Unternehmensanleihen

Mit Fallen Angels Ineffizienzen im Markt nutzen

2020 war ein außergewöhnliches Jahr für die sogenannten „Fallen Angels“. Darunter versteht man Unternehmen, deren Bonität sich verschlechtert hat und die ihren Investment-Grade-Status verlieren, weil Ratingagenturen diese auf High Yield herabstufen....

Mit Fallen Angels Ineffizienzen im Markt nutzen

2020 war ein außergewöhnliches Jahr für die sogenannten „Fallen Angels“. Darunter versteht man Unternehmen, deren Bonität sich verschlechtert hat und die ihren Investment-Grade-Status verlieren, weil Ratingagenturen diese auf High Yield herabstufen. Die USA sind der mit Abstand größte Markt für dieses Segment. 50 amerikanische Unternehmen mit einem Anleihevolumen von rund 200 Mrd. US-Dollar sind letztes Jahr herabgestuft worden – das höchste Volumen seit 2005. Damals waren es im ganzen Kalenderjahr 149 Mrd. US-Dollar.

Auf den ersten Blick mag es überraschen, dass wir Downgrades positiv werten. Doch wir sind überzeugt, dass dieses Segment aus technischen und strukturellen Gründen bislang unbeachtete Chancen für Anleiheinvestoren bieten kann. Hochzinsanleihen werden aufgrund ihrer höheren Risiken oft als Ramsch bezeichnet – aber das spezielle Segment der „Fallen Angels“ hebt sich davon ab. 90% der gefallenen Engel verfügen über ein „BB“-Rating, die beste Note im High-Yield-Bereich. Das Ausfallrisiko ist deshalb geringer als bei anderen Hochzinsanleihen. Seit 2005 liegt die jährliche, durchschnittliche Ausfallrate in diesem Segment bei lediglich rund 0,6%, während sie im breiten Hochzinsanleihemarkt fast dreimal so hoch ist. Insgesamt gesehen wird nämlich nur die Hälfte aller Hochzinsemissionen mit „BB“ bewertet. Die andere Hälfte gilt als hochspekulativ oder sogar extrem riskant.

Zwangsverkäufe

Die Folgen einer Herabstufung sind häufig Zwangsverkäufe. Institutionelle Investoren müssen die betroffene Anleihe verkaufen, weil sie keine High-Yield-Anleihen halten dürfen oder ihre Quote bereits ausgenutzt haben. Solche Verkäufe wirken sich auf dem High-Yield-Markt allerdings deutlich stärker aus als im Investment-Grad-Markt. So hat der US-Markt für Investment-Grade-Anleihen ein Volumen von mehr als 6 Bill. Dollar – rund viermal so viel wie der US-Markt für Hochzinsanleihen. Deshalb können Zwangsverkäufe auf diesem Markt zu Störungen führen und in der Folge ein Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage schaffen. Eine solches „technisches Ungleichgewicht“ führt bei den von der Herabstufung betroffenen Anleihen normalerweise zu einem Abschlag von etwa 150 bis 200 Basispunkten zum Marktpreis. Anleger können diese technische Alpha-Chance nutzen. Dabei ist es wichtig, das Risiko zu minimieren und breit zu diversifizieren.

Umgekehrt gilt aber auch: Da die „Fallen Angels“ im Hochzinssegment zu den Papieren mit der höchsten Bewertung zählen und im Schnitt die geringsten Ausfallraten haben, werden viele von ihnen zu einem späteren Zeitpunkt wieder auf Investment-Grade-Status heraufgestuft, also deutlich häufiger, als dies bei ursprünglich emittierten Hochzinsanleihen der Fall ist. Diese Heraufstufungen wirken sich wiederum typischerweise zugunsten des Inhabers der gefallenen Anleihe aus: Wenn die Anleihe Teil eines Investment-Grade-Index ist, sind institutionelle Anleger, die diesen Index abbilden, gezwungen, die heraufgestufte Anleihe zu kaufen. Der Verkäufer kann dann aufgrund der starken Nachfrage auf dem Markt zu einem höheren Kurs verkaufen.

Im vergangenen Jahr wurden 6,7% der Anleihen im US-amerikanischen Fallen-Angels-Universum erneut von High Yield auf Investment Grade hochgestuft, verglichen mit nur 1,8% aus dem breiten High-Yield-Universum. In Anbetracht der anhaltenden Pandemie und der Sorge um hoch verschuldete Unternehmen mit geringer Profitabilität ist es nur eine Frage der Zeit, bis wir weitere Herabstufungen im US-ameri­kanischen Unternehmensanleihemarkt sehen. Der Markt für „BBB−“, also das niedrigste Investment-Grade-Segment kurz vor einem Downgrade in den High-Yield-Bereich, ist mit einem Volumen von 900 Mrd. Dollar immer noch aufgebläht.

Unterstützung durch die Fed

Ein struktureller Grund, der für Fallen Angels spricht, ist die Tatsache, dass die US-Notenbank Fed ausdrücklich erklärt hat, Investment-Grade-Anleihen und kürzlich herabgestufte Fallen-Angels-Emittenten im Rahmen ihres Anleihekaufprogramms nach dem Markteinbruch im März 2020 zu unterstützen. Dies hat dazu beigetragen, das Abwärtsrisiko von Fallen Angels zu vermindern, den Kurs von technisch überverkauften „Fallen Angels“ zu unterstützen und eine Kursumkehr zu ermöglichen. Allerdings führt die ultralockere Geldpolitik der Zentralbanken weltweit dazu, dass das gesamte Finanz- und Wirtschaftssystem durch eine historisch hohe Liquidität im Markt aufgebläht ist, was sich während der Corona-Pandemie noch verstärkt hat. Das macht es wahrscheinlicher, dass sich immer mehr sogenannte „Zombie-Unternehmen“ auf dem Markt halten können. Das sind Unternehmen, die in einem normalen Marktumfeld nicht in der Lage wären, ihre Schulden zu bedienen. Im derzeitigen Zinsumfeld sind die Zinskosten jedoch so niedrig, dass die Firmen trotz schlechter Erträge im Geschäft bleiben können. Deshalb gilt es für Anleiheinvestoren, die herabgestuften Unternehmen genau unter die Lupe zu nehmen, um Zombie-Firmen zu vermeiden.

Während wir davon überzeugt sind, dass Herabstufungen für Fallen-Angels-Investoren gut sein können, sind es Unternehmensausfälle nicht. Im Sommer 2020 galten wir als Außenseiter, weil wir der Meinung waren, dass die durchschnittlichen Ausfallprognosen im US-High-Yield-Markt übertrieben seien. Wir behielten Recht. Die tatsächlichen Ausfallraten waren mit 2,6% weit niedriger als vom breiten Markt erwartet – zwar höher als in einem „normalen“ Jahr, aber immer noch deutlich niedriger als die Ausfallrate von 4% im breiten High-Yield-Sektor. Betroffen waren 2020 vor allem der Energiesektor und in geringerem Maße Kommunikation und zyklische Konsumgüter. Zum Vergleich: 2019 gab es bei den Fallen Angels keine Ausfälle, und in den letzten 15 Jahren lag die durchschnittliche Ausfallrate bei nur 0,6%. Wir sind ziemlich optimistisch, dass es 2021 weniger Unternehmensausfälle geben wird als 2020, weil die Zinsen niedrig sind und selbst Emittenten von Hochzinsanleihen eine noch nie dagewesene Menge an Kapital aufgenommen haben, um ihre Liquiditätspuffer aufzustocken, bevor die Wirtschaft wieder voll anspringt.

Von Prämien profitieren

Kurzum: Die Auswirkungen der Corona-Pandemie, die fortgesetzte Verschuldung von US-Unternehmen und die Aufblähung des US-Marktes für Anleihen mit einem Rating von „BBB−“ deuten auf ein hohes Volumen von weiteren Herabstufungen in naher Zukunft hin. Unserer Ansicht nach dürften mehr Herabstufungen auch zu mehr Zwangsverkäufen von Seiten institutioneller Investoren führen. Dies könnte dann wiederum für größere Abschläge bei „Fallen Angels“ sorgen. Wer also die Möglichkeit hat, sein Portfolio zu diversifizieren, kann möglicherweise von diesen strukturell und technisch verursachten Prämien profitieren und potenziell Alpha bei angemessenem Risiko generieren.