergangenen Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen – ein Trend, der sich auch in Zukunft fortsetzen sollte. Im Rahmen der Debatte um den Klimawandel sind vor allem Green Bonds ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Ein reiner Fokus auf “grüne” Anleihen erscheint uns jedoch zu eng gefasst, und auch die meisten interessierten Anleger ziehen neben dem Aspekt “Environment” zusätzlich die Themen “Social” und “Governance” (ESG) in Betracht. Hohe KleinteiligkeitEin Überblick über die ESG-Aktivitäten im Sektor für (Sub-)Sovereigns, Supranationals und Agencies (SSAs) zeigt, dass bislang 102 Emittenten nachhaltige Anleihen begeben haben. Davon war etwas mehr als die Hälfte bereits mit mehreren Emissionen aktiv. Zum 1. April 2019 stand von diesen ein Gesamtvolumen von 177 Mrd. Euro (Euro-Äquivalente) aus. Dieses verteilt sich auf insgesamt 498 Anleihen, wobei die größten zehn Emittenten – vor allem Supranationals – mehr als die Hälfte dieser Einzeltitel ausmachen. Bislang gibt es nur 36 klassische Benchmark-Anleihen mit einem ausstehenden Volumen von mehr als 1 Mrd. Euro, während knapp 200 Titel Volumina von weniger als 50 Mill. Euro aufweisen.Das Gros des Gesamtvolumens verteilt sich jedoch auf Anleihen mit einem ausstehenden Volumen von mehr als 250 Mill. Euro, so dass trotz der hohen Kleinteiligkeit des Marktes in der Regel ein gewisses Maß an Liquidität vorhanden sein sollte. Währungsseitig entfällt mehr als die Hälfte des Angebots auf Euro und ein knappes Drittel auf Dollar. Wichtige Nischenmärkte bleiben der kanadische und der Austral-Dollar sowie die schwedische Krone.Mit Blick auf die Fälligkeitsstruktur ausstehender ESG-Anleihen von SSA-Emittenten lässt sich kein klarer Fokus auf längere Laufzeiten feststellen, wie oft kolportiert wird. Einzig im Segment der Zentralregierungen stechen einzelne Langläufer wie die französischen und belgischen Benchmarkanleihen heraus. Die meisten Titel werden jedoch im Laufzeitbereich von zehn Jahren oder weniger fällig. Nachdem insbesondere seit 2017 auch Sub-Sovereigns und Zentralregierungen ihre ESG-Aktivitäten deutlich hochgeschraubt haben, hat sich auch die Verteilung des ausstehenden Anleihevolumens auf die vier Segmente angeglichen, wobei Agencies und Supranationals noch führen. Hinsichtlich der geografischen Verteilung liegt der Fokus neben den überstaatlichen Supranationals klar auf Europa, gefolgt von Asien und Nordamerika. EIB als WegbereiterDas Segment der supranationalen Emittenten hat mit Institutionen wie der IBRD oder der Europäischen Investitionsbank (EIB), die vor mehr als zehn Jahren die ersten Anleihen dieser Art emittierten, den Weg für ESG-Bonds bereitet. Im Gegensatz zu den anderen drei Segmenten stellt der Dollar – noch vor dem Euro – die am stärksten genutzte Währung dar, was sich mit dem grundsätzlich stärker Dollar-fokussierten Fundingverhalten bei Supras deckt. Zudem fällt auf, dass unter allen vier Segmenten Supranationals die höchste ESG-Abdeckung (das heißt Anzahl der ESG-Emittenten im Segment gegenüber der Anzahl aller Emittenten im Segment) aufweisen. Dominanz des EuroMit einem Gesamtvolumen in Höhe von 67,5 Mrd. Euro stellen Agencies aktuell das größte der vier ESG-SSA-Segmente dar. Im Gegensatz zu Supras fällt die klare Dominanz des Euro auf, was teilweise auch durch die Emittentenstruktur bedingt ist, die beispielsweise von Flaggschiffen wie der KfW dominiert wird. Zudem residieren neun der zehn größten Emittenten in Europa. Die Nutzung von ESG-Programmen fällt mit Blick auf die einzelnen Jurisdiktionen gleichzeitig sehr unterschiedlich aus. So sind nachhaltige Anleihen bei skandinavischen, niederländischen und französischen Emittenten relativ weit verbreitet. Die Nutzung von ESG-Emissionen durch deutsche Agencies fällt im Vergleich hierzu bisher eher bescheiden aus. Aktivitäten nehmen zuDie ESG-Emissionsaktivitäten haben im Bereich der Sub-Sovereigns in den vergangenen Jahren relativ stetig zugenommen, wenngleich das Segment mit einem Gesamtvolumen von 27 Mrd. Euro (noch) das kleinste unter den vier betrachteten darstellt. Vor allem schwedische Städte und Gemeinden, aber auch französische Départements und Regionen waren Vorreiter. Das Segment der Zentralregierungen beziehungsweise Sovereigns sticht mit nur 16 ausstehenden Titeln und neun Emittenten durch seinen Mangel an Granularität heraus. Zieht man von diesen noch die vier kleinsten Emittenten ab, verbleiben fünf, die allesamt ihren Sitz in der EU haben. Neben Polen haben bislang Litauen, Frankreich, Belgien und Irland grüne Staatsanleihen begeben. Die Niederlande folgen, wie erwähnt, im Mai. Perspektivisch wird wohl auch in Berlin darüber nachgedacht, in die Fußstapfen der Nachbarländer zu treten, wie der Mitteilung des Staatssekretärsausschusses für nachhaltige Entwicklung vom 25. Februar 2019 zu entnehmen ist.—-*) Christian Lenk ist als Senior-Rentenmarktstratege bei der DZ Bank tätig.