Merck KGaA Alternative für konservative Anleger
Von Timo Kürschner *)Nach der Entscheidung der Briten für den Austritt aus der EU sind die Renditen deutscher zehnjähriger Bundesanleihen in den letzten zwei Wochen wieder in den negativen Bereich gerutscht. Sicherheit ist derzeit oberstes Gebot an den Rentenmärkten. Für konservative Investoren auf der Suche nach Sicherheit bieten Unternehmen aus der Life-Science-Branche eine mögliche Alternative. Die in der Regel gute Ertragslage und die dadurch bedingte hohe Cash-flow-Generierung der Konzerne führen zu starken Bonitäten und guten Ratings im Sektor. Eines unserer Basis-Investments in diesem Bereich ist die Darmstädter Merck KGaA.Die Historie des Unternehmens reicht bis ins Jahr 1668. Es ist damit das älteste pharmazeutisch-chemische Unternehmen der Welt. Seine heute deutlich größere amerikanische Tochter verlor der Pharmakonzern im Rahmen des Ersten Weltkrieges. Sie wurde konfisziert und arbeitet seitdem unabhängig als Merck & Co. Bei der Merck KGaA sind lediglich 30 % des Gesamtkapitals an der Börse notiert, die restlichen 70 % gehören der Familie Merck. Damit ist Merck im klassischen Sinne ein Familienunternehmen.Im Jahr 2015 erzielte Merck einen Umsatz von 12,8 Mrd. Euro und einen operativen Gewinn (Ebitda vor Sondereinflüssen; Ergebnis vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Einmaleffekten) von 3,6 Mrd. Euro. Die Ebitda-Marge vor Sondereinflüssen der Gruppe lag bei 28,3 %. Das Geschäft ist in drei Sparten gegliedert. Die größte Sparte Healthcare entwickelt und vertreibt verschreibungspflichtige Medikamente, darüber hinaus bietet sie rezeptfreie Arzneimittel zur Selbstmedikation im Konsumentengeschäft an. Außerdem entwickelt Merck im Unternehmensbereich Healthcare in jüngster Zeit biologische Generika, sogenannte Biosimilars. In Performance Materials bündelt der Konzern das besonders profitable Geschäft mit Flüssigkristallen und Farbeffektpigmenten sowie das Elektronikchemikaliengeschäft. Umsatzbalance verbessertDie letzte Sparte Life Science wurde 2015 durch die Übernahme des amerikanischen Life-Science-Anbieters Sigma Aldrich stark ausgebaut. Bezüglich der Diversifizierung des Konzerns hat Sigma Aldrich die Umsatzbalance deutlich verbessert. Merck erzielt jetzt in den wichtigen Regionen Nordamerika (26 %), Europa (33 %) und Asien (31 %) nahezu jeweils ein Drittel ihres Umsatzes. Die Sparten erzielten im Jahr 2015 operative Margen vor Sondereinflüssen von 25,5 % (Life Science), 28,9 % (Healthcare) und 44,3 % (Performance Materials).Aufgrund der Großakquisition von Sigma Aldrich kam es zur Ausweitung der Verschuldung. So stieg die Nettoverschuldung von 560 Mill. Euro Ende 2014 auf 12,7 Mrd. Euro zum Jahresende 2015. Durch die Übernahme sind die Ratings unter Druck geraten. Während Moody’s das Rating sofort nach Ankündigung der Akquisition um einen Notch auf “Baa 1” herabstufte, hält S & P bisher am “A”-Rating fest. Allerdings ist die Rating-Note bei beiden Agenturen mit einem negativen Ausblick versehen. Im Vergleich zum Branchenindex iBoxx Healthcare und im Vergleich zu großen international agierenden Pharmakonzernen (z. B. Roche “AA”, Novartis “AA-“) verfügt Merck damit derzeit über eine leicht unterdurchschnittliche Einschätzung. Der als Indikation für das Marktrisiko dienende Spread für einen CDS (Credit Default Swap) mit einer Laufzeit von fünf Jahren liegt im Moment für Merck bei ca. 40 BP. Dies ist gegenüber ähnlich gerateten Unternehmen im Sektor ein relativ niedriger Wert. Zum Vergleich: Die fünfjährigen CDS von AstraZeneca (“A 3”, “A-“) und Bayer (“A 3”-, “A-“) liegen derzeit bei rund 50 BP bzw. 60 BP. Auch die absolute Schwankung des Spreads des Merck CDS bleibt mit unter 20 BP seit Januar 2016 in einem sehr guten Bereich.Laut dem Strategieplan von Merck genießt die Rückführung der Verschuldung oberste Priorität. Das Management hat ein klares Commitment abgegeben, ein starkes Investment-Grade-Rating zu halten. Bis 2018 soll die Verschuldungskennzahl Nettoverschuldung/Ebitda vor Sondereinflüssen auf unter 2 zurückgeführt werden. Größere Akquisitionen über 500 Mill. Euro schließt das Management für die nächsten zwei Jahre aus. Im ersten Quartal 2016 hat Merck die Nettoverschuldung bereits um 600 Mill. Euro auf 12,1 Mrd. Euro zurückgeführt. Das Geld stammte u.a. aus dem Verkauf von Kuvan, einem Arzneimittel zur Behandlung der seltenen Stoffwechselstörung Phenylketonurie (PKU), dessen Vertriebsrechte Merck an BioMarin Pharmaceutical zurückgab. Finanzkennzahlen solideDie Kennzahl Adj. FFO/Net Debt lag Ende 2015 laut S & P bei 17,7 %. Dank der starken freien Cash-flows (einschließlich Sigma-Aldrich gehen wir auf Jahresbasis von über 2 Mrd. Euro aus) könnte sie sich nach unseren Schätzungen bis 2017 auf ca. 30 % verbessern. Dies steht im Einklang mit den Erwartungen der Ratingagentur S & P, die für das aktuelle “A”-Rating bis 2017 einen Wert von 30 % bis 35 % erwartet. Risiken bestehen vor allem im Falle einer schwächeren Umsatz- und Ertragsentwicklung in nächster Zeit.Merck tritt regelmäßig als Emittent von Unternehmensanleihen auf. Aufgrund der US-Dollar Exposition des Unternehmens hat Merck seine Anleihen (7,1 Mrd. Euro ohne Hybride) etwa hälftig in US-Dollar und Euro begeben. Im Zuge der Finanzierung der Sigma-Aldrich-Übernahme hat das Unternehmen zusätzlich zwei Hybridanleihen begeben. Das Fälligkeitenprofil von Merck ist relativ ausgewogen und erlaubt eine flexible Rückführung der Verschuldung. Bondfälligkeiten für 2016 gibt es keine mehr. Zwischen 2017 und 2023 werden jährlich zwischen 350 Mill. Euro und 2 Mrd. Euro fällig. Einen kleineren Teil davon könnte Merck unseres Erachtens in den nächsten Jahren am Markt refinanzieren. Spreads engen sich einAnleihen im Investment Grade Bereich konnten infolge der Ankündigung des EZB-Anleihekaufprogramms deutlich zulegen. So engten sich die Spreads der in Euro begeben Unternehmensanleihen des iBoxx Health Care seit März um rund 20 BP ein. Auch der Brexit-Schock führte kaum zu einer Ausweitung der Spreads von Healthcare-Bonds und wurde mittlerweile wieder voll kompensiert. Die Merck-Bonds liegen bei der Marktkurve “AA-” und erscheinen damit im Vergleich zum Rating sehr teuer, weshalb wie sie nur sehr risikoaversen Investoren zur Anlage empfehlen.Abgesehen von den Hybridbonds und der bis September 2022 laufenden Anleihe rentieren alle in Euro begeben Merck-Anleihen derzeit im negativen Bereich. Die nachrangigen Hybridbonds (“Baa 3”; “BBB+”) liegen dagegen bei der “BB+”-Marktkurve und bieten damit unseres Erachtens im Vergleich eine deutlich lukrativere Anlagemöglichkeit, wenngleich bei einem höheren Risiko.—-*) Timo Kürschner ist Senior Analyst bei der Landesbank Baden-Württemberg.