Microsoft steigt mit der Cloud auf ein Allzeithoch
Von Stefan Paravicini, New YorkDie Aktien der größten US-Technologiekonzerne gehören zu den wenigen Papieren, die in den Wochen seit dem überraschenden Ausgang der US-Präsidentschaftswahl die Rally an den Börsen nicht oder nur sehr verhalten mitgemacht haben. Obwohl der gewählte Präsident Donald Trump mit seiner im Wahlkampf angekündigten Steuerauszeit für die im Ausland geparkten Gewinne von US-Unternehmen allein den führenden Technologieunternehmen die Repatriierung von rund mehr als 600 Mrd. Dollar erleichtern und damit den Weg für Sonderdividenden und zusätzliche Aktienrückkäufe frei machen könnte, hat der schwerste Technologiewert Apple seit Anfang November nur gerade 0,2 % gewonnen.Ernüchternd wirkt unter anderem die Sorge, Trump könnte mit seinen Vorstellungen zur Einwanderungspolitik den Zustrom von Talenten in das Silicon Valley empfindlich stören und mit seiner Haltung zum Freihandel den Zugang der im Ausland ohnehin oft argwöhnisch beäugten US-Technologiekonzerne zu internationalen Wachstumsmärkten wie China weiter erschweren. Platz 3 im BörsenrankingAlphabet, der zweitschwerste Wert aus der Branche, die länger schon mehr oder weniger unangefochten die drei wertvollsten börsennotierten US-Unternehmen stellt, hat in dieser Zeit leicht nachgegeben. Nur Microsoft, mit einer Marktkapitalisierung von knapp 470 Mrd. Dollar die Nummer 3 unter den Technologiekonzernen, hat in den vergangenen vier Wochen mit einem Plus von knapp 3 % an der Spitze der schwersten US-Unternehmen leicht zugelegt.Über die vergangenen zwölf Monate gesehen kletterte die Aktie des größten Softwarekonzerns knapp 8 %, während Apple den gleichen Weg in die andere Richtung zurücklegte und die Google-Mutter Alphabet stagnierte. Nachdem das Unternehmen bereits Ende Oktober das zuletzt auf dem Höhepunkt des Dotcom-Booms 1999 erreichte Kursniveau erklommen hatte, notierte die Aktie gestern kurz nach dem Handelsstart in New York bei 61,45 Dollar auf einem Allzeithoch.Für den jüngsten Impuls sorgte die wenige Stunden vor Öffnung der US-Börsen auf einer Veranstaltung in China gemachte Ankündigung von Microsoft, dass die aktuelle Version ihres Blockbuster-Betriebssystem Windows künftig auch auf mobilen Geräten laufen wird, die mit energieeffizienten Chips von Qualcomm ausgestattet sind und über eine ständige Verbindung mit dem Internet verfügen. Es ist ein neuer und nach Einschätzung von Analysten der bisher vielversprechendste Anlauf, im Geschäft mit mobilen Endgeräten Fuß zu fassen, in dem Microsoft immer noch hinterherhinkt.Dass Marktbeobachter der Aktie auch auf Dotcom-Niveau immer noch ein Aufwärtspotenzial attestieren und 19 von 25 Analysten nach Angaben von Zacks Investment Research Microsoft derzeit zum Kauf empfehlen, obwohl die Bewertung mittlerweile bei einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von fast 30 angekommen ist, hat aber nur sehr bedingt mit der neuen Kooperation zu tun, mit der Microsoft ihren angestammten Partner Intel unter Druck setzt. Auch die Vorstellung eines neuen, politisch ausgesucht korrekten Chatbots “Zo” Anfang dieser Woche, neun Monate nachdem Microsoft den künstlich intelligenten Vorgänger “Tay” zurückpfeifen musste, weil sich der Online-Assistent von den Nutzern allzu leicht zu einem rassistischen und sexistischen Papagei erziehen ließ, ist für Investoren nicht mehr als eine hübsche Anekdote. Freigabe für LinkedinDie Freigabe, die Microsoft von den Kartellwächtern der Europäischen Union gerade für die gut 26 Mrd. Dollar schwere Übernahme des sozialen Netzwerks Linkedin mit der Auflage erhalten hat, den deutschen Konkurrenten Xing über fünf Jahre in Deutschland, Österreich und der Schweiz in das Windows-Paket zu integrieren, ist ebenfalls eingepreist, auch wenn das Potenzial des Netzwerks als eine Art “Facebook für die berufliche Laufbahn”, wie es Microsoft-Gründer Bill Gates vorschwebt, noch nicht abschließend gewogen ist.Die Wachstumshoffnungen von Microsoft liegen derzeit vor allem dort, wo sie die gesamte Branche vermutet: In der sogenannten Cloud, im Geschäft mit IT-Leistungen, die über das Internet vermietet werden. CEO Satya Nadella, der den Konzern seit Februar 2014 führt, hat Microsoft zu einem echten Powerhouse im Geschäft mit Speicherplatz, Entwicklungsplattformen und Software aus der Cloud ausgebaut. Herausforderer wie Amazon, Google und Salesforce gehören hier zu den Pionieren. Die etablierte erste Garde der Softwarebranche mit Microsoft, IBM, Oracle und SAP an der Spitze hat mehr oder weniger Zeit gebraucht, auf den Zug aufzuspringen. Starker JahresauftaktBei Microsoft hat das Geschäft mittlerweile richtig Fahrt aufgenommen. Gerade die Segmente, in denen der Konzern im direkten Wettbewerb mit den Vorreitern steht, entwickelten sich zuletzt prächtig. Die Cloud-Plattform Azure, die wie Amazon Web Services und Google unter anderem Speicherplatz, Analytics und Entwicklungsumgebungen in der Cloud anbietet, konnte ihren Umsatz mehr als verdoppeln, wie das Unternehmen mit den Zahlen für das erste Quartal seines im Juni zu Ende gehenden Geschäftsjahres mitteilte (vgl. BZ vom 22. Oktober). Mit Software aus der Cloud, die direkt mit dem Kernprodukt von Salesforce konkurriert, schaffte Microsoft eine Verdreifachung des Umsatzes, während die Produktgruppe insgesamt gut ein Zehntel zulegte.Im Vergleich mit Amazon und Salesforce, die in ihren Domänen als Marktführer in der Cloud gelten, hat Microsoft aber noch einiges aufzuholen. Auch im ersten Quartal legte der Konzern über das gesamte Cloud-Geschäft gesehen mit einem Plus von knapp einem Zehntel eine deutlich geringere Dynamik hin, als bei reinen Cloud-Anbietern üblich ist. Für die Aktie verspricht das Aufwärtspotenzial, glauben die meisten Marktbeobachter.