Chinesische Tech-Unternehmen

Misstrauen in der Heimat

Chinesische Tech-Unternehmen, die an New Yorker Börsen aufschlagen, sind keine Seltenheit. In Zeiten heftiger Spannungen und Technologiestreitigkeiten zwischen China und den USA bringen sie jedoch einen gewissen Nervenkitzel mit sich. Schließlich...

Misstrauen in der Heimat

Chinesische Tech-Unternehmen, die an New Yorker Börsen aufschlagen, sind keine Seltenheit. In Zeiten heftiger Spannungen und Technologiestreitigkeiten zwischen China und den USA bringen sie jedoch einen gewissen Nervenkitzel mit sich. Schließlich träumt manch konservativer US-Politiker vom Radikalschlag einer kategorischen Verbannung chinesischer Firmen von New Yorker Börsen. An der Wall Street selbst hat man keine Zeit, sich mit solchen Worst-Case-Szenarien zu beschäftigen. Vielmehr gilt es, die Feste zu feiern, wie sie fallen, und lukrative chinesische Börsengänge willkommen zu heißen.

Die Wall-Street-Gemeinde hat ein wohlbegründetes Faible für chinesische Tech-Adressen, die mit ihren flotten Geschäftsmodellen und einem riesigen Heimatmarkt im Rücken das Zeug zu Skaleneffekten haben, die man sonst auf der Welt lange suchen muss. Entsprechend freudig blickt man nun dem IPO des führenden chinesischen Fahrdienstvermittlers Didi entgegen. Dieser hat nicht nur Uber aus China verdrängt, sondern ist auch auf gutem Wege zur sogenannten Super-App, die verschiedene unverzichtbare Internetdienste kombiniert.

Eine Quasi-Monopolstellung in China ist ein schlagendes Argument für einen Vermarktungserfolg des Didi-IPO. Das damit verbundene Zukunftspotenzial relativiert nämlich den enormen Cash-Verbrauch, den Didi an den Tag legt und der das Erzielen von Gewinnen zum Geduldsspiel macht. Genau an dieser Stelle aber muss man stutzig werden. Die seit Jahren zu den potenziell wertvollsten Start-up-Unternehmen zählende Didi ist ein „Latecomer“ in Sachen IPO. Ihr wurden von der chinesischen Regierung immer wieder Steine in den Weg gelegt. Peking misstraut der Marktmacht des Fahrdienstes und konfrontiert ihn mit immer neuen regulatorischen Anforderungen. Im Zuge der jüngsten Regierungskampagne gegen Monopole und Marktmissbrauch führender Technologiefirmen wie Alibaba, Ant Group und Tencent steht auch Didi im Fadenkreuz.

Nun hat es Didi plötzlich besonders eilig, nach New York zu kommen. Es gilt, am Markt zu sein, bevor die Pekinger Offensive ihre volle Wirkung entfaltet und Didis Monopolstellung und damit auch die Börsenfantasie zerpflückt. Das gibt zu denken. Derzeit wird viel über die „Delisting-Gefahr“ von chinesischen Tech-Unternehmen in den USA geredet. Das eigentliche Risiko für Wall-Street-Anleger ist aber, dass chinesische Börsenaspiranten nicht von US-Behörden, sondern von heimischen Regulatoren fertiggemacht werden.

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